Bissiges „Moma“-Duo reizt Spitzenkandidaten bis aufs Blut – Merz, Habeck und Lindner keilen zurück
Müdigkeit? Nicht angeraten, wenn man im Morgenmagazin auftritt. Vor der Bundestagswahl erwarteten die Spitzenkandidaten bissige Fragen.
Berlin – Morgenstund hat bekanntlich Gold im Mund. Der frühe Morgen bietet aber auch schnell die Möglichkeit zum übermüdeten verbalen Fehltritt. Umso wichtiger dürfte es für die Spitzenkandidaten der größten politischen Parteien am Freitagmorgen gewesen sein, trotz eventueller Müdigkeit ihre Worte bei den Interviews im ZDF-Morgenmagazin mit Bedacht zu wählen. Ein großer Fehltritt so kurz vor der Bundestagswahl am Sonntag könnte noch den einen oder anderen wichtigen Prozentpunkt kosten.
Spitzenkandidaten vor Bundestagswahl im Morgenmagazin – Moderatoren nehmen Politik-Profis in die Mangel
Besonders hart dürften die Auftritte für Jan van Aken von den Linken, die in aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl einen starken Aufwind erleben, AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, BSW-Namensgeberin Sahra Wagenknecht und FDP-Chef Christian Lindner gewesen sein. Im Gegensatz zu Robert Habeck von den Grünen, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz waren alle vier bereits am Vorabend bis 23.30 Uhr live in der „Schlussrunde“ von ARD und ZDF zu sehen. Ab 5.30 Uhr standen sie dann alle – gestaffelt im halbstündigen Takt – wieder vor den ZDF-Kameras Rede und Antwort.
Im kurzen Wahlkampf-Sprint, in dem sich Auftritt an Auftritt reiht, ist die Belastung für die Spitzenpolitiker ohnehin groß. Wenn ihnen dann in der vielleicht eigenen Müdigkeit im Morgenmagazin ein Moderations-Duo gegenübersteht, für das derartige Uhrzeiten zum Alltag gehört, wird die Situation nicht leichter. Die aufgeweckten Moderatoren Andreas Wunn und Dunja Hayali nahmen die termingeplagten Spitzenkandidaten ordentlich in die Mangel.
Bissiges Moderations-Duo grillt Lindner – der keilt beim Thema Schulden zurück
Immer wieder gingen Hayali und Wunn aktiv in den Antworten der Kandidaten bissig dazwischen, ließen die Politik-Profis nicht so einfach vom Haken. Die ließen sich dabei schnell auch mal zu der einen oder anderen durchaus gereizten Reaktion hinreißen. Den Auftakt in dieser Riege machte Christian Lindner.
Beim Thema Schulden zählte Lindner auf, auf welche Kernaufgaben der Staat seine Ausgaben fokussieren sollte. „Wenn ich da einmal nachfassen darf …“, hakte Hayali ein. „Nee! Noch nicht an der Stelle“, unterbrach Lindner sie energisch. Der Chef der Liberalen zählt weiter die bekannten wirtschaftlichen Konzepte seiner Partei auf, bis Wunn ihn mit dem Hinweis, dass diese Positionen hinreichend bekannt seien, unterbrach.
Merz wird nach AfD-Frage von Morgenmagazin-Moderator trotzig
Merz erging es im Talk um kurz nach 7 Uhr ähnlich. Seinen Ausführungen, dass die Frage nach deutschen Friedenstruppen in der Ukraine sich gar nicht stelle, entgegnete Hayali, sie könne verstehen, dass er dieser schwierigen Frage ausweiche. Merz antwortete gereizt, er weiche keinesfalls aus. Als Wunn nach Merz‘ Reaktion fragte, wenn nach dem Sonntag und Problemen bei anschließenden Koalitionsverhandlungen nur die AfD als mögliche Koalitionsoption bliebe, um Neuwahlen zu verhindern, antwortete Merz: „Sie haben ja gemerkt, wie oft Sie selber im Konjunktiv sprechen müssen.“ Das sei eine „ganz realistische Situation“, entgegnete Wunn. „Nein“, konterte Merz trotzig. Wunn ließ aber nicht locker, holte sich von Merz nochmal die finale Bestätigung ab, dass es zu einem solchen Szenario nicht kommen werde.
