Ungewohnt für den Bauunternehmer: Pizza und Melone statt Pläne und Mörtl

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Die Tafelhelfer: (v. li.) Ellen Lutze, Monika Herzog, Hans Besch, Heidi Ritter, Reinhold Krämmel, Gerti Maier, Rosi Stein und Ursula Döcker. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Prominente Unterstützung bekamen die Ehrenamtlichen der Lebensmittelausgabe für Bedürftige: Bauunternehmer Reinhold Krämmel arbeitete bei der Geretsrieder-Wolfratshauser Tafel mit.

Geretsried – Reinhold Krämmel trägt eine lange Schürze, als er hinter den Kühlboxen steht, und Pizza verteilt. Zwei verschiedene Sorten hat er im Angebot – Hawaii und Spinat. Die Rolle ist für den Bauunternehmer eher ungewohnt, aber sie dient einem sinnvollen Zweck: Für einen Nachmittag engagiert sich Krämmel als Helfer bei der Geretsrieder-Wolfratshauser Tafel.

Vor rund zwei Monaten war er schon einmal in den gleichen Räumen an der Jeschkenstraße. Da noch mit Sakko bekleidet und mit einem Scheck in der Hand: 5000 Euro spendete die Krämmel-Stiftung an den Verein. Der Stiftungsgründer zeigte großes Interesse an der Arbeit der Ehrenamtlichen. „Ich möchte einfach etwas mehr Einblick bekommen, will sehen, worum es geht.“

Tafelchefin Heidi Ritter freut sich über den zusätzlichen Helfer. Der will keine Sonderbehandlung: „Ich bin flexibel, stellen Sie mich hin, wo ich helfen kann.“ Der Bauunternehmer soll Obst und Gemüse sortieren. Die ersten Kunden warten schon vor der Tür auf die Verteilung der Lebensmittel. Helfer haben sie zuvor in Supermärkten eingesammelt. Dort werden sie nicht mehr verkauft – sind aber noch genießbar. Gemeinsam mit seinen neuen Kollegen überprüft Krämmel an einem langen Tisch die gespendeten Waren. Sie müssen mehrere Körbe durchschauen – jede Packung öffnen, jeden Apfel, jede Tomate, jede Fenchelknolle in die Hand nehmen und auf Schadstellen kontrollieren. Krämmel hält eine Galiamelone in der Hand. Sie hat eine weiche Druckstelle. „Weg oder nicht?“, fragt er. Monika Herzog, die neben ihm Pastinaken auspackt, wirft einen kurzen Blick darauf. „Weg.“ Die Frucht wirft er in eine Schütte unter den Tisch. Eine Bäuerin holt die aussortierten Lebensmittel später für ihre Schweine ab.

Jeder Helfer übernimmt einen festen Bereich

Kurz nach 16 Uhr ist alles bereit. Ritter kontrolliert, ob die wartenden Abholer eine Berechtigung haben. Krämmel nutzt die kurze Verschnaufpause für eine Fragerunde. Sechs Tafelmitarbeiter, durchschnittlich zwischen 70 und 80 Jahre, verteilen die Waren, erklären ihm Ellen Lutze, Ursula Döcker und Gerti Maier. „Jeder übernimmt einen festen Bereich wie Brot, Obst, Gemüse oder Wurstwaren.“ Wie viele Kunden jeweils kommen, weiß vorher niemand: „Es ist immer verschieden. Man kann es nie im Voraus sagen.“ Ebenso wenig wissen die Helfer, wie viel Ware es zu verteilen gibt. „Es ist allgemein weniger geworden“, sind sich die Damen einig. „Heute sind es 23 Kunden, die für 52 Personen abholen“, sagt Tafel-Chefin Heidi Ritter. Sie ruft den ersten über eine Nummer auf. Namen nennt sie nie – aus Datenschutzgründen. Den Ausgebern sagt die Tafelchefin, für wie viele Menschen dieser Lebensmittel abholt. Details hat sie auf einer Kladde notiert. Krämmel hat schon Stellung bezogen und wartet auf Kundschaft. Gemeinsam mit Ursula Döcker verteilt er Pizzen.

Prominenter Helfer: Reinhold Krämmel sortiert mit den Ehrenamtlichen Monika Herzog (li.) und Gerti Maier Obst und Gemüse für die Lebensmittelausgabe.
Prominenter Helfer: Reinhold Krämmel sortiert mit den Ehrenamtlichen Monika Herzog (li.) und Gerti Maier Obst und Gemüse für die Lebensmittelausgabe. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Der erste Kunde geht an den Tischreihen entlang, wo Krämmel und die anderen Helfer die Waren vorsortiert haben. An jedem Tisch kann er andere Waren bekommen. „Wollen Sie etwas Lauch?“, fragt eine Ehrenamtliche den Herrn. Sie lächelt. Alle Kunden werden freundlich und mit Respekt behandelt. Erst, als er eine Station passiert hat, darf der nächste Kunde den Ausgaberaum betreten. „Wir hätten hier noch ein paar Kiwis“, sagt eine Helferin. „Vielleicht noch eine Creme für trockene Haut“, wendet sich auch Hans Besch an den Tafelkunden. Eine Antwort bekommen die Helfer immer wieder zu hören, während die Menschen die Lebensmittel in die mitgebrachten Einkaufstaschen packen: „Danke, vielen Dank.“

Gasthelfer Krämmel spricht mit einer Kundin: „Pizza Hawaii mit Ananas oder Veggie mit Spinat? Was hätten Sie lieber?“ Er stellt die Frage alle paar Minuten, wenn ein neuer Kunde kommt. Keiner der Abholer ahnt, dass ein bekannter Bauunternehmer vor ihnen steht und Tiefkühlpizza verteilt. Für sie ist es ein netter Herr, der sie mit einem Lächeln bedient.

Krämmel hat „absoluten Respekt“ vor der Arbeit der Ehrenamtlichen

Nach seiner Schicht zieht der 75-Jährige ein kurzes Resümee: „Meinen absoluten Respekt vor dem, was die Ehrenamtlichen hier leisten. Allein die Logistik – unglaublich.“ Die Arbeit der Tafel fange auf, wo die staatlichen Hilfen nicht mehr greifen. „Man merkt, dass hier alles mit Herzblut gemacht wird.“

Und was sagen die Ehrenamtlichen zu ihrer prominenten Unterstützung? „Arbeitsprobe bestanden“, so das einstimmige Urteil. „Er darf gerne wieder kommen.“ Helfer werden bei der Tafel nämlich immer gebraucht.

sh

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