Leopard 1 im Ukraine-Krieg: Stabiler deutscher Panzer bietet Putins Drohnen die Stirn

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Elf Drohnen braucht Russland, um einen optimierten Leopard zu zerstören; ein Achtungserfolg, der der Ukraine langfristig aber keine Vorteile beschert.

Kiew – „Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts ist der Einzelpanzer ein immer krasseres Biest geworden“, sagt Ralf Raths. Das gelte für den Abrams genau wie für den deutschen Leopard oder die englischen beziehungsweise französischen Modelle, so der Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster gegenüber der Tagesschau. Im Ukraine-Krieg haben die Verteidiger jetzt offenbar einen deutschen Leopard-Panzer derart aufgemotzt, dass sich die Drohnen von Wladimir Putins Invasionsarmee fast die Zähne daran ausgebissen hätten – aber eben nur fast.

„Doch das sind weder ausschließlich gute Nachrichten für die Russen, noch schlechte Nachrichten für die Ukrainer“, schreibt aktuell das Magazin Forbes und bezieht sich auf ein Video, dass das russische Verteidigungsministerium in Sozialen Netzwerken veröffentlicht hat. Die Bilder legen zwei Botschaften nahe: Dass Russland bis zum bitteren Ende zu kämpfen gewillt ist, und dass die Ukraine diesen Prozess so lange wie möglich hinziehen will; und offenbar auch kann. Laut dem Video soll der Leopard insgesamt bis zur elften Drohne standgehalten haben.

Leopard 1
Von der Entwicklung überholt: Der deutsche Panzer Leopard 1 ist ein wichtiges Rüstungsgut für die Ukraine, aber letztendlich nur gut genug, um der Ukraine Zeit zu verschaffen. Zum Gewinnen des Ukraine-Krieges scheint er nur bedingt geeignet zu sein (Archivfoto). © Daniel Reinhardt/dpa

Ukraine verliert einen Leopard 1: „Aber es gibt Gründe, optimistisch zu sein“

Immer noch eine militärisch wie ökonomisch miserable Bilanz. Allerdings schreibt Forbes-Autor David Axe davon, dass die Ukraine jetzt den Beweis habe, die Überlebensfähigkeit eines alten Leoparden durch Nachrüstung signifikant verbessert zu haben. Wie so häufig zeigt das Video wenig Konkretes. Der Panzer geht eben in Rauch auf. „Es ist unklar, ob die vier Besatzungsmitglieder überlebt haben, aber es gibt Gründe, optimistisch zu sein“, behauptet Axe.

Die Brisanz des Fahrzeugs liegt darin, dass dieser Kampfpanzer-Typ der am weitesten verbreitete Westpanzer in den ukrainischen Streitkräften geworden ist, allerdings als „Uralt-Panzer“ gilt. Der Leopard 1 war der erste eigenproduzierte Nachkriegspanzer Deutschlands. Seine kräftige Motorisierung machte ihn flink auf dem Gefechtsfeld und konnte dadurch Schwächen kompensieren. Ihn können weder Steigungen noch Querneigungen stoppen, offenbar sind seine mehr als 40 Tonnen auch für das schwere ukrainische Gelände besser geeignet als der deutlich schwerere britische Challenger oder der in allen Belangen überdimensionierte US-amerikanische Abrams-Panzer.

„Zeit bleibt eine russische Waffe. Wir müssen schneller werden.“

Seit Mitte 2022, also bereits kurz nach dem völkerrechtswidrigen Überfall der Ukraine durch Russland, werden die Lieferungen des ausgemusterten Kampfpanzer-Typs durch verschiedene Nato-Länder diskutiert und vorbereitet – das bedeutete die Aufarbeitung der in Depots eingelagerten Maschinen. Allerdings hatte der Spiegel zur Zeit der ersten Diskussionen bereits schwere Bedenken angemeldet. Als „bescheiden geschütztes Dünnblechfahrzeug“ hatte eine anonyme Militärquelle den Kampfpanzer gegenüber dem Nachrichtenmagazin beschrieben.

Ukraine-Krieg macht deutlich: „Wenn Sie Gelände erobern wollen, brauchen Sie einen Panzer“

Zu der Zeit des Spiegel-Artikels ahnte niemand, dass Drohnen die Panzerknacker von morgen sein würden. Die Quelle verwies deshalb darauf, dass der Leopard russischen Panzern sicher in Mobilität und Feuerkraft überlegen sei, aber diese Tugenden mit einem Verzicht auf Schutz erkaufte. Die 70 Millimeter dicke und um 30 Grad geneigte Bugplatte sei für Geschosse von T-72 an aufwärts kein Hindernis. „Die gehen dort durch wie nichts, selbst aus 3.000 Metern Entfernung“, zitierte der Spiegel seinen Informanten.

Panzer könnten aus voller Fahrt schießen und treffen – und das über mehrere Kilometer hinweg, auch im Rückwärtsfahren, schwärmt Panzermuseums-Direktor Ralf Raths. Allein das mache sie zu Vorschlaghämmern auf dem Schlachtfeld, wie er sagt; sie allein brächten aber noch nicht den Sieg.

