Wut über Merz‘ erstes Loch in der AfD-Brandmauer – „unverzeihlich und feige“

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Friedrich Merz will seine Migrationspläne im Bundestag durchdrücken – zur Not mit AfD-Hilfe. Ein erstes Loch in der Brandmauer? Die Konkurrenz ist empört.

Berlin – Nach der brutalen Tat von Aschaffenburg mit zwei Toten ist die Migrationsdebatte mehr denn je entfacht. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich in den vergangenen Tagen mit deutlichen Worten, will zeigen, dass er auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 die Asyl-Probleme in Deutschland nun endlich angehen werde. Allerdings verstrickt sich der Kanzler dabei mehr in Vorwürfen an Bayern und Markus Söder, wer eigentlich daran schuld ist, dass der Tatverdächtige von Aschaffenburg noch nicht abgeschoben wurde. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz verfolgt derweil seine eigenen Pläne – und um die gibt es wiederum auch mächtig Ärger.

Bereits am Tag nach der Tat ging Merz in die Offensive, stellte einen fünf Punkte umfassenden Knallhart-Asylplan vor, den er im Falle einer Kanzlerschaft sofort angehen werde. Merz kündigte an, seine Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik bereits kommende Woche in den Bundestag einbringen zu wollen. Enthalten soll da etwa auch der Plan sein, dass die Bundespolizei Haftbefehle für an der Grenze oder am Flughafen aufgegriffene Flüchtlinge beantragen darf. Ein Vorhaben mit großer Brisanz, das für Erschütterung sorgt.

Bröckelt die Brandmauer? Merz will Migrations-Pläne durchbringen – notfalls mit der AfD

Denn ohne die Hilfe anderer Fraktionen kann Merz seine Pläne nicht durchbringen. Allerdings sagte der Unions-Chef bereits, er wolle die Pläne einbringen, egal, welche Fraktionen ihnen am Ende zustimmen würden. Damit nimmt Merz also auch in Kauf, dass die AfD seinen Vorschlägen zustimmen werde. Zwar betonte Merz in der Vergangenheit immer wieder, er wolle die sogenannte Brandmauer zur AfD aufrechterhalten und gab auch nun wieder an, es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD geben – dafür spricht auch seine krachende Asylpolitik-Absage an Alice Weidel. Doch aus anderen politischen Lagern gibt es erhebliche Zweifel daran. Viel mehr erkennen einige ein erstes, kleines Loch in der CDU-Brandmauer zur AfD.

Friedrich Merz möchte seine Migrationspläne durchsetzen, notfalls auch mit AfD-Zustimmung.
Bröckelt seine Brandmauer doch? Friedrich Merz möchte seine Migrationspläne durchsetzen, notfalls auch mit AfD-Zustimmung. © Marcus Brandt / dpa

Olaf Scholz etwa, der für den Mittwoch eine Regierungserklärung zum Aschaffenburg-Drama halten will, hielt sich mit seiner Meinung vor Merz‘ Plänen nicht zurück. „Bislang hatte ich den Eindruck, dass man sich auf die Aussage des Oppositionsführers verlassen könne, auch nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten“, sagte Scholz der Stuttgarter Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten sowie den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. „Nun mache ich mir wirklich Sorgen, nachdem die CDU nun ihre Anträge im Bundestag mit Stimmen der AfD durchsetzen will.“ Der Kanzler forderte: „Die Brandmauer zur AfD darf nicht bröckeln.“

Wut über Merz‘ Loch in der AfD-Brandmauer – „Mehr als ein Spiel mit dem Feuer“

Ähnlich wie Scholz äußerte sich im Bundestagswahlkampf auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. „Die demokratische Mitte in diesem Land muss an jeder Stelle miteinander arbeiten, und das haben wir auch in vielen Stellen geschafft und die Sicherheit in diesem Land gestärkt - aber den Rechtsextremen von der AfD streckt man keine Hand aus“, sagte der SPD-Chef bei einem Wahlkampfauftritt in Nürtingen über Merz‘ Aussage. „Ich hoffe, dass er sie konkretisiert in den nächsten Stunden, wie er das genau meint.“ Klingbeil sah auch weniger Gesetzeslücken, denn Behördenversagen als Problem hinter dem Fall Aschaffenburg.

„Das ist mehr als ein Spiel mit dem Feuer, was Herr Merz da treibt“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der Augsburger Allgemeinen. „Herr Merz scheint mit seiner vollmundigen und voreiligen Ankündigung zu viel Trump geschaut zu haben. Selbst die US-Justiz hat bereits den Präsidenten zurückgepfiffen“, sagte er weiter.

Grüne sauer auf Merz‘ Migrationspläne: „Mit geltendem Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren“

Die Grünen stiegen ebenfalls mit in die Welle der Wut über Merz‘ Pläne ein. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sagte in Freiburg mit Blick auf die von Merz geforderte Zurückweisung aller Versuche einer illegalen Einreise, in der Praxis könnte dies sogar dazu führen, dass Europa auseinanderfalle. „In dieser Situation muss man, wenn man ein Land führen will, den kühlen Kopf bewahren und die Dinge zu Ende denken und nicht einfach nur einen raushauen“, sagte Habeck. Grünen-Co-Parteichefin Franziska Brantner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Friedrich Merz weiß genau, dass seine Forderungen mit Europarecht und auch mit dem geltenden Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren sind - und sie erwecken erhebliche Zweifel daran, wie standhaft die Brandmauer der Union zur AfD tatsächlich ist.“ 

Klimaaktivistin Luisa Neubauer wurde noch deutlicher. „Es ist unverzeihlich, inakzeptabel und feige, dass Friedrich Merz im Begriff ist, die Brandmauer gegen die AfD einzureißen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Umso entscheidender ist es, dass wir als Zivilgesellschaft den Mut und das Rückgrat auf die Straße tragen, das der Union offenkundig verloren gegangen ist.“ Mit einer Demonstration am Brandenburger Tor wollen mehrere Organisationen am Samstag gegen die AfD, US-Präsident Donald Trump und weitere rechtspopulistische Tendenzen protestieren.

Merz-Wende in der Migrationspolitik mit AfD-Hilfe? Kubicki: „Mir doch Latte, wer da sonst noch zustimmt“

Dass Merz notfalls auch mit Hilfe der AfD durchgreifen will, macht aber längst nicht alle wütend. Unterstützung erhält der Unions-Kanzlerkandidat aus der Schwesterpartei CSU. Es sei möglich, die von Merz angekündigten täglichen Rückführungen und Abschiebungen umzusetzen. „Dafür braucht es einen gemeinsamen politischen Kraftakt von Bund, Ländern, Kommunen und auch den Sicherheitsbehörden“, sagte Dobrindt der Rheinischen Post.

Auch in der FDP scheint man sich nicht mit der Brandmauer-Problematik zu beschäftigen. „Mir doch Latte, wer da sonst noch zustimmt“, sagte etwa Parteivize Wolfgang Kubicki der Bild zu Merz‘ Plänen und fügte an: „Wir können doch unsere Zustimmung zu für das Land notwendige Maßnahmen nicht daran koppeln, wer mitstimmt.“ Sein Parteichef Christian Lindner blieb da etwas zurückhaltender, sagte aber ebenfalls, eine neue Migrationspolitik müsse „die Bedingung für jede Regierungsbeteiligung“ sein. (han/dpa)

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