Eine neue Bleibe für zeitgenössische Kunst
Das Kunstforum Weilheim startet ins neue Jahr mit der Ausstellung „Luftgewebt, doch erdverbunden – Gedanken und Träume zwischen Himmel und Erde“. Gezeigt werden Werke von Andrea Kreipe, Ramiz Aghayev und Wolf Schindler.
Zur Vernissage am Samstagvormittag waren zahlreiche Besucher erschienen, denen Wolf Schindler als Mitglied des Vorstands für ihr Kommen dankte, um dann einen Dank im Speziellen abzustatten. Dieser ging, verbunden mit einem prachtvollen Blumenstrauß, an Kulturreferentin Ragnhild Thieler. Als Schindler „Hoch soll sie leben“ anstimmte, war die so Geehrte sichtlich gerührt. „Ich bin gerade 80 geworden“, erklärte sie anschließend. „Danke für das Ständchen. Da steh’ ich nun mit meinen 80 Jahren…“
Doch der Moment der Rührung wich alsbald der gewohnten Thielerschen Energie. „Lange war es nicht möglich, einen Ort in Weilheim zu finden, an dem man zeitgenössische Kunst zeigen kann“, so die Kulturreferentin. Doch nun habe die Stadt verstanden, was sie an dieser Kunst habe und dem Kunstforum städtische Räume zur Verfügung gestellt. „Die Künstler haben endlich eine Bleibe – und sind sichtbarer geworden“, resümierte Thieler. Dann stellte sie die drei Ausstellenden vor. Ohne Wolf Schindler, den „Grandseigneur“, hätte sie ihren Job nicht machen können, denn: „Er malt nicht nur wunderschöne Bilder, er kann auch gut organisieren.“ Andrea Kreipe sei in der Region als vielfältige Künstlerin bekannt, die immer etwas Neues zu bieten habe und hier nun mit einer ganz eigenen Arbeitsmethode überrasche. Und Ramiz Aghayev hieß sie herzlich als „Vertreter der jungen Generation im Kunstforum“ willkommen.
Anders als bei vielen Vernissagen, wo „Wissenschaftler beauftragt werden, Forschungen an den Bildern anzustellen“, so Schindler, sprachen nun die drei Künstler selbst über ihre Werke. Als Bildhauerin sei sie öfter auf Schrottplätzen unterwegs, wo man Blechscheiben finde, auf denen sich kunstvolle Muster gebildet haben, erzählte Kreipe. Das habe sie animiert, ein Verfahren zu entwickeln, diese künstlerisch nachzubilden: „Mit Papier, Wasser, Eisen, Zeit – und dem Wirken des Zufalls. Es ist immer ein magischer Moment, ein Zusammenwirken zwischen Mensch und Natur, wenn man die Eisenscheibe vom Papier abhebt und entdeckt, was genau sich darunter getan hat.“
Aghayev, der mit seiner Familie in Peißenberg lebt, ist in Baku aufgewachsen, hat aber die Sommermonate bei seinen Großeltern in den Bergen verbracht. „Die geheimnisvollen Farben auf den Berggipfeln haben mich schon immer angezogen und zum Nachdenken gebracht“, erzählte er. „Wenn man der Spur der Berge folgt, wird man zum Gipfel geführt, findet die klarste Luft und die schönsten, die Seele beruhigenden Farben.“
Schindler wollte nicht über seine Werke reden, sondern über die Kunst im Allgemeinen reflektieren. Für ein Konzert nehme man sich zwei Stunden Zeit, aber um ein Bild zu betrachten? „Es ist ja nicht nur die Oberfläche des Kunstwerks, sondern die geistige Ebene, die aus dem Werk hervortritt, wenn man sich auf es einlässt. Dann kann man entdecken, das hat ja mit mir, mit meinen Erfahrungen zu tun. In welcher Sprache ein Bild zu uns spricht, muss jeder für sich selbst herausfinden.“
Kreipe griff das auf und ermunterte die Besucher: „Vielleicht finden Sie ein Werk, mit dem Sie korrespondieren können, vielleicht auch nicht. Wir leben heute im Allgemeinen nur noch mit unserem Kopf, aber die Kunst spricht eine andere Ebene an, auf die man sich intuitiv, wie es Kinder tun, einlassen muss. Diese andere Ebene wollen wir mit unseren Werken in den Betrachtern zum Schwingen bringen.“
Schwebendes auf blau-grünem Grund
Schindler hat dazu ein Triptychon ausgewählt mit einem Bild in der Mitte, das leicht Schwebendes vor blau-grünem Hintergrund zeigt: Wolken am Himmel, Blüten im Wasser? Umrahmt wird es von zwei abstrakten Gemälden, die einmal Vierecke, einmal kugelförmige Elemente mit Spiegelungen abbilden. Wassertropfen oder Seifenblasen? Aghayev hat zwölf Bilder zusammengestellt, die Berggipfel in allen Farben und mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad zeigen, die allesamt eine wunderbare Leichtigkeit ausstrahlen. Und Kreipes Serie „Eisenoxyd“ entfaltet eine rätselhafte Schönheit, die den Blick magisch anzieht und mit ihrer Fremdheit zu jedweder Art Deutung einlädt.
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Sabine Näher