Schiedsrichter im Jugendfußball im Landkreis klagen über Beleidigungen und Bedrohungen. Die Unparteiischen sind oft selbst erst Teenager.
Erding – Es gleicht einem Hilfeschrei des Bayerischen Fußballverbands (BFV), verbunden mit einer Warnung an alle Clubs. Es herrschen schlimme Zustände im Landkreis-Jugendfußball. Das wurde in der Jugendleitersitzung bekannt. Junioren-Spielleiter Willi Brambring brachte es auf den Punkt: „So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt“.
Grund sind verbale Entgleisungen gegenüber jungen Schiedsrichtern, Drohungen und Beleidigungen auf dem Platz von Trainern, Spielern, Eltern und anderen Zuschauern sowie acht rote Karten, allein in der Rückrunde. Die Beleidigungen einer 13-jährigen Schiedsrichterin bei einem U12-Spiel im April (wir berichteten) sind nur die Spitze des Eisbergs.
13-jähriger Schiri übelst angegangen
Schiedsrichter-Obmann Knut Friedrich zeigte sich entsetzt. Die Zunahme der negativen Vorfälle „kann und werde ich nicht akzeptieren“, sagte er. Schon beim Vorfall mit der jungen Schiedsrichterin sei er „fassungslos“ gewesen. „Leider gab‘s nicht nur diesen einen Vorfall“, berichtete er.
Exemplarisch las er aus einer E-Mail einer Mutter vor, die bei einem C-Jugend-Spiel dabei war. Er nannte dabei keine Vereine oder Beteiligte, sagte lediglich, dass es sich bei diesem Schiedsrichter um einen 13-jährigen Buben gehandelt habe. Jeder Pfiff sei durch Meckern der heimischen Spieler kommentiert worden.
Nach der Führung der Gastmannschaft seien die Heim-Spieler zunehmend aggressiv geworden. „Es fielen Worte wie Wichser, Hurensohn oder Bastard, um nur einige der Schimpfwörter wiederzugeben“, sagte ein aufgewühlter Friedrich. Die Mutter habe geschrieben, dass der Unparteiische vieles davon vermutlich nicht gehört habe und stets ruhig geblieben sei. Allerdings habe der Trainer der Gastgeber die Situation eher noch angeheizt als sie zu beruhigen.
„Auch als nach dem Abpfiff die Spieler den Schiedsrichter teilweise körperlich angegangen sind, fand keinerlei Maßregelung statt“, hieß es in der Mail. Der Schiri habe zu Recht eine rote Karte gezeigt und unter Tränen den Platz verlassen. „Ich habe selbst viele Jahre lang Fußball gespielt, aber so etwas habe ich noch nie erlebt und mich fremdgeschämt“, berichtete die Mutter.
„Fassungslos“ über Sportgericht-Urteile
Der BFV hatte vom betroffenen Verein eine Stellungnahme angefordert. Dieser hatte darin versucht, die Vorwürfe abzustreiten. Die Spieler hätten nach Schlusspfiff lediglich mit dem Schiedsrichter diskutieren wollen. „Mittlerweile heißt bei uns Diskutieren, dass man sich lautstark anschreit, jemanden bedrängt und einen Pulk um einen 13-Jährigen bildet“, so ein erboster Schiedsrichter-Obmann.
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Zudem habe der Trainer versucht, den Unparteiischen einzuschüchtern, bevor er die rote Karte zeigte. Spieler hätten dem Referee noch mit auf den Weg gegeben: „Wenn ich dich das nächste Mal sehe, dann schlage ich dich zusammen“, berichtete Friedrich. Nach Angaben des Vereins habe der Spieler gesagt: „Überlege dir, ob du wieder pfeifst.“
„Da kann sich jeder seine eigene Meinung bilden, ob das ähnlich klingt oder ob das eine Schutzbehauptung des Vereins ist“, sagte Friedrich. Zu allem Überfluss forderte der Verein, die rote Karte müsse zurückgenommen werden.
Der Junioren-Spielleiter übte in diesem Zusammenhang auch Kritik am Sportgericht: „Ich habe einige Urteile gesehen, wo ich einfach nur fassungslos war.“ Beim Vorfall mit der weiblichen Schiedsrichterin, als der Vorsitzende des Vereins vor Ort gewesen sei und nicht eingegriffen habe, sei die Strafe „noch nicht einmal dreistellig“ gewesen, beklagte er. „Wo ist da die abschreckende Wirkung?“, fragte Friedrich. „Zwölf- oder 13-jährige Kinder, die in der Entwicklung sind, müssen wir schützen.“
Im Publikum fehlt es an Zivilcourage
Brambring sprang ihm zur Seite. „Es ist unglaublich, was da bei einigen Trainern abgeht“, so der Spielleiter. Er glaube, dass die Dunkelziffer hoch sei. Brambring beklagte gerade im Fall der Schiedsrichterin fehlende Zivilcourage. „Warum ist da niemand fähig, mal hinzugehen und zu sagen, ‚halt doch mal die Schnauze‘?“, fragte Brambring.
Er berichtete außerdem von einem Vorfall bei einem Jugendspiel in Lengdorf, bei dem es sportlich um nichts mehr gegangen sei. Florian Neubert habe die Partie geleitet. Er habe dem Co-Trainer Altenerdings im Spiel die gelbe Karte gezeigt, sonst sei nichts vorgefallen. Brambring habe Neubert noch privat zum Auto begleitet.
Plötzlich sei der Co-Trainer aus dem Auto gesprungen und „wollte dem Neubert an die Wäsche gehen“. Zum Glück seien fünf oder sechs Spieler Altenerdings vom Duschen gekommen und hätten ihn zurückgehalten. Die SpVgg habe sich einen Tag später von dem Co-Trainer getrennt.
In diesem Zusammenhang forderte Andreas Heilmaier von der SpVgg Altenerding: „Es wäre gut, wenn man dann auch mal eine Funktionssperre ausspricht. Wir mussten die Strafe bezahlen, und der Trainer hat drei Wochen später den Verein gewechselt. Für ihn war das folgenlos.“
„Ich hoffe, dass ich so etwas wie in der Rückrunde nicht noch einmal erlebe. Wirkt ein bisschen auf eure Trainer ein, die sollen etwas vom Gas gehen“, sagte Brambring abschließend.