Meine News
Selbes Spiel, andere Person. Wunn fragte Habeck nach möglicherweise deutschen Soldaten im Einsatz in der Ukraine oder einem europäischen Schutz unter dem Dach des französischen Nuklearprogramms. Habeck sprach daraufhin über „Frozen Assets“ aus Russland, die er als „massiven Hebel“ nutzen will, um die Ukraine zu unterstützen. Europa riet er, „nicht die Nato von Europa aus auszuhöhlen“ in Anspielung auf den französischen Nuklearschirm. Die Frage schien ihm nicht ganz zu schmecken.
„Das ist nicht meine Frage“: Ukraine-Debatte bringt gereizten Habeck im Morgenmagazin aus dem Konzept
In seinen anschließenden Ausführungen über die Gefahren von Trumps Politik grätschte dann Hayali dazwischen, die sagte, dass in einer solchen Diskussion eben auch die Frage nach etwa einer „Blauhelmtruppe“ in der Ukraine wichtig werde und Wunns Frage da „auch dazu gehört“. Dann wollte sie zu wirtschaftlichen Fragen überleiten, da insistierte ein gereizter Habeck heftig. „Nein, nochmal, das gehört sie nicht“, konterte er in Bezug auf die Ausgangsfrage. „Die Frage, die Sie gestellt haben – mit großem Respekt – heißt: Seid ihr bereit, die Bedingungen, die Putin und Trump gestellt haben, abzusichern. Das ist nicht meine Frage“, wurde der Wirtschaftsminister kurz laut. Kurz darauf gab es bereits die nächste brisante Situation zwischen ihm und Hayali. Als Habeck sagte, sein Wahlkampf sei „nahezu fehlerfrei“ verlaufen, lachte die Moderatorin auf, entgegnete nur ein „würde ich an Ihrer Stelle auch sagen“.
Der Talk mit AfD-Kandidatin Alice Weidel reihte sich dort perfekt ein. Wunn wollte wissen, wie sie Friedrich Merz davon überzeugen könne, dass die AfD keine rechtsextremistischen Tendenzen habe. Weidel konterte damit, dass die CDU ja eventuell mit den Grünen – laut ihr „Klimaextremisten“ – gemeinsame Sache machen wolle. Als sie auf Deutschland zu sprechen kam, das „im freien Fall“ sei, insistierte Hayali erstmals, mit einem deutlichen „wir sind nicht im freien Fall“. Als Weidel auf die Insolvenzen in Deutschland überleitete, griff Wunn ein, sagte: „Ich glaube, Sie haben bei meiner Frage nicht zugehört und Ihre Antwort auswendig gelernt“. Dafür bekam er Applaus aus dem Publikum und ein gehässiges Lachen der AfD-Politikerin.
Weidel probiert es im Morgenmagazin mit ÖRR-Schelte – Hayali kontert trocken
Sie sei Ökonomin und wisse, wovon sie rede, entgegnete Weidel, versuchte es ihrerseits mit Vorwürfen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von dem sie sich in den vergangenen Jahren „mehr Engagement“ erhofft hätte, dass man vertieft auf die Probleme des Landes eingehen könnte. „Frau Weidel, das machen wir jeden Tag“, konterte Hayali trocken. Die warf den Moderatoren patzig vor, sie hätten „offensichtlich keine Ahnung“ von aktuellen Wirtschaftsdaten. Hayali musste sie mit einem „wir sind immer noch die Moderatoren dieser Sendung“ bremsen.
Bissige Moderatoren, gereizte Kandidaten, brisante Themen: Die Befragung im Morgenmagazin zeigt auch, wie hoch der Druck unter den Kandidaten im Zielsprint vor der Wahl ist. Szenen, die auch in der „Schlussrunde“ am Donnerstagabend in ARD und ZDF zu sehen waren. Besonders Außenministerin Annalena Baerbock geriet hier heftig in die Bredouille. (han)