Podiumsdiskussion in Kempten – Junge Leute vertreten ihre Ansichten
Volles Künstlerhaus: Vorwiegend junge Leute nutzten die von der Jugendkommission gestaltete Podiumsdiskussion, um sich vor der Europawahl zu informieren und ihre Meinung zu schärfen.

Kempten – Obwohl die Sitzgelegenheiten im Publikum nicht alle so komfortabel waren wie für die Diskutierenden auf der Bühne, waren fast alle Plätze im Künstlercafé besetzt.
Wirtschaft und Handel, Klima und Umwelt, der Rechtsruck sowie Migration und Integration: Vertreterinnen und Vertreter politischer Jugendorganisationen auf dem Podium machten klar, wie ihre Positionen in diesen Themenblöcken lauten. Eine echte, aber sachliche Debatte entstand. Das Publikum bohrte mit kritischen Fragen nach.
Anfangs bestimmte die Wucht des Applauses, wie intensiv auf die Themen eingegangen werden sollte. Der Bereich Verteidigung blieb deshalb außen vor. Deutlich zeigten sich die Unterschiede der politischen Richtungen, als es um Nachhaltigkeit, das Lieferkettengesetz, die Energiewende oder die Migrationspolitik ging. Auch wenn die Debatte standhaft geführt wurde, stand am Ende das einhellige Plädoyer: „Geht wählen!“
Wie wichtig dem jungen Publikum das Klima war, zeigten die zahlreichen Fragen in diesem Themenblock. Auch die unterschiedlichen Ansichten der Redner auf dem Podium konnte man hier erkennen.
Wo liegt der Ansatzpunkt: beim Verbraucher oder bei der Politik?
Roman Rauh (FDP) setzt einerseits auf die Macht des Konsumenten, um gegen den Klimawandel vorzugehen. Der einzelne Bürger habe in der Hand, nachhaltigen Strom und nachhaltige Produkte zu kaufen und so das Angebot der Firmen zu beeinflussen.
CO2-neutrale Energie zu subventionieren, hält Rauh für schwierig, weil „Förderungen, nach einer gewissen Zeit auslaufen“ und dann der Markt einbricht. Wichtig ist ihm das Stichwort „Technologieoffenheit“ für E-Fuels und Wasserstoff bei Flugzeug, LKW und Frachtschiffen. Forschung helfe bei der Suche nach der besten Lösung, etwa für recyclingfähige Batterien.
Für „unfair“ hielt es Elisa Pfaff (Grüne Jugend), wenn die politischen Entscheidungsträger im Kampf gegen den Klimawandel nicht in die Verantwortung einbezogen werden. „Politische Entscheidungen haben dazu geführt, dass keine Windräder gebaut wurden in Bayern“, sagte sie. Menschen seien in unterschiedlichen ökonomischen Situationen und könnten nicht die gleichen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Deshalb muss die Politik ihrer Meinung nach dafür sorgen, dass klimaneutrales Handeln und Bio „nicht immer teurer sind“. Sie hielt es für richtig, Flüge zu besteuern.
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Unterschiedliche Ansichten zum klimafreundlichen Verkehr
„Die Armut abzuschaffen hat oberste Priorität“ für Christoph Gänsheimer (Die Linke), denn „nur dann haben die Leute Verständnis“ für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Er hielt die Herstellung der richtigen Produkte für zentral, um die Krise zu bewältigen. „Das sind sicher keine Flugtaxis“, setzte er eine Spitze gegen einen FDP-Wunsch.
Gänsheimer befürwortete, die Energieversorgung in öffentliche Hand zu legen, damit Menschen nicht von klimaschädlichen Investments profitieren könnten. Weitere Punkte sah er in der Besteuerung großer Autos und einen leistungsfähigen ÖPNV, der zu weniger Autoverkehr führt.
„Keine Kommune kann sich so einen ÖPNV leisten“, reagierte sogleich Philine Blees (CSU). Sie setzt auf „coole Konzepte“, um den Individualverkehr besser zu machen, wie zum Beispiel eine App, mit deren Hilfe man ein Auto herbestellen, kann, das in „20 Minuten da ist“.
CO2-Austoß senken und trotzdem das Wirschaftswachstum stärken. Das ist Blees‘ Rezept und dafür brauche es auch die Forschung. Sie möchte Biogas als Energieträger nicht aus den Augen verlieren. „Immenstadt baut sein Biomassekraftwerk aus. Das finde ich super!“, freute sie sich. Das Holz komme als Abfallprodukt aus dem Stadteigenen Wald.
