Hightech im Kälberstall vom Staatsgut Achselschwang

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Kreisbote
  4. Oberland

Kommentare

Rund drei Millionen Euro hat der neue Kälberaufzuchtstall im Staatsgut Achselschwang gekostet. Mit modernster Technik wird hier demnächst die Gesundheit von neugeborenen Kälbern beobachtet. © Roettig

Mit seinem hypermodernen Kälberstall hat das Bayerische Staatsgut Achselschwang ein Leuchtturmprojekt für die Zukunft einer gesunden Kälberhaltung geschaffen. Ab September begleitet man hier wissenschaftlich die Aufzucht von Neugeborenen.

Achselschwang/Utting – Rund drei Millionen Euro hat der innovative und klimagerechte Kälberaufzuchtstall gekostet, der bereits vor dem Einzug der neuen Bewohner von Amtschef Hubert Bittlmayer und Geschäftsführer Anton Dippold offiziell eröffnet wurde. Er stärkt den Achselschwanger Bildungs- und Versuchsstandort für die Rinderhaltung maßgeblich.

Neueste Technik auf dem Staatsgut Achselschwang bei Utting: digitale Ausstattung

Die Konzipierung des Stalles basiert auf einem Versuchs- und Kooperationsprojekt der Bayerischen Staatsgüter und der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, die dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus unterstellt sind. Der in nachhaltiger Holzbauweise unter Leitung des Schondorfer Architekten Florian Gradl errichtete Stall zeichnet sich durch seine fortschrittliche digitale Ausstattung sowie die installierte In-Dach-Photovoltaikanlage aus. Modernste computer- und sensorgesteuerte Technologien ermöglichen Untersuchungen, wie die Kälbergesundheit unter den veränderten Klimabedingungen weiter verbessert werden kann.

Kalb auf Staatsgut Achselschwang 2024
24 Stunden ist dieses „Pustertaler Schecken“-Kälbchen alt. Staatsgutleiterin Dr. Franziska Blümel und Betriebsleiter Martin Dietz freuen sich über den Nachwuchs. © Roettig

Darüber hinaus trägt der neue Stall zur praxisnahen Aus- und Fortbildung des landwirtschaftlichen Berufsnachwuchses aus ganz Bayern im Interesse einer artgerechten Tier- und Rinderhaltung bei. Mit den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Versuche trage man ganz erheblich zur Lösung praxisrelevanter Probleme in der Nutztierhaltung bei, so Staatsgutleiterin Dr. Franziska Blümel. Seit knapp einen Jahr ist sie im Amt. Die Expertin in der Rinderhaltung war unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der international bedeutenden Forschungsanstalt Agroscope im Schweizerischen Tänikon tätig und hat im Bereich der Melktechnik-Optimierung an der Universität Hohenheim promoviert.

Blümel und ihr „Herdenmanager“ Martin Dietz können es kaum erwarten, bis nach den letzten technischen Installationen die ersten neugeborenen Kälber in diesem in ganz Deutschland wohl einmaligem Stall mit 120 Plätzen eine besondere Betreuung erhalten. Die aktuell Neugeborenen werden noch im alten Kälberstall aufgepäppelt wie das von Mutterkuh „Bailey“ auf die Welt gebrachte Kälbchen der gefährdeten Rasse „Pustertaler Schecken“. Das Kalb war beim Besuch des KREISBOTEN gerade Mal 24 Stunden alt. In Achselschwang bemüht man sich um den Weiterbestand dieser seltenen und damit bedrohten Hausrind-Rasse.

Kälberstall in Achselschwang: optimales Klima

Im neuen Kälberversuchsstall erforscht man die Haltungsbedingungen in den ersten Wochen nach der Geburt. Dazu werden die Kälber in zwei Gruppen zu je zehn Tieren geteilt. Bei Gruppe 1 erfassen Sensoren den Kohlendioxid- und Ammoniakgehalt, die Lufttemperatur, die Luftbewegung und die Luftfeuchte. Basierend auf den erfassten Daten wird in dieser Versuchsgruppe das Öffnen oder Schließen von Lüftungseinrichtungen automatisch gesteuert, um optimale Klima­bedingungen im Stall aufrechtzuerhalten. Die Kontrollgruppe 2 wird von den Mitarbeitern des Guts subjektiv und nach den bisherigen Erfahrungen betreut. Schließlich gehören laut Franziska Blümel schnelle Temperaturwechsel und Feuchtigkeit zu den Gesundheitsrisiken bei neugeborenen Kälbern. Deshalb habe man den neuen Stall mit feuchtigkeitsabsorbierendem und -abgebendem Holz gebaut sowie mit wärmedämmender Brettstapeldecke gegen die direkte Sonneneinstrahlung. Die glatte und nischenlose Bauweise verhindert, dass sich hier Tauben niederlassen. Ein Problem, das häufig in den offenen Außenklimaställen der Praxis vorkommt.

