„Kids to life“: Sie bringen seit 20 Jahren Kinderherzen zum Leuchten
Vor 20 Jahren hat Anton Schrobenhauser die Stiftung „Kids to life“ gegründet. Nach seinem Tod führt ein Trio sie weiter - ganz im Sinne des Gründers.
Unterhaching – Kindern helfen, denen es beileibe nicht so gut geht wie ihm: Das war der Antrieb von Anton Schrobenhauser, als er 2003 die Stiftung „Kids to life“ initiierte. Bauunternehmer, CSU-Gemeinderat, Interims-Trainer der SpVgg Unterhaching – Anton Schrobenhauser war in vielen Bereichen agil. Aber kaum etwas bereitete ihm so viel Freude wie die Arbeit mit sozial benachteiligten Kindern. Am 7. Januar 2022 ist der Unterhachinger im Alter von nur 66 Jahren unerwartet gestorben. Über den Tod hinaus lebt seine Stiftung aber weiter und ist heuer 20 Jahre alt geworden. Weitergeführt werden die Visionen des Stiftungsgründers von seiner Frau und Witwe Stefanie Schrobenhauser (58), von seinem gleichnamigen Sohn Anton Schrobenhauser (44) und von Aynur Gündüz (44), die seit über zehn Jahren die Stiftung leitet. Mit dem Trio hat der Münchner Merkur im Interview auf dem Stiftungsgelände über 20 Jahre „Kids to life“ gesprochen.
Wie fing 2003 alles an mit „Kids to life“?
Stefanie Schrobenhauser: Der Leitspruch meines Mannes lautete: „Man muss im Leben immer etwas zurückgeben“. Zusammen mit Schwester Gabriele, damals Leiterin des Clemens-Maria-Kinderheims in Putzbrunn, entstand damals die Idee zur Gründung der Stiftung. Der erste Ansatz war: Die Kinder sollten aufschreiben oder aufzeichnen, was ihre größten Wünsche sind. Rutschbahn, Hund, Katze – mein Mann hat die ganzen Wunschzettel eingesammelt. Das war der Anstoß: Die Kinder brauchen ein Gelände, das nicht öffentlich ist – einen Ort, wo sie für sich sein können.

Woher kam dieses Faible, Kinder zu fördern?
Stefanie Schrobenhauser: Kinder waren immer seine große Leidenschaft. Viele Kinder haben wenig oder nichts, denen wollte er etwas Gutes tun.
Ein Kontrast zum Beruf als Bauunternehmer?
Stefanie Schrobenhauser: Ja, dort war er ein knallharter Geschäftsmann – aber im tiefsten Innern war er immer ein Kind. Das schlummerte in ihm, und das hat er immer gelebt. Die Kinder haben ihn geliebt! Er war so greifbar, hat mit den Kindern gebastelt, sie auf positive Art gefordert. Lagerfeuer, Würstlbraten – alles, was ein Kinderherz zum Leuchten bringt: So war er.
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Das sind jetzt, nach seinem Tod im Januar 2022, große Fußstapfen, in die Sie treten.
Stefanie Schrobenhauser: Ich habe die Stiftung mit ihm mitgelebt – aber er war immer der Anführer. Sein Vermächtnis, das ist rund 17 Jahre her, wir waren auf Reisen und saßen irgendwo im Flieger: Da nahm er mir das Versprechen ab: „Du machst einmal die Stiftung weiter“.

Fällt das Ihnen schwer?
Stefanie Schrobenhauser: Ich bin nicht so wahnsinnig kreativ wie er. Aus nichts hat er irgendwas gemacht – er hatte ein Holzstück in der Hand und meinte, daraus schnitzen wir was oder bauen ein Vogelhäuserl. Wenn er unterwegs war, hat er alles Mögliche aufgesammelt; Blätter, Stöcke, Steine – und er hat daraus, für mich unvorstellbar, immer irgendetwas Ansehnliches geschaffen. Es gab immer einen Wow-Effekt! Er war unfassbar kreativ. Anton Schrobenhauser jun.: Diese Visionen, wie mein Vater immer das große Ganze gesehen hat – das war beeindruckend.
Das große Ganze: Was heißt das?
Aynur Gündüz: Ich bin seit zehn Jahren dabei und identifiziere mich total mit der Stiftung. Herr Schrobenhauser hat mich sehr inspiriert – und mittlerweile wächst die Stiftung, wir werden qualitativ besser mit unseren pädagogischen Angeboten, aber auch bei Sozialkompetenz-Trainings. Wir bieten viele Workshops an, wenn es darum geht, Grenzen zu achten und bei sexualisierter Gewalt ein Bewusstsein zu entwickeln, nicht nur bei Mädchen. Wir denken ganzheitlich und sind auf sehr vielen Feldern tätig.
Anfangs lag der Fokus auf Kinderheimen, 20 Jahre später ist die Stiftung breiter aufgestellt?
Aynur Gündüz: Von der Zielgruppe her gehen wir momentan auf Mittelschulen, weil wir da Handlungsbedarf sehen, speziell in puncto Berufsorientierung. Die geht viel zu spät los und ist oft zu oberflächlich. Wir haben ein Konzept ausgearbeitet, das schon nach der fünften Klasse ansetzt, um die Kinder in Berührung kommen zu lassen mit der Berufswelt und Interessen zu wecken. Beispielsweise, wenn es auf dem Stiftungsgelände um handwerkliches Geschick geht.
Seit 2003 ist die Stiftung gewachsen und gereift. Wie stemmen Sie den Aufwand?
Aynur Gündüz: Wir arbeiten mit minimalen Ressourcen und wenigen Festangestellten, wir setzen stark auf ehrenamtliches Engagement. Das Team ist sehr klein – deshalb ist es so wichtig, dass das Team den Spirit der Stiftung fühlt und lebt.

