Fasern aus Dämm-Material fliegen umher: Messung von Raumluft in Schule manipuliert
Maisachs Mittelschule ist marode. Unter anderem verteilen sich Fasern aus dem Dämmmaterial der Decken in den Klassenzimmern. Bei Messungen wurde offenbar manipuliert - im Hintergrund spielt sich fast schon ein Krimi ab.
Maisach – Lehrer und Schüler klagen über gereizte Atemwege. Eltern forderten nun aus Sorge um ihre Kinder erneute Raumluft-Messungen – doch dabei wurde manipuliert.
Die Fasern, die Eltern, Kindern und Lehrern Sorge bereiten, kommen von oben. Genauer gesagt aus der Decke. Deren Aufbau erklärte Bürgermeister Hans Seidl im Gemeinderat, als er über die manipulierte Messung und das weitere Vorgehen informierte: Unter den Kunststofflamellen befinde sich eine Dampfbremse aus Flies, darunter Glaswolledämmung. Weil einige Lamellen kaputt sind, lösen sich künstliche Mineralfaser, sogenannte KMF-Flocken. Diese fallen auf die Tische.
Sind die Dämm-Flocken gesundheitsschädlich?
Die Frage bei der Sache ist vor allem: In welcher Konzentration können die KMF-Flocken gesundheitsschädlich sein? Gesetzliche Grenzwerte für Innenräume gibt es allerdings nicht, wie im Gemeinderat erklärt wurde.
Erste Beschwerden über das herabfallende Dämmmaterial gab es bereits 2019 (siehe Kasten). Nun, im Herbst 2023, kam es zu erneuten Klagen – von Elternbeirat und Lehrerbetriebsrat der Realschule, die Räume in der Mittelschule nutzt. Also erfolgte eine Messung der Raumluft: am 30. November 2023 in drei Zimmern, während des Schulbetriebs.
Problem mit umstrittenen Dämm-Flocken seit Jahren bekannt
Erstmals tauchte das Problem der herabfallenden KMF-Flocken an der Mittelschule Maisach nach einem Wasserschaden im Jahr 2019 auf. Laut gemeindlichem Bauamt wurden damals im November Decken geöffnet, um den Wasserschaden zu beheben. Danach klagten Schüler und Lehrer über eine Reizung der Atemwege.
Die daraufhin durchgeführten Raumluft-Messungen in sechs Klassenzimmern im Dezember 2019 ergaben folgendes: In einem Raum wurde eine Konzentration von 2150 Fasern pro Kubikmeter Raumluft gemessen, in den anderen fünf Zimmern waren es im Schnitt rund 500 Fasern/m³. Fachleute empfahlen, in den Räumen verstärkt zu lüften. In dem Zimmer mit der höchsten Konzentration wurde am 14. Januar 2020 die Mineralwolle aus der Decke entfernt. Mitte Februar 2020 wurde in allen anderen Räumen erneut gemessen. Es gab keinen Anlass zur Sorge: Alle Werte lagen deutlich unter 500 Fasern/m³, maximal waren es 290, in den anderen Räumen 100 und weniger.
Ende Januar 2020 beschloss der Mittelschulverband eine Deckensanierung. Geschehen ist aber bisher noch nichts, weil nach und nach immer weitere Sanierungsmaßnahmen für die ganze Schule hinzukamen. Das Projekt musste europaweit ausgeschrieben werden.
Seit Mitte 2023 liegt zwar die Baugenehmigung für die Generalsanierung der Schule vor. Jetzt wartet das Maisacher Rathaus aber auf eine Antwort aus dem Landratsamt Fürstenfeldbruck, das sich an den Kosten beteiligen soll, weil auch die Realschule Zimmer der Mittelschule nutzt.
Undurchsichtig
Und jetzt wird es undurchsichtig. Diese Messung muss manipuliert worden sein. Von wem, das ist unklar. Jedenfalls fanden sich so starke Verunreinigungen durch KMF-Flocken in den Messgeräten, wie sie die Fachfirma noch nie erlebt hatte. Zwei Proben hatten Werte von über 30 000 Fasern/m³. Dabei gelten Werte zwischen 500 und 1000 schon als leicht erhöht, wie Bauamtsleiterin Petra Endres im Gemeinderat erklärte. Bei über 1000 Fasern/m³ spreche man von einer deutlichen Erhöhung, müsse nach den Ursachen suchen und eventuell die Sanierung angehen.
Doch wie können solche extrem hohen Werte überhaupt zustande kommen? Im Gemeinderat hieß es, Fasern wurden wohl aus der Decke herausgeholt und gezielt über dem Messinstrument verteilt. Bürgermeister Hans Seidl sagte, der Chef der Messfirma habe der Gemeindeverwaltung sogar nahegelegt, Strafanzeige zu stellen. Denn eine amtliche Messung sei wissentlich manipuliert worden.
Der Rathauschef selbst sprach von „Übereifer: Da hat jemand gemeint, er muss etwas tun, damit endlich was passiert.“ Das sei wohl aus dem Schutzgedanken heraus geschehen, weil man den Start der Schulsanierung habe beschleunigen wollen, weniger aus krimineller Energie. Trotzdem sei das der Sache nicht dienlich gewesen. Ganz nebenbei seien 3000 Euro für die Untersuchung umsonst ausgegeben worden.
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Für zweite Messung Schlösser ausgetauscht
Also musste wieder eine Messung gemacht werden – am 20. Dezember 2023 in drei Räumen. Dieses Mal aber nicht während des Schulbetriebs. Und es wurden sogar die Schlösser der Zimmer ausgetauscht, damit niemand hineinkommt. Ergebnis: zwei Räume haben eine Belastung von 2160 und 2060 Fasern/m³, ein Raum hat eine Belastung von 100 Fasern/m³.
Nun wird eine Sofortmaßnahme in die Wege geleitet. Mit schwer entflammbarem (damit auch dem Brandschutz Genüge getan ist) Panzertape sollen die Lücken zwischen den Lamellen so abgeklebt werden, dass keine Fasern mehr nach außen treten können. Damit soll das Problem bis zur endgültigen Sanierung behoben sein. Das Abkleben geschehe zum „vorbeugenden Gesundheitsschutz“, so Seidl. Es sei nicht so, dass man Klassenzimmer sperren müsse. Aber man müsse die Dämmung mittelfristig gegen unbedenkliches Material austauschen.
Begehung mit Experten für Arbeitsschutz
Der Rathauschef bat darum, Spekulationen zu unterlassen. Man nehme das Thema seit November 2019 ernst, die Schulleiterinnen von Mittel- und Realschule seien immer eingebunden gewesen. In dieser Woche war eine Begehung mit einem Experten für Arbeitsschutz geplant, denn es geht ja auch um die Sicherheit der Lehrer.
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