Klinik-Vorstand kritisiert Krankenhausreform: „Keiner weiß, wo das Gesetz hinführt“
Die Ampelregierung hat die Krankenhausreform beschlossen. Während der Grünen-Abgeordnete im Landkreis das Gesetz lobt, kritisieren CSU und Krankenhaus-Vorstand das Vorhaben.
Landkreis – Die einen halten es für einen Meilenstein in der Gesundheitspolitik, andere befürchten eine Bedrohung der medizinischen Versorgung: Der Bundestag hat am Donnerstag die Krankenhausreform verabschiedet. Die Verantwortlichen des in kommunaler Hand befindlichen Krankenhauses in Agatharied sehen das Gesetz kritisch.
Klinik-Vorstand sieht medizinische Versorgung gefährdet
„Ich finde es schlimm, dass dies gestern durch den Bundestag gegangen ist“, teilt Klinik-Vorstand Benjamin Bartholdt auf Nachfrage mit. Er befürchtet, dass das Gesetz mehr Bürokratie für die Krankenhäuser bedeutet und die Versorgung auf dem Land gefährdet. Welche konkreten Auswirkungen die Krankenhausreform haben wird, kann er nicht abschätzen: „Insgesamt für Deutschland weiß keiner, wo das Gesetz hinführt, da es keine Auswirkungsanalyse gibt“, heißt es in seiner Stellungnahme. Bartholdt zeigte sich bereits in der Vergangenheit schockiert von den Plänen des Gesundheitsministers.
Auch für den Landkreis erwartet sich der Vorstand davon wenig: „Für unser Krankenhaus Agatharied wird das Gesetz auch keinerlei finanzielle Entlastung bringen, weil unser Krankenhaus genau wie alle anderen Kliniken in Deutschland unter der gestiegenen Inflation seit mittlerweile zwei Jahren leidet, wir keinerlei Inflationsausgleich bekommen haben und den gestiegenen Kosten nur unterproportional gestiegene Preise entgegenstehen.“
Karl Bär sieht Reform als Notbremse
Anders sieht das Grünen-Abgeordneter Karl Bär. Das beschlossene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) stelle die Weichen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung in Deutschland, teilt der Bundestagsabgeordnete aus Holzkirchen mit. Die deutschen Krankenhäuser seien finanziell ausgeblutet, mit den falschen Anreizen gefesselt und hätten zu wenig Personal. „Ohne diese Reform riskieren wir das unkontrollierte Sterben vor allem kleinerer, unverzichtbarer Krankenhäuser.“ Bär sieht die Reform als Notbremse, „die das Krankenhauswesen vor dem Kollaps bewahrt“.
Die Reform sieht unter anderem vor, dass die Kliniken statt einer Fallpauschale künftig eine Fix-Vergütung erhalten. 60 Prozent des Geldes soll über sogenannte Vorhaltepauschalen fließen, bei denen Krankenhäuser dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte Leistungen anbieten. Dafür sollen die Krankenhäuser in Leistungsgruppen eingeteilt werden. Die Reform soll mit 50 Milliarden Euro finanziert werden.
Das Gesetz stärke die Grundfinanzierung der Krankenhäuser in ländlichen Regionen und baue wirtschaftlichen Druck ab, so die Position des Grünen-Abgeordneten. „Welche Leistungen die Kliniken in Agatharied, Bad Tölz und Wolfratshausen in Zukunft anbieten werden, liegt in den Händen der bayerischen Landesregierung.“ Landkreise würden nicht dauerhaft Millionenverluste der Krankenhäuser tragen können und müssten Investitionen in gut ausfinanzierte Sparten stemmen. „Das wäre auf Dauer auch nicht möglich und hätte ohne diese Reform zu Schließungen oder Privatisierungen geführt.“
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CSU erwartet finanzielle Wirkung erst ab 2027
CSU-Wahlkreisabgeordneter Alexander Radwan, der mit seiner Fraktion gegen die Reform gestimmt hat, befürchtet wie Bartholdt eine Gefährdung der Gesundheitsversorgung. Der Union reichen die Maßnahmen nicht aus. „Es steht zu befürchten, dass die Reform nun zu Klinik-Schließungen gerade in ländlichen Regionen führen wird“, teilt der Abgeordnete aus Rottach-Egern mit. Grund dafür sei, dass die Reform ihre finanzielle Wirkung erst ab 2027 entfaltet, bis dahin würden weitere Insolvenzen bei Kliniken drohen. Radwan kritisiert außerdem, dass die Kosten zur Hälfte die Bundesländer und Beitragszahler leisten. Dadurch würden weitere Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen drohen. Die bundesweiten Regelungen für angebotene Leistungen seien zu starr, um regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt bringe das Konzept zusätzliche Bürokratievorgaben mit sich. „Sie werden Mehraufwand für das medizinische Personal zulasten der Zeit für die Patienten mit sich bringen.“
Im November wird das Gesetz im Bundesrat behandelt. Bartholdt hofft, „dass die Nachbesserungsforderungen, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft gefordert hat, dann dort doch noch Gehör finden“. (sf)
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