„Tierisch genervt“: Mitten im Zoff mit Merz sendet CSU ein Zeichen nach Berlin
Es ist wie auf Knopfdruck passiert und platzte hinein mitten in die heiße Phase des CSU-Aufstands gegen Kanzler Friedrich Merz: In der vergangenen Woche haben die Fraktionsvorsitzenden von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD im bayerischen Landtag gemeinsam mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner und dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten Karl Freller den bayerisch-israelischen Freundeskreis gegründet.
CSU demonstriert Israel-Solidarität – mitten im Aufstand gegen Merz
Das Timing war alles andere als ein Zufall: Aus Bayern und von der CSU ist die Kritik an der angeblich einsamen Merz-Entscheidung am lautesten, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, die für den Krieg in Gaza genutzt werden können. Merz kratzt damit an einer Doktrin, die zur deutschen Staatsräson gehört, und die tief in der CSU verwurzelt ist.
Im Münchner CSU-Umfeld ist der Israel-Fanclub höchst aktiv.
- Da ist der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek, der jetzt bei der Gründung des Freundeskreises sagte: „Die weiß-blaue Freundschaft ist stark und voller Zukunft. Das gilt auch und gerade in herausfordernden Zeiten.“
- Da ist die 92-jährige Charlotte Knobloch, seit 1985 Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie war auch mal Vizepräsidentin des jüdischen Weltkongresses. Die CSU hat sie einst als ihre Kandidaten für die Bundesversammlung aufgestellt, die den Bundespräsidenten wählt.
- Da ist der ehemalige Landesminister Ludwig Spaenle, der seit 2018 Antisemitismus-Beauftragter der bayerischen Landesregierung ist.
- Und da ist neu in diesen Kreis gekommen Jenny Schack, Abgeordnete aus dem bayerischen Günzburg, die sich beispielsweise im Aktionskreis Synagoge Ichenhausen engagiert.
Unverständnis bei CSU-Hardlinern – Merz’ Kurs spaltet die Reihen
In diesen Kreisen herrscht, so berichten Insider, „großes Unverständnis“ über Merz. Es sei doch klar, wer im Fall von Israels Krieg gegen die Hamas der Aggressor und wer das Opfer sei. Die Politik sei darauf ausgerichtet gewesen und jetzt sei es zum Bruch gekommen, den man nicht mittrage.
Andere sind maßvoller und verweisen auf die öffentliche Meinung: Merz' Haltung sei in der Bevölkerung mehrheitsfähiger als die der CSU-Hardliner, stellen sie nüchtern fest.
Das Berliner Tempo ist München viel zu langsam
Warum bei so einem gemischten Bild die Enttäuschung über Merz dennoch ausgeprägt ist, liegt an Ursachen, die tiefer reichen. In der CSU ist die Ungeduld groß, bei den Themen Migration und Wirtschaftswende voranzukommen. Das Berliner Tempo ist ihnen in München viel zu langsam. Im Wahlkampf war anderes versprochen worden, was einige nach eigener Auskunft „tierisch nervt“.
Weniger umgangssprachlich bringen sie es so auf den Punkt: „Der Wahlkämpfer Merz soll sich nicht vom Kanzler Merz unterscheiden.“ Es sei die Rolle des CSU-Chefs Markus Söder diese Linie sicherzustellen.
CSU sucht Balance – Israel-Debatte als taktischer Befreiungsschlag
Daneben gibt es Strategen, die in der Israel-Debatte einen taktischen Schachzug sehen: Sie habe immerhin die leidige Diskussion über die Bestellung der Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf abgeräumt und damit ein Thema erledigt, das die Nerven der Union strapaziert hatte.
Offiziell versucht die CSU inzwischen die Wogen zu glätten und eine Brücke zwischen Merz und den enttäuschten Israel-Anhängern zu bauen. Dafür ist Landtagspräsidentin Ilse Aigner die richtige: „Israel ist für uns nicht nur Partner in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, sondern – bei aller Kritik an der aktuellen israelischen Regierung – die einzige Demokratie im Nahen Osten.“
Es liege im deutschen Interesse, „dieser Demokratie als Freund zur Seite zu stehen“, schrieb sie anlässlich der Gründung des neuen Freundeskreises.
Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit Business Punk.