„Mit Lösungen die Demokratie stärken“: FDP-Direktkandidat Thomae spricht über Wirtschaft, Bildung & Migration

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„Mit Lösungen die Demokratie stärken“: FDP-Direktkandidat Thomae spricht über Wirtschaft, Bildung & Migration

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Stephan Thomae vor dem Amtsgericht in Kempten. © Kraus

FDP-Direktkandidat im Wahlkreis 256 ist Stephan Thomae aus Sulzberg. Der 56-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit elf Jahren ist er Mitglied im Bundestag.

Herr Thomae, wie gut sind Sie in Ihrer Heimat verwurzelt und wofür engagieren Sie sich hier?

Stephan Thomae: Ich bin hier im Allgäu geboren, meine Vorfahren stammen von hier, und hier lebt meine Familie auch heute noch. Ehrenamtlich engagiere ich mich für viele Vereine in Kempten und im Oberallgäu. So bin ich Bezirksleiter des Blasmusikbezirks Sonthofen, Vorsitzender des Ehemaligenvereins des Carl-von-Linde-Gymnasiums und Revisor im Freundschaftskreis Partnerstädte Kempten.

Welche Werte prägen Ihre politische Haltung am meisten?

Eigenverantwortung. Menschen sind für das, was sie tun, selbst verantwortlich. Freiheit wird begrenzt durch Verantwortung. Verantwortungslose Freiheit kann zerstörerisch wirken. Darum ist das Prinzip Verantwortung ganz elementar. Aber nicht nur für sich selbst, auch für das Ganze hat man Verantwortung. Eine Gesellschaft lebt davon, dass manche Menschen mehr tun, als sie eigentlich müssten.

Welche Expertise bringen Sie mit?

Ich bin von Beruf Rechtsanwalt. Dadurch habe ich einen rechtsstaatlichen Blick auf die Dinge. Mein Zugang zur Politik ist, dass Macht Begrenzung braucht. Und Recht begrenzt Macht.

Für welche Themen im Allgäu haben Sie sich in Berlin stark gemacht?

Mir sind vor allem die Themen Tourismus und Landwirtschaft wichtig. Sei es, wenn es um das Waldgesetz gegangen ist oder um Themen der Alpwirtschaft und des Tierschutzes. Die Großbetriebe in Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt sind eine ganz andere Welt als die Kombinationshaltung, die unsere Allgäuer Familienbetriebe haben, wo das Vieh im Winter zwar im Stall ist, aber sich in den Sommermonaten draußen auf der Weide befindet.

Zu Beginn der Wahlperiode 2021 war es mir wichtig, dass wir aus der Corona-Falle und den zu harten Grundrechtseinschränkungen rauskommen müssen. Für unsere Allgäuer Tourismusbetriebe war es wichtig, auch unter Coronabedingungen Urlaub machen zu dürfen.

Beim Thema Mobilität ist es mir wichtig, beim Schienenverkehr von den Dieselloks wegzukommen. Teilstrecken werden jetzt elektrifiziert, wir versuchen aber auch, mit Wasserstoffzügen eine Übergangstechnik zu nutzen. Demnächst fährt der Wasserstoffzug „Siemens Mireo Plus H“ von Augsburg nach Füssen. Dass die Firma Siemens noch einen zweiten Prototyp ihres Wasserstoffzuges gebaut hat, und der hier in Schwaben und im Allgäu fährt, das hat ziemlich viel mit meinem Hintergrundwirken zu tun.

Sie spielen Horn. Wenn der Bundestag ein Orchester wäre, welche Instrumentengruppe wäre dann die FDP?

Die Blechbläser, würde ich mal sagen. Es ist zwar eine kleine Instrumentengruppe in einem Symphonieorchester, aber durchaus tonangebend und hörbar und trotzdem wohlklingend. Ein Symphonieorchester wäre unvollständig ohne die Blechbläser. Übrigens ist gerade das Horn, das ich selbst gespielt habe, ein Instrument, das sowohl kräftig schmettern als auch weich und lyrisch klingen kann.

Welche Themen möchte die FDP im Falle einer Regierungsbeteiligung zuerst anpacken?

Von einer Wirtschaftswende für Wachstum und Generationengerechtigkeit hängt viel ab. Wir sind in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Drei Jahre Rezession in Folge, das gab es nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Land noch nie. Es zeigt, dass die Wirtschaft Wind unter die Flügel braucht.

Wie meinen Sie das?