Weiteres Blickfeld gefordert
Den Blick auf EU-weite und überregionale Zusammenarbeit richtete Julia Krieger (Jusos). „Wenn Deutschland allein aus der Atomenergie aussteigt, macht das wenig Sinn“, sagte sie. „Deshalb braucht es EU-Regelungen, wie wir die Energiewende gestalten.“ Ihrer Meinung nach müsse man an die Privatjets ran. Die Reichen verursachen den meisten CO2-Ausstoß, so ihr Argument.
Und auch die Zusammenarbeit zwischen den Verkehrsverbünden und Bahngesellschaften müsse verbessert werden. „Wir müssen das Land neu denken und nicht immer nur ein bisschen regulieren!“, forderte sie eine sozial verträgliche Energiewende.
Wie der Applaus des Publikums zu Beginn deutlich gemacht hatte, ist auch der Rechtsruck ein wichtiges Thema für die jungen Leute. Die Parteien auf dem Podium waren sich weitgehend einig darin, dass man den Leuten die Angst nehmen muss, damit die Gesellschaft nicht noch weiter nach rechts driftet. Sie hielten nur einen unterschiedlichen Weg dorthin für richtig.
Julia Krieger (Jusos) hielt machte die Furcht vor Armut und Abstieg als Ursache für Ausländerfeindlichkeit aus. „Die oberen zehn Prozent haben so viel wie die unteren 50 Prozent“, sagte sie, „das hat nichts mehr mit einer Leistungsgesellschaft zu tun“. Sie verlangte eine faire Umverteilung.
Philine Blees (CSU) und Roman Rauh (FDP) sehen mehr Wertschätzung der Menschen als den richtigen Weg. Rauh wollte das nicht nur an der Vermögensfrage festmachen: „Die Menschen im Osten fühlen sich abgehängt, das liegt nicht nur daran, dass es dort mehr Vermögen gibt.“ Die Leute müssten das Gefühl bekommen, dass sie gut sind, wie sie sind und dass „Arbeit sich lohnt“.
Elisa Pfaff (Grüne Jugend Schwaben) und Julia Krieger lasen in dieser Aussage eine Forderung nach mehr Mindestlohn, was sie begrüßten. Pfaff fand aber auch wichtig, als Demokraten eng zusammenzustehen „mit dem Grundgesetz als Kompass“.
Christoph Gänsheimer (Die Linke) sah einen zentralen Hebel in der Lösung der Wohnungsfrage. Man müsse gegen dagegen vorgehen, dass Wohnraum „Spekulationsgut und Altersanlage“ ist, und dadurch die Mieten „horrend“. In der Bayerischen Verfassung werde jedem das Recht auf eine gesunde Wohnung zugestanden.
Er übte Kritik an Sätzen wie von Robert Habeck, der gesagt habe, „Wir brauchen einen neuen gesunden Patriotismus“. Diesen „Diskursraum“ dürfe man nicht befördern. Das wollte Elisa Pfaff (Grüne Jugend Schwaben) wiederrum nicht so stehen lassen. Habeck in die Nähe von Gewalttätern zu rücken, hielt sie für gefährlich. Und Philine Blees (CSU) hat nichts dagegen, wenn alle auf der Bühne vertretenen Parteien mit der Deutschlandflagge durch die Straßen gehen würden, um zu zeigen: „Wir sind auch Deutschland!“
Podiumsdiskussion der Jugendkommission: Wichtige Informationen vor der Europawahl
Die 19-jährige Maya ist zur Podiumsdiskussion gekommen, um die verschiedenen Ansichtspunkte zu hören. Auch ihre Mutter Daniela hat sie mit ins Künstlercafé gebracht. „Mich interessieren die jungen Sichtweisen“, sagt sie. Auch Inspiration für die Wahl war für sie ein Punkt, zu kommen. Am Ende ist sie zufrieden mit der Veranstaltung. „Das war ein respektvoller Umgang und eine interessante Diskussion“, findet sie. Anne, 18, aus Kempten zeigte sich gleicher Meinung: „Das war eine wichtige Veranstaltung!“ Für „schade“ hält sie nur, dass so wenige ältere Menschen gekommen sind, um die Stimme der Jugend zu hören.
Die Organisatoren zeigten sich glücklich, vor allem über die große Resonanz. Die Freien Wähler seien zwar eingeladen gewesen, hätten aber nicht auf die Anfragen reagiert, erklärt Moderator Nicolas Hefele im Gespräch.
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