„Feuerwerk-Show“: Ukraine lässt Putins seltenen Flammenwerfer in Rauch aufgehen
Russland verliert eine weitere ihrer stärksten Waffen – die Ukraine schießt sich darauf ein. Mittlerweile wird mehr improvisiert. Nordkorea hilft aus.
Saporischschja – „Nach einem hellen ‚Feuerwerk‘ verschwanden die Besatzung und das System“, gab der Sicherheitsdienst der Ukraine (SSU) bekannt – wie die Ukrainska Prawda jetzt veröffentlicht hat, steckt hinter dieser Feuerwerk-Show die Neutralisierung einer der fürchterlichsten Waffen, mit der Russlands Diktator Wladimir Putin die Ukraine überzieht: Das russische Mehrrohr-Raketenstartsystem TOS-1A Solntsepyok („Sonnenglut“). Mittels einer Drohne hat sich die Ukraine nahe Saporischschja jetzt erfolgreich gewehrt – allerdings droht Russland weiterhin mit Abschussrampen für thermobare Munition; eine weiter entwickelte Version ist gerade vorgestellt worden und gelangt vielleicht sogar noch an die Front im Ukraine-Krieg.
Rund 30 TOS-Systeme Russlands sind inzwischen vernichtet, berichtet das Statistik-Portal Oryx. Auf atemberaubende Weise sind die als „schwere Flammenwerfer“ klassifizierten Gefechtsfahrzeuge schon mehrfach während des Konflikts explodiert. Das Magazin The War Zone (TWZ) berichtet auch von Videos spektakulär gesprengter TOS-Fahrzeuge aus Syrien und aus Kämpfen um die Region Berg-Karabach zwischen Aserbaidschan und Armenien. Das System ist mobil, allerdings relativ plump und langsam, wie der Spiegel geurteilt hat; insofern scheinbar auch ein leichtes Ziel für Drohnen, da kaum passiver Schutz vorhanden ist.
Russlands unerbittlicher Vormarsch: Die Waffe entfacht ein wahres Höllenfeuer
„Die Raketen des TOS-1A machen das System außerdem anfällig für katastrophale Detonationen, wenn sie im geladenen Zustand getroffen werden. Das bedeutet auch, dass sie interessante Ziele sind, die bei einer Sekundärexplosion alles in der Nähe erheblich beschädigen können“, schreibt TWZ. Die neueste Version dieses kettengetriebenen Mehrfach-Raketenwerfers besitzt deshalb serienmäßig einen Käfig über dem Abschuss-Container.
„Da die Verluste an speziell angefertigten Kampffahrzeugen in der Ukraine 16.000 überschreiten, hat das russische Militär Mühe, genügend Ersatzfahrzeuge zu bauen oder aus der Langzeitlagerung zu holen.“
„Die Waffe entfacht ein wahres Höllenfeuer“, wie das Magazin Armyrecognition schreibt: Durch die hochpräzise Berechnung des Abschusswinkels für die ungelenkten Raketen würden Ziele des Aufprallpunkts im Gebiet so berechnet, dass ein Ziel bei einer maximalen Reichweite von sechs Kilometern innerhalb von sechs Sekunden voller Salvendauer dicht abgedeckt werden könne. So würden aktive Aktionen eines Gegners über sehr lange Zeit unterdrückt und jegliches Leben innerhalb eines Gebietes von vier Hektar hundertprozentig vernichtet werden.
Putins gnadenlose Doktrin: Offensive mit Munition, die zwei Mal tötet
International ist dieses System geächtet, weil sie ungezielt auf eine breitere Fläche als konventionelle Sprengstoffe wirkt – zivile Infrastruktur eingeschlossen. „Natürlich sind alle Waffen furchtbar, aber bei einer Kugel oder einer Fragmentierung, wie bei Sprengstoffen, hat man zumindest die Möglichkeit, sie medizinisch zu behandeln“, hatte der Völkerrechtsexperte Ben Saul von der Universität Sydney dem australischen Fernsehsender ABC zum Einsatz von Aerosol- beziehungsweise Vakuumbomben berichtet diese „thermobaren“ Raketen werden vom TOS-System verschossen.
Meine news
„Das ist eine Waffe, die, wenn sie explodiert, ihren Sprengstoff, oder ihren Brennstoff, freisetzt und einen Überdruckeffekt erzeugt, der zu einer viel größeren Detonation führt und aufgrund der Schockwelle wirklich verheerend ist“, so Jean-Marie Collin, Experte und Sprecher von Ican Frankreich, dem französischen Zweig der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, gegenüber Euronews Next. Der Unterdruck, den die Explosion erzeugt hat, saugt die zurückströmende Luft wieder an – und mit ihr die Feuerwolke der brennenden Flüssigkeit. Menschen, die die erste Druckwelle überlebt haben und im Unterdruck um Luft ringen, atmen das Feuer geradezu ein. Die thermobare Waffe tötet quasi zum zweiten Mal. Gegen sie besteht kaum Schutz.
Inklusive seines Nachladefahrzeugs kann ein einzelner TOS-Panzer innerhalb kürzester Zeit 72 Raketen abfeuern. Laut TWZ liegt die Kernaufgabe der Waffe im Aufbrechen gut verschanzter Truppen und der Unterstützung des Vormarsches eigener infanteristischer Kräfte. Insofern könnte auch in der Region Charkiw diese Waffe zum Tragen kommen, wenn Russland ohne Rücksicht auf Verluste durch die gegnerischen Reihen zu brechen beabsichtigt. Im April dieses Jahres hatte Armyrecognition auch berichtet, dass der ehemalige russische Verteidigungsminister Sergei Shoigu sogar eine Steigerung der Produktion dieses Fahrzeugtyps angekündigt hatte: Um 250 Prozent soll die Zahl der Fahrzeuge wachsen.