Entlastungen bei Bürokratie, Steuern und Abgaben. Wir befinden uns in einem regulatorischen Dickicht, wo sogar Beamte unter Bürokratie leiden, und wir eine Verwaltung brauchen, um die Verwaltung zu verwalten. Wir müssen wegkommen aus detailverliebten Vorschriften, bei Unternehmen, aber auch bei den Ehrenamtlern in den Vereinen. Sie müssen nicht nur Gesetze beachten, sondern auch noch dokumentieren, dass sie Gesetze beachten, diese Dokumentationen dann berichten und Kontrollen über sich ergehen lassen. Es muss auch mal gut sein mit dem Misstrauen des Staates gegenüber Unternehmern und Ehrenamtlern. Das sind nicht die Feinde unseres Landes, sondern auf den Schultern dieser Menschen steht unsere Gesellschaft.

Bei den steuerlichen Belastungen sind wir im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig. Die USA wollen die durchschnittlichen Unternehmenssteuern auf 15 Prozent herabsetzen. Wir sind im Durchschnitt bei 30 Prozent. Wir verlangen doppelt so hohe Steuern und Abgaben, wir sind aber nicht doppelt so gut, ganz im Gegenteil. Wir vertreiben damit regelrecht ganze Industriezweige aus Deutschland.

Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel wirksam entgegentreten?

Wir haben das Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich verbessert. Man muss heute keinen akademischen Abschluss mehr haben, um als Arbeitskraft nach Deutschland kommen zu können. Auch berufspraktische Erfahrungen oder ganz normale Qualifikationen reichen aus. Wir haben uns da an klassischen Einwanderungsländern orientiert, wie etwa Australien und Kanada, die ein Punktesystem haben, damit Menschen, die etwas leisten wollen, nach Deutschland kommen können, um hier zu arbeiten oder sich ausbilden zu lassen. Diese Reform muss jetzt noch umgesetzt werden, denn unser Land braucht kluge Köpfe und fleißige Hände.

Für welchen Kurs steht die FDP in der Migrationspolitik?

Wir plädieren für ein Vier-Türen-Modell. Wir brauchen kontrollierte, regulierte Einwanderung in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Die Wirtschaft spricht von jährlich 400.000 Menschen, um die demografische Lücke aufzufüllen und unsere Sozialsysteme zu sichern. Flucht und Asyl sind zwei weitere Türen. Recht auf Asyl nach unserem Grundgesetz hat, wer persönlich verfolgt wird, Flüchtlingsschutz nach internationalem Recht erhält, wer vor Krieg und Bürgerkrieg, Terror und Gewalt aus seiner Heimat geflohen ist. Der Staat hat die Aufgabe zu prüfen, wer wirklich Schutz und Hilfe benötigt, und wer nur ein besseres Leben sucht. Das ist auch legitim, aber dafür sind unser Asylsystem und der Flüchtlingsschutz nicht gemacht. Wer ein besseres Leben bei uns sucht, für den gibt es die Arbeitskräfteeinwanderung. Tatsächlich wollen wir mehr Einwanderung in unseren Arbeit- und Ausbildungsmarkt, weniger Migration in unser Asyl- und Sozialsystem. Und wer hier kein Aufenthaltsrecht erhält oder wessen Aufenthaltsrecht endet, weil er nicht als Asylberechtigter anerkannt wird oder wessen Flüchtlingsschutz ausläuft, der muss durch die vierte Tür eben dann auch ausreisen. Und wenn er es nicht freiwillig tut, muss der Staat seinen Ausreisebescheid im Wege der Abschiebung durchsetzen, so wie der Staat eben alle seine Entscheidungen nötigenfalls auch zwangsweise durchsetzen muss. Insbesondere bei Straftätern und Gefährdern muss der Staat hier konsequent sein.

Wie kann man die Demokratie in Deutschland stärken?

Probleme lösen. Wenn es den etablierten Parteien besser gelingt, die Probleme des Landes zu lösen, dann wächst auch das Vertrauen in die Demokratie wieder. Wenn es den Leuten wirtschaftlich schlechter geht, ihnen Verzicht zugemutet wird oder ihnen Wohlstandsverluste drohen, oder wenn sich das Gefühl verfestigt, dass es um die innere Sicherheit schlecht bestellt ist, dann werden sich die Menschen von den demokratischen Parteien abwenden und undemokratische Parteien wählen. Die demokratischen Parteien müssen das, was unser Land stark und stabil gemacht hat, Wohlstand sichern, für Sicherheit sorgen, wieder mehr in ihr Programm schreiben.

Welchen Beitrag kann Bildung zur Chancengleichheit leisten?

