Daheim spielt es sich am schönsten: Laienbühne Freising zurück im Asam

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Missverständnisse gab‘s zur Genüge im Haus von Montevideo, in dem Max-Emanuel Reisch, Richard Brückl, Angela Flohr, Wolfgang Schnetz und Veronika Jackermaier schauspielerisch auf der Asambühne glänzten. © Lehmann

Mit einer Komödie mit Tiefgang feiert die Laienbühne Freising grandios die Rückkehr auf die heimischen Bretter: Der Asamsaal erlebt „Das Haus in Montevideo“. Der neue Regisseur zeigt, dass auch Umbaupausen unterhaltsam sein können.   

Freising – Die Laienbühne Freising begibt sich bei ihrer Rückkehr auf die heimische Bühne im Asam auf eine Hin- und Rückfahrt über den großen Teich. Zwei Mal wechselt die Kulisse deshalb von Freising nach Montevideo und wieder zurück. Warum das wichtig ist? Weil allein schon der Kniff, wie selbst Umbaupausen hinter dem edlen dunkelblauen Vorhang zu feiner Unterhaltung werden können, das ganze Potenzial des Ensembles unter dem neuen Regisseur Arnold Aschbauer ganz vorzüglich ins rechte Scheinwerferlicht rückt: gehobene Stummfilm-Klamotte da, komödiantisch gebrochenes „Titanic“-Pathos dort.

„Das Haus in Montevideo“, jene tief- und hintergründige Komödie von Curt Goetz, ist also so recht geeignet, die acht lange Jahre dauernde Absenz der Laienbühne von ihrem Sehnsuchtsort im Herzen der Stadt zu beenden und all das aus den Mimen herauszukitzeln, was sie alle Jahre wieder zu einem wahren Kulturereignis in Freising macht: Szenen, die zu herzhaftem Lachen reizen, Dialoge, die die unterschiedlichen Charaktere der Figuren treffgenau herausarbeiten, Schauspieler, denen Slapstick-Einlagen in gleichem Maße gelingen wie feinsinnige Ironie, große Dramen und noch viel größere Emotionen.

Was zu viel ist, ist zu viel: Der Professor bekommt nach einem Zusammenbruch Zuspruch von Ehefrau und Geistlichem.
Was zu viel ist, ist zu viel: Der Professor bekommt nach einem Zusammenbruch Zuspruch von Ehefrau und Geistlichem. © Lehmann

Zu einem guten Teil getragen wird das Stück und damit auch die Freisinger Inszenierung von der allgegenwärtigen Hauptperson Prof. Dr. Traugott Hermann Nägler. Praktisch keine Szene, in der der Vater von zwölf wie die Orgelpfeifen aufmarschierenden Sprösslingen nicht lateinische Sinnsprüche bemüht, seine eigene Lebensart wie eine Monstranz zur Schau trägt, sich selbst mit der Maxime „Moral hat keine Ferien“ selbst kasteit und im Lauf der Handlung die wachsenden Zweifel an seinen eigenen Lebensregeln beobachtend in Tränen ausbricht: „Mutter, ich bin ein Schwein.“

Wer die Laienbühne nur ein bisschen kennt, weiß, wem diese Hauptrolle auf den Leib geschrieben scheint, wer ein Textvolumen von diesem Umfang zu stemmen fähig ist: Wolfgang Schnetz, pfauenartig vor seiner Familie hin und her stolzierendes Oberhaupt da, seine Nachkommenschaft sogar beim Mittagessen ausfragender Pauker dort, herzzerreißend schluchzender Mensch mit Gefühlen da, von unzüchtigen Fantasien voller Abscheu sich abwendender Moralapostel dort – all das ist der Herr Professor und all das und noch viel mehr findet in Wolfgang Schnetz eine Darstellung von starker Bühnenpräsenz.

Bravo-Rufe am Ende des Aufführung: Vor ausverkauftem Haus durften die Laienspieler ihre Premiere im und ihre Rückkehr ins Asam feiern.
Bravo-Rufe am Ende des Aufführung: Vor ausverkauftem Haus durften die Laienspieler ihre Premiere im und ihre Rückkehr ins Asam feiern. © Lehmann

Das kann freilich zu einem Gutteil auch nur dann in einem solch künstlerisch hohen Maße gelingen, wenn es die anderen Akteure der Laienbühne verstehen, die Figuren mal als Kontrast, mal als liebevolles Korrektiv, mal als starke Schulter für den Herrn Professor feinsinnig herauszuarbeiten. So wie beispielsweise Angela Flohr, die Traugotts Ehefrau Marianne mit ganz viel Einfühlungsvermögen gibt, die mühelos zwischen treu sorgender Mutter, starken Rückhalt gebender Ehefrau und naiver Witze-nicht-Versteherin wechselt.

Oder auch Richard Brückl, der als gar nicht so frommer Pfarrer Riesling meistens der körperlichen Nahrung sehr zugetan ist und gar nicht merkt, wenn um ihn herum das Essen schon abgetragen wird, der den weltlichen und menschlichen Niederungen so gar nicht abhold ist und dem auch manch lateinischer Sinnspruch, mit dem ihn der Herr Professor zur Genüge bombardiert, spanisch vorkommt. Und da ist das – ja, auch das darf in dieser Komödie zum Glück nicht fehlen – junge Liebespaar: Veronika Jackermaier als Atlanta Nägler und Max-Emanuel Reisch als Ingenieur Theo Kraft.

Wie Jackermaier das schmachtende und dahinschmelzende Töchterchen gibt, ist genauso sehenswert wie die Szenen, in denen Reisch als eingeschüchterter Jüngling vor dem Schwiegervater in spe kuscht, leicht begriffsstutzig Vergleiche und Fabeln nicht versteht oder dem Herrn Professor dann doch eine Watsch‘n gibt.

Und auch in Montevideo muss man sich um beeindruckende Schauspielleistungen wahrlich keine Sorgen machen: Elisabeth Reisch, die als Belinda mit rauchiger Stimme und einem lasziven Lied nicht nur Herrn Traugott Nägler auf die falsche Fährte führt, ist von derselben hohen Qualität wie Margot Riegler, die der Madame de la Rocco Würde, Erhabenheit und Liebenswürdigkeit gleichermaßen verleiht.

Es gäbe noch viel zu loben – an Darstellungskunst oder auch an gelungenen Regieeinfällen, man könnte noch erklären, was es mit 27 Zentimeter auf sich hat, wieso ein Schiff ein Schiff sein muss, ob der Herr Professor Tango tanzen kann oder nicht, und vor allem wie die Frage „Moral oder Geld?“ beantwortet wird. Man kann die Laienbühne Freising loben, die laut ihrer Vorsitzenden Angela Flohr „die Sehnsucht nach unserer Heimat nie verloren hat“ und nach acht Jahren das Gefühl von „Da samma dahoam“ erleben darf, wie es Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher ausdrückte. Man kann aber auch das Publikum der Premierenvorstellung loben, das sich nicht an die Erziehungsmaxime von Professor Nägler hielt: „Lachen ist ungehörig.“  

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