Landsberger Künstlergilde feiert 90-Jähriges - mit einem Theaterbesuch
Sie ist die Seniorin unter den Kunstvereinen im Landkreis: die Künstlergilde Landsberg-Lech-Ammersee, die dieses Jahr ihr 90-Jähriges feiert. Zum Jubiläum zieht sie in ungewohnte Räume: Rund 50 Mitglieder zeigen 57 Werke im Foyer des Stadttheaters – samt Modenschau mit Rhythmisierung von Multipercussionist Christian Benning zur Vernissage. Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Januar zu sehen.
Landsberg – 90 Jahre, gegründet also 1934, „im Zeichen von Intoleranz, Menschenverachtung, Hass und Unfreiheit“, ist als Statement von Kulturbüroleiterin Claudia Weißbrodt im Ausstellungskatalog zu lesen. Auch die erste Vorsitzende Silvia Dobler ist nicht bereit, die Gründungszeit im Nationalsozialismus ins Off gleiten zu lassen und beginnt ihre Begrüßungsrede gleich da, wo es weh tut. Denn dass bei der Gilde-Gründung am 24. Oktober 1934 im Gasthaus zur Glocke die Initiatoren der Künstlergemeinschaft bereit sind, die Ideologien des Naziregimes zu akzeptieren, ist deutlich. Sie wählen den konservativen Namen Gilde, die Statuten sind Reichskulturkammer-konform. Wären sie das nicht, hätten die Kunstschaffenden ihr Recht auf Berufsausübung verloren. Ob nun Tolerierende oder Überzeugte, „die Gründung in der Zeit des Nationalsozialismus müsste nochmal aufgearbeitet werden“, ist Dobler überzeugt. Auch wenn sie bei dem Thema immer noch Widerstand spüre, bei Mitgliedern, aber auch anderen.
Jubiläumsausstellung der Künstlergilde Landsberg: Aufbruch ins Neue
Heute steht die Künstlergilde Landsberg-Lech-Ammersee für das Gegenteil von Gleichschaltung: für Vielfalt der Mitglieder, für den Unterschied in allen Richtungen, für den Versuch, Neues zu entdecken. So definiert zumindest Dobler ihre Grundsätze und Ziele. „Ich will neue Räume für die Kunst öffnen“, wie beispielsweise die Malteserapotheke am Hauptplatz, fast schon ein ‚Lost Place‘, in dem die Gilde 2023 ihre Jahresausstellung präsentierte. „Ich bin für alle Ideen offen“, sagt Dobler – Vorschläge sind herzlich willkommen. Denn „man muss frech und mutig sein.“
Auch räumlich will Dobler die Gilde ausweiten – und schon jetzt sind Kunstschaffende aus den Nachbarlandkreisen bis nach München im Verein vertreten. Um sich zu ‚erneuern‘, benötigt es zudem ‚Nachwuchs‘. Den gibt es zum Beispiel mit Isabelle Rehm, mit 18 Jahren aktuell das jüngste Gilde-Mitglied. Um den Mitgliedern mehr Raum zu geben, lässt Dobler Rehm, FOS-Absolventin im Zweig Gestaltung, nicht nur zwei ihrer Bilder zeigen, sondern die Vernissage mit einer Modenschau bereichern: mit Entwürfen bis hin zum Brautkleid, die Design und Malerei verbinden. Mode ist für Rehm eine verspielte Kunstform. Und Kunst dient ihr als Mittel, das Chaos in ihrem Kopf, verursacht durch ADHS, zu ordnen, wie sie schreibt. Ihre Show zeige den Weg von der Kindheit zum Erwachsen-Sein, „am Anfang hell, später dunkler“, sagt die 18-Jährige. Eines ihrer Designs liebäugelt mit punkigem Rot-Blau als Reminiszenz an Rehms Geburtsstadt London, wo sie nächstes Jahr auch studieren will. Und im Punk darf sich auch mal ein „Kindheitsalbtraum“ in Form einer Fratze materialisieren. Den Models schenkt Dobler einen besonderen Rhythmus: Multipercussionist Christian Benning und Schlagzeuger Manuel Kustermann haben ihre Instrumente an vier verschiedene Orten im Foyer platziert – und geben spielerisch den Takt vor.
Kunst zwischen Backstein und Putzbeton: Raum-Werk-Symbiose im Landsberger Stadttheater
Die Ausstellung zeigt – wie bei der Gilde üblich – Unterschiedlichstes. Im Gang vor dem Theatersaal sind die Filmplakate Gerahmtem gewichen wie Gieslinde Schröters Assemblagen aus Gefundenem. Paolo de Britos kubistisch anmutendes Gemälde füllt den Raum zwischen den zwei Torbögen im Treppenaufgang, Martin Blumöhrs surrealistisch angehauchte Arbeiten hängen an der Rückwand des ‚De-Brito-Pfeilers‘.

Auf der Galerie scheinen sich Erik Urbschats Holzfiguren den neuesten Stadttratsch zu erzählen, während auf dem rechten Galeriegang das Thema Theater die Hauptrolle spielt: mit Menschen wie beispielsweise dem Marthas aus dem gleichnamigen Stück, das demnächst im Stadttheater gezeigt wird. Mit einem ausdrucksstarken Kohle-Porträt von Annette Schock. Oder mit einer ‚Tanz-Serie‘ verschiedener Kunstschaffender.
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Die rohen Wände des Theaters aus Backstein und Putzbeton geben den Kunstwerken eine besondere Stimmung. Katinka Schneweis‘ großformatige – und großartige – Farb-Konzeption scheint aus dem Hintergrund zu erwachsen, daneben die verspielten Fantasie-Tier-Holzskulpturen von Katharina Haebler, hinter denen sich Christian Burkhardts pflanzliche Ikonen auf Klimt-Gold räkeln: traumhaft – wenn da ein wenig mehr Licht wäre. Denn das Stadttheaterfoyer ist eher auf Ambiente denn auf Ausleuchtung ausgerichtet. Manch Kunstwerk ‚verschattet‘.
Das Theater ist eben keine Galerie. „Wir müssen mit den Gegebenheiten zurechtkommen“, weiß Dobler. „Ein neuer Raum, da muss ich spielen.“ Das erfordert dann Abstriche. Die Formate bestimmen mehr als sonst den Standort. Scheinwerfer müssen verkabelt und verstellt werden – und sind dennoch meist nur ein Kompromiss. Und manch Nagel wandert aus einem in ein anderes, bereits bestehendes Loch. Denn hängen darf Dobler nur dort, wo bereits Nägel in der Wand sind – weshalb manche Bilder auch nicht ‚architektonisch mittig‘ hängen. „Dabei brauchen gute Ausstellungen Freiheit in der Konzeption“, betont Dobler. Und die sei mit modernen Hängetechniken auch durchaus umsetzbar. Dobler wünscht sich deshalb eine Anpassung der Ausstellungsverträge auf das, was heute möglich ist. Kurzum: „Mehr Flexibilität, bitte!“
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