Kritik am Macht-Manager für Merz: Torsten Frei fehlt bei Regierungs-Spitzentreff
Der Kanzleramtschef soll die Koalition durch den innenpolitischen Alltag führen. Jetzt gerät der CDU-Minister in die Kritik: Kommuniziert er intern genug?
Berlin – Thorsten Frei (CDU) tritt ans Rednerpult und startet mit einem Scherz. „Ich hätte noch eine Terminalternative gehabt, aber garantiert keine so schöne“, sagt er. Das Publikum fühlt sich geschmeichelt, jeder weiß: Die „Alternative“ wäre eigentlich ein unverzichtbarer Pflichttermin gewesen für ihn. Mittwochabend (2. Juli) vergangene Woche in den Donauhallen in Donaueschingen: Der Kanzleramtschef tritt vor 1.000 Kunden der örtlichen Sparkasse auf. Und schwänzt dafür die Sitzung des Koalitionsausschusses in Berlin.
Statt Kanzler und Koalitionsausschuss: Frei entscheidet sich für Termin in der Heimat
Terminkonflikte sind Alltag für Spitzenpolitiker. Eine wichtige Besprechung in Berlin oder eine monatelang versprochene Rede im Heimatwahlkreis abzusagen, ist oft die härteste Abwägung; vor allem für einen wie Frei, der im Südwesten tief verwurzelt ist, mit Frau und drei Kindern in Donaueschingen lebt – aber wohl der Abgeordnete mit der weitesten Anreise nach Berlin ist. Nun entschied sich der CDU-Minister für die Sparkasse Schwarzwald-Baar – gegen Kanzler und Koalitionsausschuss. Und halb Berlin staunt, raunt, mault: War das ein Fehler?
Formal war alles in Ordnung. Frei hatte sich offiziell bei Kanzler Friedrich Merz abgemeldet. Vielleicht unterschätzte er aber die Gefährlichkeit dieser Absenz. Denn der Koalitionsausschuss beriet fünf Stunden lang kontrovers über mehrere Milliardenprojekte, darunter die Entlastung bei der Stromsteuer. Da war Schwarz-Rot in seinen ersten lauten Konflikt gerutscht. Manche sagen hinter vorgehaltener Hand: wegen Frei.
Auch wenn es keiner in die Mikrofone posaunt, wird dem Kanzleramtschef angelastet, er habe versäumt, die Ministerpräsidenten von CDU und CSU in den Plan einzuweihen, die Stromsteuer vorerst nicht für Privatleute zu senken. Unter anderem der Bayer Markus Söder (CSU) fand das nicht lustig. Frei saß in Donaueschingen zwar, solange er nicht am Pult stand, mit dem Handy in der Hand auf dem Stuhl, konnte aber nicht mehr in die Sitzung eingreifen. „Das ist kommunikativ nicht gut gelungen“, räumte er später gegenüber der SZ in Sachen Stromsteuer-Debatte ein.
Extrem mächtig, aber unsichtbar: Während Merz von Termin zu Termin jagt, organisiert Frei im Hintergrund
Kritiker werfen dem 51-Jährigen vor, das hänge vielleicht auch mit seinem Amtsverständnis zusammen. Kanzleramtsminister gelten in Berlin meist als extrem mächtig, aber unsichtbar. Während ihre Kanzler von einem öffentlichen Termin zum nächsten jagen, sind sie die Organisatoren im Hintergrund. Das war schon so bei einem gewissen Frank-Walter Steinmeier (1999-2005), der für Gerhard Schröder die „Agenda 2010“ organisierte. Medien nannten ihn ehrfurchtsvoll den „Kanzler-Flüsterer“. In die Öffentlichkeit rückte er erst später. Das Gleiche galt für Thomas de Maizière, Ronald Pofalla, Peter Altmaier und Helge Braun, die alle still, loyal und fleißig Angela Merkel dienten.
Das ist kommunikativ nicht gut gelungen.
Frei kennt das Prinzip. Als junger Jurist begann er seine Karriere im Stuttgarter Staatsministerium, dem Pendant zum Kanzleramt auf Landesebene. Und trotzdem ist er der Erste, der dieses Amt ganz anders interpretiert, mehr sein mag als ein Flüsterer. Er gibt weiter fleißig Interviews, geht auch ab und zu in die Talkshows. „Premium-Regierungssprecher“ nennt ihn der Politico-Newsletter. Die relevanten Journalisten in Berlin kennt er alle bestens – in den letzten Jahren als Fraktionsmanager lud Frei die Hauptstadtpresse fast jede Woche einmal zum Frühstück ein. Sein Ziel: plaudern und einordnen.
Frei sorgt in der CDU für Murren: Geht die Außendarstellung des Kanzleramtschefs zu weit?
Geht die Freude an der Außendarstellung zu weit? In der CDU gibt es leises Murren über Frei. Mehrere Ministerpräsidenten taten ihre Verärgerung kund, richteten sie aber offiziell auf die SPD. Auch die SPD hat einen Strippenzieher hinter den Kulissen: Björn Böhning, offiziell Staatssekretär im Finanzministerium von Vizekanzler Lars Klingbeil, ist das Gegenstück zu Frei. Doch seit der 47-Jährige Anfang Mai sein Amt antrat, hat die Öffentlichkeit von ihm wenig bis nichts mitbekommen.

Merz selbst zweifelt bisher wohl noch nicht an Frei. Sie sind keine alten Kumpels, arbeiten aber eng zusammen, seit Merz 2021 wieder in den Bundestag einzog und 2022 die Fraktionsführung übernahm. Frei fungierte als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. „Wirklich verlässlich und mittlerweile ein echter Freund“ sei Frei, sagte Merz in einem SWR-Porträt. In der Unionsfraktion tuschelt man aber, die meiste interne Arbeit habe der Kollege Patrick Schnieder gemacht, der heutige Verkehrsminister. Frei sei mehr für die Außendarstellung zuständig gewesen.