Die Idee von Anton Schrobenhauser lebt also weiter?
Anton Schrobenhauser jun.: Wir versuchen unser Bestes. Aynur Gündüz: Chancengleichheit ist für uns das essenzielle Thema. Dabei wollen wir möglichst vielen Kindern helfen. Mangels Personal sind staatliche Einrichtungen teils am Limit – da setzen wir an und versuchen, sie beim pädagogischen Auftrag bestmöglich zu unterstützen.
Was sind nach zwei Jahrzehnten die Visionen für die Zukunft?
Stefanie Schrobenhauser: Wir wollen noch mehr Kinder herbringen und sie hier eine schöne Zeit erleben lassen – immer unter dem pädagogischen Aspekt. Den Fokus auf die Berufsorientierung an Mittelschulen wollen wir verstärken. Wir sind das ganz Jahr über ziemlich durchgebucht, der Bedarf ist immens.
Was heißt „durchgebucht“?
Aynur Gündüz: 2023 waren wir fast jeden Tag voll. Stefanie Schrobenhauser: Zwischen 4000 und 5000 Kindern waren bei uns. Aynur Gündüz: Klar könnten auch 15 000 Kinder aufs Gelände, aber wir haben ja einen Anspruch an die Qualität. Anton Schrobenhauser jun.: Die Kinder sollen hier ja eine gewisse Ruhe haben, die sie in den Heimen nicht finden.
Mittlerweile kommen die ersten Absolventen, die vor 20 Jahren bei „Kids to life“ waren, mit ihren Kindern zu Ihnen?
Stefanie Schrobenhauser: Das ist ein Kompliment für uns, wenn sie mit ihren eigenen Kindern kommen und denen den Ort zeigen, wo sie glücklich waren. Dass sie alles in schönster Erinnerung behalten haben, das heißt für uns: Es ist halt einfach richtig, wie der Anton es gemacht hat. Das prägt viele. Anton Schrobenhauser jun.: Wir wissen ja nicht, was aus den Kindern später geworden ist. Deshalb ist es sehr schön, wenn der ein oder andere kommt und wir eine Rückmeldung erhalten. Aynur Gündüz: Ein Mädchen studiert jetzt beispielsweise Jura, weil es sich um Familienthemen kümmern will. Wie weitreichend unsere Arbeit ist, erfahren wir oft nur durch Zufall. Stefanie Schrobenhauser: Solches Reaktionen zeigen uns: Es ist etwas Anhaltendes, unsere Arbeit hat etwas gebracht.

Die Arbeit: Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen?
Stefanie Schrobenhauser: Nehmen wir ein Vogelhäuserl – wie genau bauen wir es? Da geht es ums Konfliktmanagement; etwas, das die Kinder im Alltag nicht automatisch lernen. Miteinander reden – sie finden immer Lösungen. Aynur Gündüz: Wenn man Kindern freien Raum gibt und das Gefühl, ihre Meinung zählt was, dann entwickeln sie sich und es kommt etwas dabei heraus.
„Kids to life“ fördert mittlerweile auch internationale Projekte, zum Beispiel in Syrien und in der Türkei?
Aynur Gündüz: 2012, nach Beginn des Syrien-Kriegs, hat die internationale Hilfe begonnen. Mit Hilfspaketen haben wir Kinder in Slums unterstützt, aber auch Waisenkinder, weil wir da die Expertise haben. 2016 gründeten wir eine Schule in Syrien, die heute als Zufluchtsort für 600 Kinder dient. Und der Türkei haben wir Zentrum für circa 60 Straßenkinder eröffnet. Da geht es bei null los, dass sie was zu essen haben einmal am Tag, das ist auch eine sehr wertvolle Arbeit.
Gibt es Erweiterungspläne für das Stiftungsgelände in Unterhaching?
Anton Schrobenhauser jun.: Langsam haben wir keinen Platz mehr. Aynur Gündüz: An sich reicht das Areal. Aber der Verschleiß ist groß. Stefanie Schrobenhauser: Es wird alles halt wahnsinnig strapaziert.
Gibt oder gab es auch Negativerlebnisse?
Aynur Gündüz: Wir erleben das Gegenteil. Es gibt die schwersten Fälle unter Kindern, die sich an gar nichts halten. Wenn sie aber wissen, sie kommen aufs Kids-to-life-Gelände, dann ist das für sie wie ein heiliger Ort. Bezeichnend ist, wir haben wir fast gar keinen Vandalismus. Das liegt an der ungeheuren Wertschätzung beiderseitig.
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