Geheime Mails zeigen, wie es zwischen Spahn und RKI-Chef krachte

Jens Spahn hat seine Amtsgeschäfte als Bundesgesundheitsminister teilweise über ein E-Mail-Postfach seines Bundestagsbüros außerhalb der IT-Struktur des Ministeriums geführt - und soll dabei zum Teil sehr ruppig mit Mitarbeitern umgegangen sein. Das berichtet der "Stern". 

Das Magazin beruft sich auf die 366 Seiten umfassende Korrespondenz, die Spahn in der Pandemie mit Lothar Wieler, dem damaligen Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), führte. Die E-Mails aus den Jahren 2020 und 2021 liegen vor, nachdem die "Investigativstation" – ein freies, auf den Gesundheitssektor spezialisiertes Journalistenkollektiv – sie über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vor Gericht erstritten hat. 

Ruppige Kommunikation zwischen Spahn und Wieler

Mit Wieler kommunizierte Spahn demnach überwiegend von einer Mailadresse aus, die ihn als Mitarbeiter seines Abgeordnetenbüros ausweist. Über diese Adresse stimmte er Dokumente ab, erteilte Aufträge an das RKI oder leitete Angebote weiter. "Meine Herren, die Dinge sind in einem einzigen Chaos da draußen", schrieb Spahn in einer der Mails an Wieler. Grund dafür seien unterschiedliche Aussagen von Gesundheitsämtern zu Quarantänevorgaben gewesen. Spahn wollte eine verkürzte Quarantäne für Reiserückkehrer von zehn statt 14 Tagen. Damit setzte er sich durch - auch gegen den Widerstand von RKI-Chef Wieler. 

Die Korrespondenz zeigt dabei auch, wie sich Spahn und Wieler mitunter regelrecht streiten. Wie aus den Mails hervorgeht, widerspricht der RKI-Chef dem Minister mehrfach. Laut "Stern" habe sich Spahn in der Pandemie "reingehängt" und sei interessiert gewesen. Mitunter habe er jedoch auch Empfehlungen aus der Wissenschaft ignoriert und Mitarbeiter herumkommandiert. 

Wie die Mails offenlegen, las Spahn bei FOCUS online erstmals einen Text zu Frühwarnsystemen für Infektionscluster und schickte dies an Wieler mit dem Hinweis "Das klingt sehr spannend, was für uns?". Was daraus wurde, geht aus dem Mailverkehr demnach aber nicht hervor.

Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz.
Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz. Carsten Koall/dpa/Archivbild

Experten sehen Probleme in Nutzung der Bundestags-E-Mail für Ministeriumskommunikation

Der Ton, den der damalige Bundesgesundheitsminister gegenüber seinen Mitarbeitern anschlägt ist zwar ruppig, aber das eigentlich Problem liegt im Kommunikationskanal. Auf Anfrage des "Stern" bewerteten Rechtsexperten es als problematisch, wenn ein Bundesminister offizielle Amtsgeschäfte über einen Mailaccount seines Abgeordnetenbüros führt. "Das ist nicht nur unprofessionell, sondern widerspricht auch rechtsstaatlichen Prinzipien", sagte Johannes Caspar, Staatsrechtler der Uni Hamburg. 

Spahns "Kommunikation unter falscher Flagge" sei "verwaltungsrechtlich unzulässig". Die parlamentarische Kontrolle werde "unterlaufen oder zumindest erschwert". Mario Martini, Professor für Recht und Digitalisierung an der Bundeswehr-Universität München, verwies darauf, dass eine Trennung von Amt und Mandat verfassungsrechtlich geboten sei: "Entscheidend ist letztlich, ob eine vollständige und nachvollziehbare Dokumentation der Amtsführung sichergestellt wurde." 

Sprecher rechtfertigt Vorgehen von Spahn

Ein Sprecher von Spahn ließ auf Anfrage des "Stern" offen, ob die über seinen Bundestagsaccount verschickten dienstlichen Nachrichten des damaligen Ministers vorschriftsmäßig zu den Akten gelegt wurden. Damit bleibt unklar, ob Kommunikation des Ministers mit Unternehmen oder Personen außerhalb der Verwaltung während der Pandemie der öffentlichen Kontrolle entzogen worden ist. Die Kommunikation von Abgeordneten unterliegt nicht dem IFG. 

Spahns Sprecher rechtfertigte die Nutzung des Bundestagsaccounts mit dem Hinweis, dass die Verbindung von Regierungsamt und Abgeordnetenmandat "verfassungsrechtlich zugelassen" sei. Minister, die zugleich dem Parlament angehörten, bedienten sich "naturgemäß sowohl der Infrastruktur ihres Ministeriums als auch derjenigen des Bundestages", teilte Spahns Sprecher mit. 

Dass "in besonderen Situationen" die Korrespondenz über einen Bundestagsaccount laufe, stelle keine Vermischung von Amt und Mandat dar, so der Sprecher. Juristische Kritik daran sei "unzutreffend". Zuvor musste sich Spahn schon heftiger Kritik wegen der Maskenbeschaffung des Gesundheitsministeriums während der Coronapandemie stellen.