„Wenn Sie Gelände erobern wollen, brauchen Sie einen Panzer“, sagte Markus Reisner gegenüber der New York Times (NYT), die vor rund einem Jahr gefragt hat, inwieweit Panzer in der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts überhaupt noch eine Rolle spielten. Der Oberst des österreichischen Bundesheeres hält ihn weiterhin für wichtig, sieht sie in der Zukunft aber eher als unbemannten Terminator, der aus unterirdischen Bunkern von Menschen ferngesteuert wird, wie er der NYT gegenüber äußerte.

Erste Erfolge für die Ukraine im Panzer-Schutz: „Maßgeschneiderter Ansatz auf dem Schlachtfeld“

Den Leopard 1 hatte der vom Spiegel befragte Militär-Experte aber schon zu Zeiten der Lieferung als nicht mehr zeitgemäß beurteilt. Allerdings trägt er weiter dazu bei, die Ukraine im Gefecht zu halten. Während der Westen daran arbeitet, die Besatzung immer entbehrlicher zu machen und die Panzer „smart“ zu gestalten, ist die Ukraine offensichtlich erfolgreich in der Optimierung der Panzerung. „Derzeit sind elektronische Kriegsführung und verschiedene Arten des passiven Schutzes die wirksamsten Mittel, um FPVs (First Person View-Drohnen) zu besiegen“, sagte Michael Kofman gegenüber der New York Times.

Der Analyst des US-Thinktanks Carnegie Endowment fordert seit langem einen „maßgeschneiderten Ansatz auf dem Schlachtfeld“, erkennt aber die Erfolge der Ukraine an. Die mögen sich jetzt mit dem Video bewiesen haben. Die Optimierungen des seit mehr als einem Jahrhundert weiter entwickelten Waffensystems „Kampfpanzer“ gehen über massivere Bleche, unbeholfen aussehende Käfige über dem Turm und Hard-Kill-Systeme, die kleine Geschosse aus der Panzerung spritzen, bis zu Lasern, die anfliegende Drohnen blenden sollen. Den Wettlauf um den schnelleren Tod führen auf beiden Seiten die Ingenieure, bevor ihn die Soldaten fortsetzen.

Hohe Investitionen gegen Putin: Eineinhalb Millionen Euro für die Revitalisierung jedes einzelnen Leopard 1

Die Verstärkungen scheinen zu helfen. Forbes berichtet jedenfalls, dass von den 58 Leopard 1, die die Ukrainer allein zwischen Juli 2023 und Anfang September erhielten, nur sechs als zerstört bestätigt worden seien. Noch im Dezember bemängelte Forbes-Autor David Axe, dass das Unterstützer-Konsortium aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark 19 Monate gebraucht hätte, um das erste Drittel der ursprünglich insgesamt zugesagten 155 Leopard 1 an die Ukraine zu liefern. Nach einem Bericht des Magazins Europäische Sicherheit & Technik (ESUT) hat allein Dänemark mehr als eineinhalb Millionen Euro für die Revitalisierung jedes einzelnen Leopard 1 investiert.

Dennoch macht die Ukraine die meisten hoffnungsvollen Schlagzeilen mit Angriffen eigener Drohnen oder der Abwehr gegnerischer. Über jeden Meter Gewinn oder Verlust am Boden entscheiden die Intensität und die Präzision der Gefechte in der Luft. Panzer spielen in der Berichterstattung seit einigen Monaten lediglich als Opfer von Drohnen-Beschuss eine Rolle. Der Panzer an sich ist in der Ukraine offensichtlich in eine Nebenrolle gerutscht – das erinnert eher an seine Funktion im Ersten Weltkrieg, als er auf die Bühne rasselte, als die Entscheidung grundsätzlich schon gefallen war.

Selenskyj skeptisch für künftige Offensiven: Keine Zeit für Selbstzufriedenheit

Forbes-Autor Axe ging zwischenzeitlich davon aus, dass die Ukraine noch über rund 90 Leopard 1 verfügt – und dass noch rund 60 Stück folgen könnten – die genaue Zahl der vorhandenen ist aber genauso ungewiss wie die Zahl der noch folgenden; was kaum Einfluss darauf hat, dass sich Russland Meter für Meter in die Ukraine hineinfräst. Wie das Video auch nahelegt, kann Putins Armee auch einen optimierten Leopard mit einer Masse an Waffen in die Knie zwingen. Die Ukraine könnte noch so viele Panzer anrollen lassen, Wladimir Putin scheint bis auf Weiteres immer noch ein Vielfaches dagegensetzen zu können.

Insofern bleibe keine Zeit für Selbstzufriedenheit, wie Anfang 2023 Jeffrey Cimmino und Shelby Magid geschrieben hatten. Die beiden Analysten des Thinktanks Atlantic Council haben moniert, dass die Entscheidungsfindung auf Seiten der Ukraine und ihrer Unterstützer zu viel Zeit fresse. Das ist bis heute ein entscheidender Bremsklotz der ukrainischen Gegenoffensiven auf allen Ebenen geblieben. Bezogen auf das Video bleibt zu fragen, ob und wann die Ukraine das erreichen kann, wofür diese Waffen gebaut worden sind: in die schnelle Offensive zu kommen.

Jeffrey Cimmino und Shelby Magid zitieren dazu den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: „Zeit bleibt eine russische Waffe. Wir müssen schneller werden.“

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