Die Turmhöhe bereitet Bauchweh: Pläne zu „Ellbach-Quartier“ vorgestellt

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So ist der aktuelle Stand: Die alten Postgebäude sind entfernt und der Bauschutt getrennt und aufgearbeitet. Nun folgt noch der Abriss des früheren Schmederer- und Niederberger-Hauses. Dann stehen rund 4000 Quadratmeter Grundstücksfläche zur Verfügung.        © cs

In der jüngsten Tölzer Stadtratssitzung wurden die aktuellen Pläne für das „Ellbach-Quartier“ vorgestellt. Die Post soll zurückkehren, aber neu gebaut.

Bad Tölz - Zufriedene Gesichter in der Runde. Sowohl die Tölzer Stadträte als auch Investor Kristian-Nicol Worbs und sein Architekt Prof. Johannes Ernst (Büro Steidle, München) hatten sich kurz zuvor in längerer Diskussion über ein weiteres Vorgehen an der Hindenburgstraße geeinigt. Das Post-Areal heißt nun übrigens „Ellbach-Quartier“. Warum das so ist, wurde nicht recht deutlich. Der Ellbach spielt – noch jedenfalls – eine eher untergeordnete Rolle. Die Post aber kehrt nicht nur optisch in Form eines rekonstruierten Gebäudes sowie vielleicht sogar mit einer Filiale an ihren historischen Standort zurück.

Um einen begrünten Innenhof herum gruppieren sich die Baukörper, die sich im Verhältnis von etwa 60:40 Wohnungen, Gewerbe und Einzelhandel aufteilen. Es gibt noch keine fixen Zahlen. Karsten Bauer (CSU) gefiel es jedenfalls schon mal gut, dass bei den vorsichtig geschätzten 45 Wohnungen auch kleine mit 25 Quadratmetern (qm) sowie größere bis 120 qm dabei sind. Fast alle haben einen eigenen direkten Zugang, was Stadtbaumeister Florian Ernst positiv vermerkte.

Vollsortimenter könnte ein „Edeka“ sein

Nach Gesprächen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde sei es der Ansatz der Planer gewesen, die Post wieder so zu errichten, dass sie dem Original nahekommt, berichtete Architekt Ernst. „Wir nennen es kritische Rekonstruktion.“ Offen ließ er, inwieweit Zwang (so die Frage von Bauer) nach dem blitzschnell durchgezogenen Abriss Anfang April eine Rolle gespielt hatte.

Die „Post“ empfängt die Besucher von der Marktstraße her mit einer Bäckerei oder Gastro. Per Rollband oder Treppe geht es barrierefrei hinab in die Geschäftsflächen eines künftigen Vollsortimenters. Dieser könnte ein „Edeka“ sein, wie es auf den gezeigten Bildern zu lesen war.

In den Tiefen des rund 4000 Quadratmeter großen Areals verbirgt sich auch die Tiefgarage mit etwa 220 Stellplätzen. Die Zufahrt erfolgt – eine alte Idee – sowohl für den Lieferverkehr als auch die Parkplatzsuchenden von der Nockhergasse her, also zwischen Niederberger- und Harrer-Haus.

Im hinteren Teil werden über den Hof die dreistöckigen Wohnungs-Gebäudeteile erschlossen, die auch ein Satteldach tragen. Ein Spielplatz ist vorgesehen. Beim Nutzungs-Mix können sich die Bauherren vielleicht auch eine kleine Kindertagesstätte vorstellen.

Wer von der Marktstraße kommt, den erwartet ein beinahe vertrautes Bild. Das rekonstruierte Postgebäude mit Arkadeneingang. Dahinter der sogenannte Turm.  
Wer von der Marktstraße kommt, den erwartet ein beinahe vertrautes Bild. Das rekonstruierte Postgebäude mit Arkadeneingang. Dahinter der sogenannte Turm.   © Visualisierung: Steidle Architekten

Ein Knackpunkt stellt der sogenannte Turm (Wohnungen, Büros, Praxen) dar, der das Post-Areal zum Ellbach hin abschließt. Er ist fünfstöckig und besitzt ein Flachdach, das begrünt ist und Photovoltaik ermöglicht. 17,40 Meter Firsthöhe von der Ellbachseite her empfand René Mühlberger (CSU) schon als „mutig und sehr beherrschend“.

Unstimmigkeiten unter Gemeinderäten, was Turmhöhe betrifft

Christof Botzenhart (CSU) fühlte sich – nicht positiv gemeint – an Geretsried erinnert und warnte, „dass die Höhe des Turm die Maßstäblichkeit der Innenstadt verletzt. Damit begehen wir für unser Stadtbild einen großen Fehler.“ Er persönlich könne gut damit leben, wenn das Zugeständnis eines niedrigeren Turms durch mehr lukrative Wohnflächen ausgeglichen werde.

