Bei der Schlussrunde verrät Alexander Dobrindt: Er hat den CO₂-Preis nicht verstanden

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Die Spitzenkandidaten haben vor der Bundestagswahl in der TV-Schlussrunde noch einmal alles gegeben. Dabei wurde auch viel über den CO₂-Preis gesprochen.

Berlin – Am Sonntag wird in Deutschland nach einem ungewöhnlich kurzen Wahlkampf gewählt. Am Donnerstagabend (20. Februar) hatten die Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF noch einmal die Gelegenheit, um Stimmen zu werben. Dabei wurde viel auch um die Klimapolitik und insbesondere den CO₂-Preis gestritten. Die Union sieht diesen nämlich als zentrales Element zum Erreichen der Treibhausgasneutralität ab 2045. An einer Stelle wirkte es jedoch so, als ob CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nicht verstanden hat, wie der CO₂-Handel ab 2027 funktionieren soll.

CO₂-Preis ab 2027: Mit dem ETS II wird der Preis nicht mehr politisch festgelegt

Zum Hintergrund: Im Januar hat der Bundestag den Einstieg in den europäischen CO₂-Handel ab 2027 final beschlossen. Das Gesetz, das oft auch einfach nur ETS II genannt wird, wurde auf EU-Ebene schon 2021 beschlossen, seitdem müssen die Mitgliedsländer dafür sorgen, dass es ins nationale Recht überführt wird. Mit dem ETS II beginnt dann eine neue Ära der CO₂-Bepreisung: Anstatt ein politisch festgelegten Preis zu verlangen, wie es in Deutschland aktuell der Fall ist, wird der CO₂-Preis ab 2027 am Markt gebildet. Das kann man wie eine Art CO₂-Börse verstehen, bei dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen.

Dieses Instrument wird vor allem von wirtschaftsliberalen Kräften unterstützt, da es keine Verbote oder ordnungspolitischen Vorgaben notwendig macht: Der Preis gibt Anreize vor, was die Menschen kaufen oder nicht kaufen sollen. Fossile Brennstoffe werden also teuer werden und damit mit der Zeit unattraktiv.

Dobrindt geht Alice Weidel beim CO₂-Preis an: „Das ist Ihre freie Erfindung“

Das kritisierte in der Schlussrunde Alice Weidel von der AfD, schließlich leugnet ihre Partei den Klimawandel grundsätzlich und unterstützt auch keine Maßnahmen, die ihn bremsen sollen. „Ab 2027 drohen nun die Preise für den Ausstoß von CO₂ zu explodieren - und damit die Kosten für Diesel und Benzin sowie das Heizen mit Öl und Gas“, so Alice Weidel. Zur Union sagte sie: „Sie haben die CO₂-Abgabe eingeführt. Und Sie haben sie gerade im Januar noch erhöht. Was dazu führt, dass wir eine Kostenexplosion von Energiepreisen 2027 haben werden.“ Der Liter Benzin werde dann einen Euro mehr kosten, sagte sie weiter.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt konterte wütend: „Was Sie erzählen, ist schlichtweg falsch, bei der CO₂-Bepreisung – das ist Ihre freie Erfindung, mit der Sie zur Zeit Stimmung machen wollen, dass es ins Unendliche explodieren wird. Das tut es nicht, das ist entsprechend reguliert.“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spricht bei der „Schlussrunde“. © Screenshot/ARD

Leider hat Dobrindt aber unrecht – und Alice Weidel hat teilweise recht. Der CO₂-Preis wird ab 2027 eben nicht mehr reguliert wie bisher. Und es kann sehr wohl sein, dass die Energiepreise stark ansteigen, davor warnen Experten und Expertinnen seit Jahren schon. Es ist nicht möglich, vorauszusagen, wie hoch der Preis ab 2027 sein wird; einen Preis von 200 oder sogar 300 Euro pro Tonne CO₂ kann man derzeit nicht ausschließen. Wenn aber bis 2027 die Nachfrage an CO₂-Zertifikaten sinkt, weil die Menschen weniger davon ausstoßen, dann ist es auch möglich, dass der Preis nicht so deutlich ansteigt.

Preise für Benzin und Diesel steigen nicht um 1 Euro an – aber es wird teuer

Die Behauptung, dass Benzin und Diesel aber 2027 um einen Euro ansteigen wird, ist aber auch nicht richtig. Damit das geschieht, bräuchte es einen noch höheren CO₂-Preis als 300 Euro pro Tonne, was Experten ausschließen. Eine Studie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz e.V. (FIW) hat zum Beispiel berechnet, dass Benzin um 38 Cent pro Liter teurer werden würde, wenn zum Jahreswechsel 2026/2027 der CO₂-Preis bei 200 Euro pro Tonne läge. Der Autor prognostiziert, dass mit dem Einstieg in den CO₂-Handel ab 2027 „große Teile der Betroffenen – der Energiekrise ab 2022 vergleichbar – nur durch den Verzicht auf Heizen und Mobilität mit fossilen Energieträgen reagieren können“.

Zudem kann die EU schon nachsteuern, indem sie mehr Zertifikate zum Handel freigibt, also den Deckel für das CO₂, das ausgestoßen werden kann, erhöht. Damit wäre es also möglich, die Höhe des Preises nochmal abzudämpfen, wenn soziale Verwerfungen durch zu hohe Energiepreise drohen. Um diese abzufedern, wird deshalb auch ein Klimageld gefordert, den die Union auch in ihrem Wahlprogramm verspricht.

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