Neue Bedrohung der Ukraine: Der TOS-1A wird kontinuierlich nachgebessert
Im August vergangenen Jahres wurde zudem veröffentlicht, dass Russland die bisherigen TOS-Flammenwerfer mit neuen Navigationssystemen nachgerüstet würde – aus der erhöhten Zielgenauigkeit würde sich die Effizienz des Fahrzeuges steigern lassen. „Die Bediener können sich stärker auf strategische Entscheidungen konzentrieren, wodurch das Waffensystem vielseitiger und an unterschiedliche Situationen auf dem Gefechtsfeld anpassbar wird“, schreibt Armyrecognition.
Russland hat das System also während des Ukraine-Kriegs an dessen Dynamik angepasst und in verschiedenen Punkten zu einer noch gnadenloseren Terrorwaffe perfektioniert, wie das Magazin weiter berichtet. Die Reichweite der von der TOS-1A aktuell verschossenen Variante variiert zwischen sechs und zehn Kilometern. Gleichzeitig wurde die Mindestreichweite der Raketen auf 600 Meter erhöht, was auch ihre todbringende Kraft im Nahkampf erhöhen soll.
Ukraine-Krieg der Zukunft: Der „Dragon“ schießt weiter und präziser
Derzeit verfügt die russische Armee über zwei schwere Flammenwerfer-Systeme mit unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten – den auf Ketten laufenden TOS-1A Solntsepyok („Sonnenglut“) sowie den radgestützten TOS-2 Tosochka. Russlands Rüstungsindustrie entwickelt diese Projekte weiter und arbeitet an einem neuen Projekt namens TOS-3 Dragon. Dessen Charakteristika sollen in einer Schussreichweite von bis zu 15 Kilometern liegen und dazu in einer weiter erhöhten Zielgenauigkeit – berichtet wird von einer stärkeren Verlinkung mit der russischen Satellitennavigation. Der erste Prototyp soll realisiert sein, allerdings scheint die Frage des Chassis noch offen.
Der Einsatz des TOS-3 im Ukraine-Krieg ist deshalb möglich aber fraglich – zumindest auf Basis des neuen T-14-Panzers, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland schon Anfang März aufgrund russischer Quellen berichtet hat: „Russlands neuester Kampfpanzer Armata ist dem Hersteller zufolge zu kostspielig für einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine. ‚Von seiner Funktionalität her ist er den existierenden Panzern weit überlegen, aber er ist zu teuer und deswegen wird ihn die Armee jetzt wohl kaum einsetzen‘, sagte der Chef der staatlichen Rüstungsholding Rostec, Sergej Tschemesow, der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.“
Das Magazin Forbes will zudem wissen, dass die anhaltenden Verluste an TOS-Raketenwerfern den russischen Invasoren zunehmend Schwierigkeiten bereiteten: „Die russische Armee zog mit etwa 50 TOS-1 in den Krieg in der Ukraine und hat die Hälfte davon verloren“, schreibt Forbes-Autor David Axe. Zudem gingen Russland die Teile aus, um sich zu behelfen und Improvisationen zusammenzubauen. „Da die Verluste an speziell angefertigten Kampffahrzeugen in der Ukraine 16.000 überschreiten, hat das russische Militär Mühe, genügend Ersatzfahrzeuge zu bauen oder aus der Langzeitlagerung zu holen“, schreibt er.
Horrende Verluste in Russlands Reihen: Improvisationen und nordkoreanische Systeme füllen Lücken
Dieser Mangel habe dazu geführt, verstärkt auf Mehrfach-Raketenwerfer aus Nordkorea zurückzugreifen. Das Magazin Voice of America hatte im Mai berichtet, dass Pjöngjang offenbar die Entwicklung von Raketenwerferg-Geschossen beschleunige, um sie Russland für den Krieg gegen die Ukraine zur Verfügung zu stellen und sie gleichzeitig unter realen Kriegsbedingungen zu testen.
Daneben kämpft die Ukraine inzwischen auch gegen Fahrzeuge, die bei flüchtigem Hinsehen, an einen TOS-Flammenwerfer erinnern: Ein ukrainischer Drohnenpilot soll erst im letzten Moment seines Angriffes gewahr geworden sein, dass er auf ein „Frankenstein-Fahrzeug“ zielte: Ein seltenes Raketenfahrzeug, „das den Rumpf eines T-72B-Panzers aus den 1970er-Jahren mit einem ebenso alten RBU-6000-Werfer für Marine-U-Boot-Abwehrraketen kombinierte. ‚Ein Frankenstein aus russischem Traktor und Marine-Raketenwerfer‘“, wie gegenüber dem Forbes-Autor die 3. Angriffsbrigade erläuterte.
Allerdings bleibe die TOS-1A eine der zerstörerischsten Waffen der Welt, wie Armyrecognition klarstellt. Noch leistungsfähigere thermobare Munition würde das Grauen des Krieges deutlich verstärken, betont deshalb der Analyst Jean-Marie Collin: „Sie kann mit einem einzigen Schuss mehrere Häuserblocks in schwelende Trümmer verwandeln.“