Gabriele Frei (CSU) fürchtete einen „Präzedenzfall“. Moritz Saumweber (Grüne) schlug vor, dass der oberste Stock nicht als Vollgeschoß ausgebaut wird. Eine Rooftop-Bar mit Dachterrasse würde dort auch jüngere Klientel ansprechen. Kein Problem hatte Christine Brandl (CSU) mit dem Turm. „Wir müssen künftig beim Bauen sowieso mehr in die Höhe gehen, um Flächen zu sparen.“ Auch Peter von der Wippel (FWG) wollte sich angesichts der „enormen Aufwertung für das Quartier“ nicht gegen den Fünfstöcker sperren. „Das ist ein modernes und prägnantes Gebäude. Das passt da hin.“ Matthias Winter (CSU) hatte nichts gegen die Höhe. Ihm missfiel eher, dass der Turm die kleine grüne Aufenthaltsfläche am Ellbach immer noch ziemlich beschattet. Der Investor hatte nach der ersten Vorstellung seiner Pläne bei der Stadtratsklausur in Landshut die zum Ellbach vorkragenden Balkone zurückgezogen und auch um zwei Stockwerke reduziert.

So präsentiert sich das Post-Areal oder Ellbach-Quartier von Nordosten her mit dem fünfstöckigen Turm. Für den derzeitigen Kreuzungsbereich ist ein Kreisverkehr in Planung sowie am Ellbach Sitzstufen und eine kleine Grünanlage.
So präsentiert sich das Post-Areal von Nordosten her mit dem fünfstöckigen Turm. Für den Kreuzungsbereich ist ein Kreisverkehr in Planung. © Fotos: cs/Visualisierung: Steidle Architekten

Julia Dostthaler (CSU) wollte vom Architekten wissen, ob denn hier nicht eine Art Denkmal-Ensembleschutz bestehe. Das sei schon bei der Denkmalschutzbehörde letzte Woche thematisiert worden, sagte Prof. Ernst. „Sie waren jedenfalls nicht gleich dagegen.“ Er brach eine Lanze für den lang und gut überlegten städtebaulichen Turmakzent, den er im räumlichen Zusammenspiel mit dem – künftigen – Kreisverkehr und dem früheren Fernmeldeamt als städtebaulich angemessen ansah. Er nehme aber die Bedenken der Turmkritiker sehr ernst.

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Kristian-Nicol Worbs versuchte es mit einer sehr anschaulichen Erklärung. „Schauen Sie mich an. Ich bin 1,93 Meter groß und wiege 100 Kilo. Wie würde ich wohl ausschauen, wenn ich 20 Zentimeter kleiner wäre?“

Richard Hoch (Grüne) wollte zwar ebenfalls nicht, dass man vom Kalvarienberg den Turm als städtebauliche Dominante sieht. „Das müssen schon die Kirchen, die Franzmühle und der Khannturm bleiben.“ Er freute sich aber, dass mit dem Projekt „was vorwärtsgeht“, wie er sagte.

Turm-Frage wird zu späterem Zeitpunkt beantwortet

Michael Lindmair (FWG) traf seine Abwägung auch zugunsten des Turms: „Wir kriegen Wohnen, Arbeitsplätze und Versorgung in der Innenstadt und dazu eine Tiefgarage.“

Ulrike Bomhard (FWG) machte sich zum Sprecher des Historischen Vereins. Früher sei doch am Ellbach eine Mühle gewesen. Könne man mit einem Mühlrad nicht die Aufenthaltsqualität am Bach, wo auch Sitzstufen geplant sind, steigern? Das Thema fand Prof. Ernst „interessant“: „Wir forschen mal nach.“

Beschlossen wurde schließlich einmütig, dass der Bauträger seine Planungen aufgrund der genannte Eckdaten fortführen solle. Und zwar in enger Abstimmung mit der Verwaltung. Ausdrücklich wurde aber im Protokoll festgehalten, dass die Turmhöhe zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Planungsprozess fortgeschritten ist, nochmals diskutiert wird. Diesen Kompromiss hatte Bürgermeister Ingo Mehner den sieben Turm-Kritikern Botzenhart, Dostthaler, Mühlberger, Frei, Bomhard, Gundermann und Saumweber vorgeschlagen. (Christoph Schnitzer)

Kommentar

Die Dankesbekundungen der Stadträte an die Unternehmerfamilie Worbs für deren Engagement am Post-Areal wollten kein Ende nehmen. Sie zeigen erst, wie tief der Frust der Politiker über die jahrzehntelange Ohnmacht gegenüber einem an seinen Immobilien geradezu schändlich uninteressierten früheren Eigentümer Hermann Elmering gesessen haben muss. Nun tut sich was, und das ist positiv. Für allzu viel Beflissenheit ist aber kein Grund: Die Familie Worbs ist kein städtebaulicher Heilsbringer. Sie hat unternehmerische Interessen und will mit einem Mix an Wohnungen, Arbeitsplätzen und Gewerbe zunächst mal Geld verdienen. Die viel gelobte Zusammenarbeit des Investors mit der Stadt ist letztlich taktisch klug. So erreicht man mehr.

Zur Turm-Frage: Die Bewahrer der Altstadtsilhouette sorgen sich nicht ohne Grund. Kristian-Nicol Worbs und sein Architekt Prof. Johannes Ernst haben aber wohl Recht: Stutzt man ihn weiter, wirkt der Unterbau umso klobiger und unansehnlicher. Und sie liegen richtig, wenn sie auf das selten hässliche frühere Fernmeldeamt auf der anderen Seite des künftigen Kreisels Bezug nehmen und die Frage in den Raum stellen: „Was wollt Ihr eigentlich? Schlimmer kann’s mit uns nicht werden.“ Da wartet noch eine Menge Arbeit auf die Planer. (Christoph Schnitzer)

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