Bildung und Ausbildung sind das A und O. Wenn es um die Frage geht, wo der Staat ansetzen muss, um Chancengleichheit der Menschen herzustellen, ist es nicht Steuerrecht und Umverteilung, den Reichen nehmen und den Armen geben. Das ist das falsche Ende. Der Staat muss am Anfang ansetzen, da, wo das Leben der Menschen beginnt, in den Kindergärten, in den Schulen und Hochschulen sowie bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Dann haben es alle im Sinne der Eigenverantwortung auch selber in der Hand, aus diesem Rüstzeug etwas zu machen. Es gibt Menschen, die strengen sich an, nehmen Risiken und Entbehrungen auf sich. Dass sie dann die Früchte ihres Fleißes, ihres Risikos und ihrer Entbehrungen auch ernten dürfen, finde ich gerecht.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Altersvorsorge zukunftssicher zu gestalten?

Aufgrund der demografischen Veränderungen müssen immer weniger junge Menschen immer mehr ältere versorgen. Deswegen brauchen wir eine Verlagerung vom gesetzlichen Rentensystem in mehr betriebliche und private Vorsorge. Doch auch die gesetzliche Rente lässt sich aus Gründen der Bevölkerungsentwicklung langfristig nicht mehr allein aus dem Umlagesystem finanzieren. Unser Vorschlag ist deshalb, sich das Beispiel Schwedens zu nehmen, das einen gewissen Anteil Aktienrente in das gesetzliche Rentensystem eingebaut hat. Damit nimmt die gesetzliche Rente am künftigen Wirtschaftswachstum teil.

Wie kann bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden?

Bauen muss erleichtert werden. Wir brauchen bei den Genehmigungsverfahren Vereinfachungen im Baurecht und im Bauordnungsrecht. Es muss einfacher möglich sein, Wohnraum zu verdichten oder aufzustocken. Ich habe da Beispiele aus dem Allgäu, wo Eigentümer bereit gewesen wären, auf eine Gewerbehalle Wohnungen draufzubauen. Die örtlichen Kommunalpolitiker haben das nicht genehmigt. Auch im Bauordnungsrecht müssen alle möglichen Vorschriften, etwa im energetischen Bereich, beachtet werden. Auch hier muss man abspecken, damit es wieder günstiger wird. Keine geeigneten Maßnahmen hingegen sind die Mietpreisbremse oder der Mietpreisdeckel, weil diese Investitionen in Wohnungsbau und -modernisierung noch weniger attraktiv machen.

Wie sollte man mit der zunehmenden Staatsverschuldung umgehen?

Reduzieren, das ist völlig klar. Wir sind mit 62 Prozent schon oberhalb des Maastricht-Kriteriums, dessen Grenze bei 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt. Wir sollten keinesfalls den Beispielen Frankreichs, Spaniens, Italiens und Griechenlands folgen, die ihren kommenden Generationen hohe Schuldenberge hinterlassen. Höhere Schulden bedeuten höhere Zinsen. Die Schuldenbremse bedeutet übrigens nicht, dass keine Schulden gemacht werden. Sie bedeutet nur, dass irgendwann auch mal Schluss sein muss. Aktuell nehmen wir pro Jahr 50 Milliarden Euro Schulden neu auf und zahlen 40 Milliarden Euro Zinsen. Mit dem Geld, das wir an Zinsen zahlen, könnten wir jede Menge Sozial- oder Umweltprojekte finanzieren, Straßen und Schienenwege modernisieren, Breitbandkabel verlegen. Zinsen bekommen die Gläubiger, das Geld ist einfach weg.

Wo könnte man Geld einsparen?

Da gibt es viele Bereiche. Ich will nur beispielhaft das Bürgergeld nennen: Der Lohnabstand ist nicht mehr gewahrt. Die heutige Berechnungsmethode des Bürgergelds hält Menschen eher vom Arbeitsmarkt fern, statt sie zu ermuntern.

Hält die FDP an Waffenlieferungen für die Ukraine fest?

Wir halten daran fest und sind der Meinung, wenn man schon früher, schneller und beherzter etwas getan hätte, hätte die Ukraine nicht nur die Befähigungen, mühsam die Fronten zu halten, sondern auch den Aggressor wieder aus dem Land zu vertreiben. Bekanntermaßen waren wir schon früh für die Lieferung von Leopard 2 Panzern, von IRIS-T Luftabwehrsystemen, auch von Marschflugkörpern vom Typ Taurus. Die Ukraine braucht Waffensysteme und die sollten wir besser früher als später liefern, um den Krieg zu beenden, statt zu verlängern.

Warum sollten die Bürgerinnen und Bürger Ihnen ihre Stimme geben?

Ich bin mit der Region eng verwurzelt und für den Wahlkreis in der dritten Wahlperiode im Deutschen Bundestag. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion sitze ich zudem an einer zentralen Schaltstelle und habe ein gutes Netzwerk in die anderen Fraktionen. Ich glaube, mir in der Region einen Ruf als verlässlicher, seriöser und solider Politiker erworben zu haben.

Herr Thomae, vielen Dank für das Gespräch!

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