Nach drei Wochen wechseln die Kälber in größere Stallabteile mit bis zu 25 Tieren, wo sie sukzessive von der Milchtränkung auf die Futterration des Jungviehs mit Heu, Silage und Gras umgewöhnt werden. Ebenfalls sensorgesteuert wird dort die Stalltemperatur und Luftqualität in diesen Großgruppen erfasst und automatisch geregelt. In den Sommermonaten können die seitlichen Vorhänge geöffnet und geschlossen werden, um das Stallklima zu optimieren. In den Wintermonaten bieten seitliche „Kälberhimmel“ einen optionalen Wärmepuffer im Offenstall, damit die Wärme nicht nach oben entweicht. Ist es zu warm, öffnet sich der Kälberhimmel nach oben hin automatisch, damit die Wärme abweichen kann.

Gute fünf Monate bleiben die Tiere unter sensibler Beobachtung im neuen Kälberstall, bevor sie zur Jungviehherde in das Staatsgut Hübschenried wechseln. Ausgewachsen und kurz vor der Kalbung kommen sie wieder zurück als Teil der 180 Tiere umfassenden Milchkuhherde von Achselschwang. Der Herdendurchschnitt in der Milchleistung im vergangenen Jahr 2023 lag hier bei 11.308 Kilogramm. Unter anderem wird aus der Achselschwanger Milch ein bekannter Frischkäse in den Karwendel-Werken Huber in Buchloe produziert.

Das Staatsgut sowie der neue Kälberaufzuchtstall können von interessierten Gruppen besichtigt werden. Anfragen und Anmeldungen sind via E-Mail achselschwang@baysg.bayern.de oder Telefon 089/6933442-200 möglich.

König zu Besuch

Der neue Kälberstall war leider noch im Bau, als Ende letzten Jahres königlicher Besuch in Achselschwang aufschlug: Lamido (König) S.M. Aboubakary Abdoulaye, auch Vize-Senatspräsident von Kamerun, wurde von Franziska Blümel und Anton Dippold empfangen und mit seiner Delegation durch das Gut geführt. Ziel des Besuchs war es, im realen Lernumfeld vor Ort Informationen zum System der berufspraktischen Ausbildung von Landwirten in Deutschland zu erhalten.

Bewegte Geschichte

Das Staatsgut Achselschwang zwischen Utting und Unterfinning bewirtschaftet eine Fläche von mehr als 500 Hektar, wovon ein Großteil als Grünland genutzt wird. Die Milchviehherde mit Nachzucht bildet die Grundlage für die Forschungsprojekte und praxisorientierten Schulungen.

Gut Achselschwang kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Erstmals erwähnt wurde es 760 in einer Urkunde, wonach die Einnahmen an das Kloster Wessobrunn gehen mussten. Im Rahmen eines Tauschgeschäfts kam Achselschwang 1388 in den Besitz des Klosters Dießen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Gut von Schwedischen Truppen geplündert und später wieder in Betrieb genommen. 1803 hat man im Zuge der Säkularisation das ganze Inventar versteigert. Aber bereits 1813 wurde hier ein Militärfohlenhof eingerichtet. Schließlich verlegte man 1863 das Königlich-Bayerische Stammgestüt nach Achselschwang, das 1952 wieder aufgelöst wurde.

Seit 1953 befand sich auf dem Gutsgelände das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Milchvieh- und Rinderhaltung des Freistaats Bayern. Am 1. Januar 1972 wurde das Gut von Hechenwang nach Utting am Ammersee eingemeindet. Seit dem Jahr 2020 gehört Achselschwang zu den Bayerischen Staatsgütern und wurde umbenannt in „Versuchs- und Bildungszentrum für Rinderfütterung“ mit eigenem Internat und Tagungsbereich.

Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.

Auch interessant

Kommentare