Frankreich, England, Belgien: Das Brodeln bei den EM-Favoriten

  • Lars Pollmann
    VonLars Pollmann
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In der Gruppenphase der EM in Deutschland bleiben einige vermeintliche Topteams weit unter den Erwartungen. Der Favoritenkreis hat sich fürs Erste eingeengt.

Köln – Bei der Europameisterschaft ist in der Vorrunde das große Favoritensterben ausgeblieben. Weil sich von 24 Teilnehmern nur acht nach den ersten drei Partien bereits verabschieden müssen, ist es freilich auch schwierig, als Topnation bereits in der Gruppenphase die Segel zu streichen. Das am höchsten gehandelte Team, dessen Reise schon beendet ist, ist wohl Kroatien.

Der WM-Dritte aus Katar spielte aber auch in einer Gruppe mit Italien und Spanien, sah obendrein bis tief in die Nachspielzeit der Partie gegen den Titelverteidiger Italien wie der sichere Tabellenzweite aus. Ansonsten haben sich die hoch gehandelten EM-Teilnehmer weitgehend schadlos gehalten, so suggeriert es jedenfalls der Blick auf das Tableau zum Beginn der K.o.-Phase.

Spanien und Deutschland mit den besten Kritiken

Allerdings ist die Zahl der Mannschaften, die in der Vorrunde tatsächlich überzeugen konnten, sehr überschaubar. Zuvorderst sind die Spanier zu nennen, nicht weit dahinter lässt sich Gastgeber Deutschland platzieren. Gemessen an den bisherigen Eindrücken wäre das mögliche Duell beider Teams im Viertelfinale auch ein würdiges Endspiel und muss der Sieger dieser (potenziellen) Partie als ein heißer Favorit auf den Titel gelten.

Diese Rolle war vor dem Turnier vielfach an Vizeweltmeister Frankreich und England vergeben worden, weil es sich um die womöglich individuell am stärksten besetzten Mannschaften handelt. Auch der ewige Geheimfavorit Belgien wurde mal wieder immer wieder genannt, nicht zuletzt wegen der herausragenden Bilanz unter Trainer Domenico Tedesco bis zum Start des Turniers. Dass nun ausgerechnet bei diesen drei Teams nach der Gruppenphase ein großes Brodeln festzustellen ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Frankreich jubelte nur über ein Eigentor und einen Strafstoß

Der Reihe nach: Frankreich hat aus den ersten drei Spielen zwar fünf Punkte geholt, ist spielerisch aber denkbar weit unter den eigenen Möglichkeiten geblieben. Zwei kümmerliche Treffer hat die Equipe von Didier Deschamps zustande gebracht, dabei handelte es sich um ein Eigentor des Österreichers Maximilian Wöber und einen Strafstoß durch Kylian Mbappé. In anderen Worten: In 270 Minuten bei der EM hat Frankreich noch kein ‚normales‘ Tor geschossen.

England-Coach Gareth Southgate bekommt vernichtende Kritiken ausgestellt.

Im Wissen um die Stärke der Mannschaft bei Großereignissen und sicher auch mit dem WM-Titel 2018 im Hinterkopf ist die Lage rund um das französische Team aber noch verhältnismäßig ruhig. Ganz im Gegenteil stellt sich die Situation von England dar. Die Three Lions haben Gruppe C mit fünf Punkten und der gleichen Bilanz wie Frankreich gewonnen.

England bietet den Fans Magerkost

Jedoch fehlt den Engländern noch der große Wurf der aktuellen Goldenen Generation, deren manches Mitglied mutmaßlich die letzte große Chance auf einen Titel verfolgt. Wie ein Favorit auf die Europameisterschaft tritt England bis dato aber keineswegs auf. Fußballerisch bewegt sich das Team von Gareth Southgate bestenfalls am Rande der Bankrotterklärung, wenn nicht schon einen Schritt darüber hinaus.

Die eigene Presse geht gewohnt hart mit dem Trainer und seiner Mannschaft um, aber auch der Rückhalt unter den Fans bröckelt. Am Dienstagabend waren nach einer biederen Nullnummer gegen Slowenien in Köln laute Pfiffe zu hören, als sich Southgate und Co. eher pflichtbewusst denn voller Dankbarkeit von den Fans verabschieden wollten. Es flogen sogar Bierbecher in Richtung der England-Stars, die ihrem Anhang zuvor über 90 Minuten so wenig angeboten hatten, dass sie sich in erster Linie selbst feiern mussten.

Belgien verwaltete ein 0:0 gegen die Ukraine

Nicht ganz unähnlich waren am Mittwochabend Szenen in Stuttgarts EM-Arena nach einem torlosen Remis zwischen Belgien und der Ukraine. Die Roten Teufel verwalteten dabei in der Schlussphase die Punkteteilung, weil schon ein Gegentreffer das Aus als Schlusslicht der engen Gruppe F bedeutet hätte. Allerdings geht es so im Achtelfinale gegen Frankreich.

Die Belgier starteten mit der überraschenden Niederlage gegen die Slowakei ins Turnier, bezwangen anschließend Rumänien und rührten nun gegen die Ukraine phasenweise Beton an. Für die in der Offensive hervorragend besetzte Mannschaft von Tedesco haben sich viele Fans eine andere Herangehensweise ausgemalt und ließen es die Stars um Kevin de Bruyne am Mittwochabend lautstark wissen.

Der Kapitän beorderte seine Teamkollegen nach Abpfiff in die Kabine, weil das Pfeifkonzert so ohrenbetäubend ausfiel, dass eine Verabschiedung in unmittelbarer Nähe der Fanblöcke reichlich unangenehm geworden wäre. Damit befindet sich Belgien zwar in der besten Gesellschaft Englands, darauf hätten aber beide im Vorfeld als Favoriten gehandelte Nationen gerne verzichtet.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Nigel Keene