„Beschämende“ Scheindebatte: Ärzte kritisieren Politik nach Aschaffenburg-Angriff
„Beschämende“ Scheindebatte: Entsetzen bei Ärzte-Organisation nach Aschaffenburg-Angriff
Nach der Messerattacke kocht die Asyldebatte hoch. Ärzte warnen vor zynischer Politik. Geflüchtete verdienten Zugang zu fairer Gesundheitsversorgung.
Berlin – Mit der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg ist Migration endgültig zum vorherrschenden Wahlkampfthema geworden. Angesichts dessen hat die Ärzte-Organisation IPPNW die Politik jetzt aufgefordert, die Tat nicht für Hetze gegen Geflüchtete und Migranten zu instrumentalisieren. Anstelle einer weiteren Vergiftung des Debatten-Klimas seien dringend konstruktive Lösungen zum Erhalt einer pluralistischen Gesellschaft gefragt.
Die IPPNW ist entsetzt über die brutale Tat von Aschaffenburg und spricht den Familienangehörigen ihr tiefen Mitgefühl aus. Gleichzeitig warnt die Organisation die Politik. „Statt toxische Abschiebedebatten zu führen und sich immer mehr an AfD-Positionen anzunähern, muss die Politik unsere multikulturelle Migrationsgesellschaft offensiv verteidigen und sich dem Problem konstruktiv stellen, wie soziale Integration und eine angemessene Gesundheitsversorgung für alle Menschen gelingen kann“, heißt es in der Pressemitteilung der Vereinigung.
Migrationsdebatte eskaliert nach Aschaffenburg-Angriff: IPPNW ruft Politik zu konstruktiven Lösungen auf
In Deutschland fehle es an einer „bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung für geflüchtete Menschen“. Dies führe ofmals zu fatalen „Folgen für andere oder die Betroffenen selbst“. Vor allem die psychotherapeutische Versorgung Geflüchteter, die „oft schwer traumatisiert“ seien, komme viel zu kurz, so Dr. Angelika Claußen, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Co-Vorsitzende der IPPNW.

Hinzu komme, dass die „Situation im Aufnahmeland alles andere als einfach“ sei. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung sei „zum einen durch die Sonderbehandlung geflüchteter Menschen durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), zum anderen durch diskriminierende Merkmale des Gesundheitssystems stark eingeschränkt“. Geflüchtete hätten in den ersten 36 Monaten nach ihrer Ankunft „nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen Anspruch auf eine medizinische Behandlung“. Auch später sei die Versorgung unzureichend.
„Beschämende Abschiebewettbewerbe“: Ärzteorganisation verurteilt politische Hetze nach Messerangriff
Dies zu ändern, sei die viel dringlichere Aufgabe Berlins, so Claußen weiter. „Außerdem: Glaubt die Politik wirklich, dass die Tat von Aschaffenburg besser in einem anderen europäischen Land oder in Afghanistan hätte stattfinden sollen? Dieses Denken ist zutiefst zynisch und unsolidarisch“, kritisiert sie die Abschiebe-Debatte.
„Das Wetteifern unter den führenden Politiker*innen, wie man Asylsuchende und Migrantinnen am schnellsten abschiebt, ist beschämend“, so die Co-Vorsitzende der Organisation. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland habe migrantische Wurzeln. Sie seien für den Fortbestand deutschen Gesellschaft essenziell. „Was wäre, wenn alle Migrant*innen in Deutschland einen Streik ausrufen würden? Wie viel Personal im Krankenhaus, im Einzelhandel, in der Autofertigung, in den Kindergärten, an den Hochschulen, in den Putzdiensten, in der Gastronomie und den Hotels würde fehlen?“, so ihre Überlegung.
CDU mit harter Linie: Friedrich Merz drängt auf Asylverschärfung im Bundestag, auch mit der AfD
Unter den etablierten Parteien drängt die Union derzeit am stärksten auf Verschärfungen des Asyl-Rechts. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will diese unter allen Umständen durchsetzen – notfalls auch mithilfe der AfD. Bereits kommende Woche will er im Bundestag über Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen lassen. Man werde diese Vorschläge einbringen „unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“, so Merz am Freitag (24. Januar).
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„Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus“, so der CDU-Parteivorsitzende.
SPD und Grüne warnen nach Aschaffenburg: Zusammenarbeit mit der AfD als „politischer Dammbruch“
Vor allem von Grünen und SPD bekam er dafür prompt Gegenwind. „Hier bahnt sich ein politischer Dammbruch an“, warnte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch vor dem Vorhaben. Vor Wochen sei es unter den demokratischen Parteien noch Konsens gewesen, dass keine Gesetze mit AfD-Stimmen zustande kommen dürfen. „Offenbar kündigt Friedrich Merz diesen Konsens nun auf und durchbricht damit nicht nur die Brandmauer, sondern sendet ein fatales Signal“, so Miersch.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnt Merzebenfalls vor einer Zusammenarbeit mit der AfD. „Nach dem Bruch der Ampel hat Friedrich Merz im Bundestag selber den Vorschlag unterbreitet, auch in dieser Phase des Übergangs nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten“, so Habeck. Das müsse auch jetzt gelten. „Ich nehme Friedrich Merz beim Wort, dieses Wort darf nicht gebrochen werden – ich fürchte nur, Friedrich Merz steht kurz davor, das zu tun“, ist der grüne Kandidat besorgt. (tpn mit dpa)