SPD rüstet sich für Wahlschlacht: Erst kämpfen, dann koalieren
Die Sozialdemokraten sticheln gegen den CDU-Chef. Die Steuerreformen sollen ihn als Millionärshätschler entlarven. Merz dagegen hat als Fernziel eine Koalition.
Berlin – In der Politik gibt es vor Wahlen das beliebte Spiel, den Namen des Gegenkandidaten ja nicht in den Mund zu nehmen, um ihn nicht bekannter zu machen. Oder gar so zu tun, als falle einem der Name gerade nicht ein. Im Umgang mit Friedrich Merz wirft die SPD nun diesen Vorsatz über Bord. Mehr noch: Ab sofort spricht sie sehr viel über den Unions-Kanzlerkandidaten, nennt ihn beim Namen und seine Partei nur noch „die Merz-CDU“.
„Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung mit der Merz-CDU“, sagt SPD-Chefin Saskia Esken also, wenngleich sie am Mittag vor den Kameras nicht sonderlich erfreut aussieht. Aber sie macht klar: Ab sofort haben wir einen Hauptgegner, benennen und bekämpfen ihn. Mit ihrer Vorstandsklausur am Sonntag und Montag hat die deutsche Sozialdemokratie den Wahlkampf eingeläutet, in der Wortwahl, aber auch in den Inhalten.
Neues Steuerkonzept soll SPD von CDU abgrenzen: Scholz will Bürger entlasten
Das neue Steuerkonzept, das der Parteivorstand zumindest vage beschlossen hat, soll in erster Linie die SPD von der CDU abgrenzen und als Hilfe im Wahlkampf 2025 dienen. Es erneuert einen Plan, mit dem Kanzlerkandidat Olaf Scholz schon 2021 fast wortgleich in die Schlacht zog: 95 Prozent der Steuerzahler sollen entlastet werden, das oberste eine Prozent soll mehr zahlen.

Details nennt Esken auch auf vielfache Nachfragen nicht, deutet nur an: Die Grenze, ab der der Reichensteuersatz greift (250 731 Euro) soll verändert werden, die Höhe (45 Prozent) steigen. Ab 15.000 Euro pro Monat soll es teurer werden, heißt es in der SPD. Außerdem kommt eine Vermögenssteuer wieder auf die Tagesordnung. Details folgen im „Regierungsprogramm“ in den nächsten Monaten.
Merz als Schutzpatron der Reichen: SPD will Vermögen des CDU-Chefs im Bundestagswahlkampf nutzen
Die Idee dahinter ist, Merz, der solche Pläne ablehnt, als Schutzpatron der Reichen zu brandmarken; die Stichworte Privatjet und Blackrock fallen gewiss bald. Tatsächlich lehnt die Union solche Vorhaben strikt ab, allerdings mit anderen Argumenten: Die „Reichensteuer“ betrifft viele Selbstständige und Unternehmen. Merz warnt in der ARD, das treffe dann „mittelständische Unternehmer, Handwerksbetriebe“, „das sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft“ – er sei „schockiert“.
Chancen auf Umsetzung hat die SPD vorerst nicht. In der Ampel stellt sich die FDP klar gegen solche Pläne. Entlastung ja, „aber nicht auf Kosten von Fachkräften und Mittelstand“, sagt Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Sein für Esken inakzeptables Angebot zur Gegenfinanzierung: Lasst uns das Bürgergeld kürzen und die Migration eindämmen.
Strategiewechsel bei SPD: Wahlkampf soll sich auf Merz-Attacke fokussieren
Die SPD dürfte sich ihren Strategiewechsel hin zur Merz-Attacke gut überlegt haben. Einer ihrer wichtigsten Berater wurde nicht zufällig bei der Vorstandsklausur gesehen: Raphael Brinkert, der mit seiner Agentur den letzten Wahlkampf orchestrierte und vom „Spiegel“ zum „Scholzmacher“ getauft wurde. Ziel ist, den Kampf möglichst zu personalisieren. Merz hat nur mäßige Beliebtheitswerte, nur 26 Prozent trauen ihm laut ARD-Deutschlandtrend zu, ein „guter Bundeskanzler“ zu sein.
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Merz könnte kontern mit Scholz‘ Werten, über den nur 22 Prozent positiv urteilen. Vorerst hält sich die CDU aber zurück, gibt sich gelassen. Merz schickt seinen Vertrauten Thorsten Frei vor mit der Botschaft, die Sozialdemokraten hätten offensichtlich wenig inhaltliche Punkte, sonst „würden sie nicht diesen Wahlkampf unterhalb der Gürtellinie versuchen und vor allen Dingen auf die Person Merz zielen“. Der Steuervorschlag komme eh „aus der politischen Mottenkiste“.
Ab und zu hat Merz auch schon die persönliche Auseinandersetzung mit Scholz gesucht. „Sie können es nicht“, rief er ihm im September in der Generaldebatte im Bundestag zu. Strategisch kann er sich aber zumindest von der gesamten SPD derzeit nicht mit aller Macht abgrenzen. Für die Union sind die Sozialdemokraten, wenn man die Grünen weiterhin scharf ablehnt, der einzige mögliche Koalitionspartner nach der Wahl 2025. Und das vielleicht schon viel früher, bei einem Ampel-Platzen im November würde es wohl schon Anfang März Neuwahlen geben.