Wehrpflicht nach schwedischem Modell: Musterung soll 2027 starten
Zum umstrittenen Pflichtdienst hat Pistorius jetzt einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt. Er will die Musterung wieder einführen – aber nicht für jeden.
Berlin – Es dürfte einer der spannendsten Stichtage für viele Familien sein: Alle Jugendlichen, die nach dem 31. Dezember 2007 geboren sind, sollen künftig Post vom Bund bekommen und vielleicht die Aufforderung, zum Mustern anzutreten. Das geht aus dem Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur neuen Wehrpflicht hervor, der dem Spiegel vorliegt. Der Minister hat einen mehrstufigen Plan, wie die kaputtgeschrumpfte Bundeswehr mit jungen Leuten wieder aufgestockt werden kann.
Pistorius plant schwedischen Weg bei Wehrpflicht: Ab 2027 könnten Strukturen für Musterungen stehen
Das gut 50-seitige Dokument von Pistorius beschreibt im Wesentlichen den schwedischen Weg. Es gibt also einen Fragebogen, den alle Männer digital beantworten müssen (Frauen sollen, aber müssen nicht antworten, das gibt das Grundgesetz nicht her). Fragen beinhalten Gewicht, Größe, Gesundheit und Schulabschlüsse.
Auch das „Interesse an einem Wehrdienst“ wird laut Spiegel abgefragt. Bis zu 300.000 junge Männer sollen pro Jahr davon betroffen sein. Ein Teil davon, der für den Dienst infrage kommt, soll gemustert (also untersucht) werden. Die Strukturen dafür müssen aber erst wieder aufgebaut werden, das dauert bis weit ins Jahr 2027 hinein.
Die Wehrpflicht soll finanziell viel attraktiver werden. Der Sold für die „Soldaten auf Zeit“ soll um satte 80 Prozent steigen auf dann gut 2.000 Euro netto. Die Dauer ist noch nicht festgelegt, das Magazin schreibt von sechs Monaten. Wer will, kann monatsweise auf bis zu elf Monate verlängern. Ende August, wenn in Berlin die Sommerpause endet, geht Pistorius‘ Entwurf ins Kabinett, zumindest ist das der Plan. Später kann der Bundestag das Gesetz beraten und beschließen, der neue Wehrdienst könnte dann Anfang 2026 anlaufen.
Brisantes Vorhaben: Pistorius will regeln, wann die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder voll in Kraft tritt
Brisant ist auch, dass der Verteidigungsminister mit dem Gesetz neu regeln will, wann die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht voll wieder in Kraft tritt. Bisher braucht es dazu offiziell den „Spannungs- oder Konfliktfall“ in Deutschland. Pistorius will das so umbauen, dass einberufen werden kann, wenn die verteidigungspolitische Lage „einen kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“. Das geht schneller. Parallel soll in dieser Situation auch ein Zivildienst greifen, es kann also auch der Griff zur Waffe verweigert werden.
Es kann keine Denk- und Sprech- und Entscheidungsverbote geben über das Thema Wehrpflicht. Die Frage Ja oder Nein einer Wehrpflicht wird uns von außen aufgezwungen.
Ob das schwedische Modell wirklich substanziell etwas an Personalaufwuchs bringt, ist politisch umstritten. Pistorius selbst wäre wohl gern weitergegangen, in der SPD gibt es dafür aber keine Mehrheit. Der SPD-Parteitag hatte vor einer guten Woche die Forderung nach einer Freiwilligkeit des Wehrdienstes bekräftigt. Die Sozialdemokraten hatten sich dabei gegen eine „aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger“ ausgesprochen, „bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind“.
Söder gegen schwedisches Modell bei Wehrpflicht: Fragenbögen sind für CSU-Chef zu wenig
Auch die CSU ruft offen nach einer Wehrpflicht, in der Partei kursieren aber unterschiedliche Ideen von Pflichtdienst bis zu Gesellschaftsjahr. CSU-Chef Markus Söder betonte unlängst: „Es kann keine Denk- und Sprech- und Entscheidungsverbote geben über das Thema Wehrpflicht. Die Frage Ja oder Nein einer Wehrpflicht wird uns von außen aufgezwungen.“ Er sei „für die Wehrpflicht und nicht nur für einige Fragebögen, die verschickt werden“.
In Umfragen gibt es in der Bevölkerung meist eine Mehrheit für eine Wehrpflicht – je älter die Befragten, desto klarer. Drei von vier Deutschen sprechen sich laut ARD-Deutschlandtrend dafür aus. 55 Prozent befürworten dabei einen Wehr- und Zivildienst für Frauen und Männer gleichermaßen.