Faktencheck zur „Schlussrunde“ vor Bundestagswahl: Vier Kandidaten rasseln durch
In der Schlussrunde zur Bundestagswahl wurden hitzige Debatten zwischen acht Parteien geführt. Doch nicht alle Aussagen der Politiker waren korrekt.
Berlin – Bei der „Schlussrunde“ zur Bundestagswahl von ZDF und ARD mit acht Vertretern verschiedener Parteien ging es heiß her. Nicht nur fielen sich die Politiker immer wieder einander ins Wort und schmissen sich harte Vorwürfe an die Köpfe – einige Aussagen passierten auch den nachfolgenden Faktencheck nicht erfolgreich. Bei insgesamt vier Kandidaten deckten die beiden öffentlich-rechtlichen Sender im Nachhinein Falschaussagen auf.

Sahra Wagenknecht liegt bei EU-Aufrüstung und Krankenkassen daneben – das sind die Fakten
Die BSW-Vorsitzende und Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht echauffierte sich an einem Punkt in der Debatte über die angeblich zu hohen Ausgaben für europäische Aufrüstung. „Die sind zusammen höher als der ganze russische Staatshaushalt“, sagte Wagenknecht. Während das in absoluten Zahlen erst einmal richtig ist, ließ die BSW-Chefin laut dem ZDF eine wichtige Komponente außer Acht: die Kaufkraftparität. Weil die Preise für russisches Militärgerät deutlich niedriger sind, könnte Russland mehr aufrüsten, trotz geringerem Militäretat.
Der neueste Military Balance Bericht des Forschungsinstituts IISS zeigte für das Jahr 2024 kaufkraftbereinigte Militärausgaben von 461,6 Milliarden Dollar. Im Vergleich: Europäische Staaten gaben 2024 laut eigenen Angaben insgesamt 457 Milliarden Dollar aus. Eins ist aus diesen Rechnungen klar, auch wenn dies nicht explizit erwähnt wird: Höher als der gesamte russische Staatshaushalt, wie Wagenknecht behauptete, sind die Ausgaben auf keinen Fall.
Beim Thema Gesundheit behauptete Wagenknecht, Deutschland hätte das zweitteuerste Gesundheitssystem weltweit. Laut einem Ranking der OECD wäre Deutschland auf Platz 3. Es käme aber auch auf die Gegenleistungen für die Beiträge an. Die lägen laut dem Sprecher der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), Florian Lanz, zum Beispiel bei der psychotherapeutischen Versorgung „auf Kassenkosten“ global an der Spitze, so erklärte er laut ARD. Wegen der vielen Leistungsvariablen sei eine direkte Vergleichbarkeit schwer möglich.
Weidel gibt Flüchtlingen Schuld an teurer Krankenkassenbeiträgen – Faktencheck zeigt gegenteiligen Effekt
Laut der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel legen die steigenden Krankenkassenbeiträge an der Menge an Geflüchteten. Sie hätten „nie dort eingezahlt“, argumentierte Weidel. Im ZDF-Faktencheck wird betont: Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern wird nicht über Krankenkassen finanziert, sondern über Kommunen. Nur Geflüchtete aus der Ukraine erhielten direkten Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Laut einer Untersuchung des Paritätischen Dienstes aus dem Jahr 2020 wären die Beiträge ohne Zuwanderung sogar teurer. Die steigenden Beiträge hätten andere Gründe, so zum Beispiel den demografischen Wandel.
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Weidel beschuldigte zudem die Union, die Energiepreise in die Höhe zu treiben. Sie prognostizierte für das Jahr 2027, dass der Liter Sprit einen Euro mehr kosten würde. Dobrindt hielt dagegen und behielt laut ZDF-Faktencheck Recht. Zwar würde der Spritpreis leicht steigen, aber nicht mal annähernd in dem Maße, das Weidel behauptete.
FDP-Chef Lindner und CDU-Generalsekretär Linnemann schießen gegen Klimapolitik – doch die Behauptungen sind widerlegt
Der FDP-Kanzlerkandidat Christian Lindner schoss sich bei Aussagen zur angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2045 ins Aus. „Wenn Deutschland fünf Jahre schneller ist, dann wird es für andere günstiger, andere können länger CO₂ emittieren“, behauptete er in der Schlussrunde. Was Lindner laut FDP nicht beachtet hat: Wenn Deutschland zum Beispiel Kohlekraftwerke vorzeitig stilllegen würde, könnte Deutschland auch die entsprechende CO₂-Zertifikatsmenge löschen. Das wäre sogar von Vorteil, da seit Beginn des Emissionshandels 2005 deutlich geworden ist, dass zu viele Zertifikate herausgegeben wurden.
Bei Thema Wirtschaft warf der CDU-Generalsekretär in Richtung Grünen vor, dass das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung genau das Gegenteil von dem erwünschten Effekt gehabt habe. „Wir haben im letzten Jahr und den letzten zwei, drei Jahren so viele Öl- und Gasheizungen verkauft wie davor nicht – Habeck hat genau das Gegenteil davon erreicht“, sagte er in der Schlussrunde.
Das sei falsch, meinte Sibylle Braungart vom Öko-Institut gegenüber der ARD. „2023 wurden sehr viele Heizungen eingebaut, auch Gas“, schrieb sie. Das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) ist allerdings erst ab 2024 in Kraft. Im Jahr 2024 habe es deutliche Erfolge gegeben: Braungart verwies auf einen Gas-Rückgang von etwa 60 Prozent. (lismah)