Oberallgäuer Älpler fürchten neue Probleme durch das neue Tierschutzgesetz

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Bergkäse gibt es nur mit Alpwirtschaft: Sebastian Beck (von links) erläuterte dem Bundestagsabgeordneten Karl Bär und Kreisrätin Christina Mader seinen Sennereibetrieb auf der Alpe Oberberg, der letztlich auf „bergtaugliches“ Milchvieh angewiesen ist. © Josef Gutsmiedl

Die Bundesregierung arbeitet in dieser Legislaturperiode an einer Änderung des Tierschutzgesetzes. Oberallgäuer Bergbauern sehen ihre Existenz bedroht.

Oberallgäu – Die Bundesregierung bringt in dieser Legislaturperiode eine Novellierung des Tierschutzgesetzes auf den Weg. Ziel ist vor allem, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern – gerade auch in der Landwirtschaft. Wie es in der Praxis „laufen“ soll, darüber wird seit Monaten diskutiert und gestritten. Der bayerische Bundestagsabgeordnete und Obmann des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen), gewann bei einem „Politischen Alpbegang“ im Gebiet des Naturpark Nagelfluhkette ein aktuelles Bild aus der Praxis der Alpwirtschaft.

Gerade die Bergbauern und Älpler fürchten, dass ein mögliches Verbot der Anbindehaltung die bäuerlichen Betriebe in ihrer Existenz gefährdet. Bär machte keinen Hehl aus seiner Sichtweise: „Diese Form der Landwirtschaft gilt es dauerhaft zu erhalten.“ Andererseits sei eine Anbindehaltung rund um die Uhr als Auslaufmodell zu betrachten. Aus diesem Dilemma in der Praxis herauszukommen sei nicht einfach und mit „ein bisschen Willkür“ behaftet, räumt Bär ein.

Oberallgäuer Bauern fürchten um Existenz durch neue Tierschutzauflagen

Die sogenannte Kombihaltung als Kompromiss von Bewegungsmöglichkeit und festem Standplatz im Stall sei „ein schwieriger Punkt“ in der Diskussion. Inzwischen liegt ein überarbeiteter Referentenentwurf des Bundes-Landwirtschaftsministeriums vor, der die unbefristete Kombihaltung von Milchvieh mit Weidegang vorsieht.

Das bedeute im Sommer weitgehend Weidebetrieb und im Winterhalbjahr Stallhaltung mit definierten Auslaufmöglichkeit für die Tiere, etwa einen Laufhof. „Gedeckelt“ ist diese Haltungsform bei höchstens 50 über sechs Monate alten Rinder pro Betrieb. Raus aus dem Gesetzentwurf ist auch die Befristungsklausel nach der die Duldung bei einer Hofübergabe an die Folgegeneration erlöschen sollte.

Beim Vorort-Termin im Stall der Alpe Oberberg bei Blaichach erläuterte Alpbesitzer und aktiver „Bergler“ Sebastian Beck, seine Sichtweise. Die klassische Kombihaltung für die 30 Milchkühe aus den Stallungen mehrerer Bergbauernbetriebe, die er von Mai bis September auf der Alpe habe, sei Anbindehaltung schlechterdings notwendig – schon allein beim Melken. Jedes Tier hat seinen festen Platz im Stall und kommt nur für ein bis zwei Stunden an die Kette. Das sei im heimischen Stall bislang auch üblich. Er sei auf solche Tiere angewiesen, betont Beck.

Tiere, die den Umgang mit den Menschen gewohnt sind. „Familienanschluss, wenn man so will.“ Die Haltungsform mit der traditionellen Aufstallung und Weidegang sei seiner Meinung nach das Beste für die Tiere und die bäuerliche Praxis in der Berglandwirtschaft. Aktuell könne sich die Alpwirtschaft und Berglandwirtschaft über die Förderungen nicht beklagen, räumt auch Älpler Sebastian Beck ein.

Die pauschale Flächenförderung sieht er aber kritisch. Ohne Gegenleistung zu profitieren, verzerre den Wettbewerb und entwerte konkrete Leistungen. Sein Beispiel für Fehlentwicklung: Jahrelang nichts tun und zusehen, wie wertvolle Alpflächen zuwachsen und obendrein die Prämie für Schwendarbeiten zu kassieren, gehe ihm nicht in den Kopf.

Kulturlandschaft braucht Alpvieh

Das Image der Anbindehaltung in Form der Kombihaltung brauche (endlich) einen breiten Konsens, so der Abgeordnete Bär. Er hoffe auf Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten und lenkt den Blick auf den Handel, der bestimmte Haltungsformen längst favorisiere und so den Markt gestalte.

Er wolle nicht in zehn Jahren nicht erneut eine Debatte über die Haltungsform führen. Im Herbst werde der Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht und der parlamentarischen Verhandlung ausgesetzt, gefolgt von einer öffentlichen Anhörung. Der Ausschuss könne gegebenenfalls weitere Änderungen einarbeiten, bevor der Bundestag letztlich das neue Tierschutzgesetz beschließt.

Das Problem, dass in absehbarer Zukunft womöglich nicht mehr ausreichend taugliches Alpvieh verfügbar sein könnte, erkennt auch Florian Höss von der Initiative Alpvielfalt. „Um die großen Alpflächen auf Dauer offen zu halten, braucht es eher mehr viel als weniger”, gibt er zu bedenken. Schon jetzt nehme die von Landschaftspflegeverbänden bearbeitete Weidefläche zu; es drohe sonst eine rasche Verbuschung und letztlich eine Wiederbewaldung bislang freigehaltener Alpweiden.

Umso wichtiger seien in diesem Zusammenhang intakte, gesunde Talbetriebe, die das bergtaugliche Jungvieh zuführen könnten. Genau diese durch Weidebetrieb gestaltete Kulturlandschaft sei das, was die AllgäuUrlauber so schätzten, ergänzt Stefan Engeter, Geschäftsführer der Allgäu GmbH. „Man muss Tourismus und Kulturlandschaft zusammen sehen.”

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