Militärisch nutzbare zivile Produkte und Komponenten aus China sind zuletzt auffällig oft an der Front in Russland aufgetaucht. Jetzt zieht die Regierung in Peking Konsequenzen.
China liefert keine Waffen an Russland. Doch chinesische Produkte, die sowohl militärisch und zivil nutzbar sind, sind in den letzten Monaten vermehrt auf russischer Seite der Front im Ukraine-Krieg aufgetaucht. Diese sogenannten Dual Use-Güter sind seither zu einem der größten Kritikpunkte des Westens und der Ukraine an China geworden. Sie belasten Pekings Beziehungen zu Europa – auch wenn unklar ist, ob Peking diese Lieferungen fördert, toleriert oder schlicht nicht darauf achtet, welche Waren lokale Firmen Richtung Russland schickt. Seit Anfang Juli aber schränkt Peking diese Ausfuhren schrittweise ein.
Erst am Mittwoch weitete die Regierung die Exportbeschränkungen auf eine Reihe von Drohnen und Drohnenteilen mit potenziellen militärischen Anwendungen erneut aus. Auf eine schwarze Liste setzte Peking nach einem Bericht der South China Morning Post etwa hochpräzise Messgeräte, spezielle Radartechnologie, Drohnenmotoren mit einer Leistung von über 16 Kilowatt, sowie Teile für die drahtlose Kommunikation mit einer Reichweite von über 50 km. Konsolen, die mehr als zehn Drohnen gleichzeitig steuern können dürfen ebenso wie Drohnen-Störsender mit einer effektiven Reichweite von mehr als fünf Kilometer nicht mehr ausgeführt werden. Die Regel gilt ab dem 1. September.
China: Mehrere Behörden schränken Dual Use-Exporte in den Ukraine-Krieg ein
Zwar hoben die Behörden zugleich ein früheres Ausfuhrverbot für rein zivil nutzbare Drohnen auf. Doch das Handelsministerium bekräftigte in einer Mitteilung, dass solche zivilen Geräte nicht für die „Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Terrorismus oder militärische Zwecke“ eingesetzt werden dürften. Chinesische Exporteure müssen nach den neuen Regeln auch dann mit einer Strafe rechnen , wenn sie Gegenstände ausführen, die zwar nicht auf der Verbotsliste stehen – von denen die Firmen aber wissen, dass sie für militärische Zwecke oder Terrorismus verwendet werden.
Dass die Schwarze Liste verbotener Exporte gleich von mehreren Behörden – unter anderem von Handelsministerium, Zoll, der Ausrüstungsabteilung der Volksbefreiungsarmee und der mächtige Militärkommission der Kommunistischen Partei – eingeführt wird, zeigt, dass man es ernst meint. Sie erweitert eine „vorläufige Bekanntmachung“ von vor genau einem Jahr, in der China bereits Ausfuhren einzelner militärisch nutzbarer Drohnen verboten hatte. Wichtig ist daher vor vor allem die Neuaufnahme von Komponenten auf Chinas Schwarze Liste. Denn Russland nutzt Berichten zufolge eine ganze Reihe aus China gelieferter Teile von Elektronik bis zum Kugelllager im Ukraine-Krieg.
Auch in anderen Sektoren drosselt China derzeit das Russland-Engagement. So schränken chinesische Banken aus Sorge vor US-Sanktionen derzeit ihre Geschäfte mit Russland ein. „Mehrere chinesische Unternehmen, darunter ein Hersteller wichtiger Flüssiggasanlagen für die dritte Stufe des russischen Flüssigerdgasprojekts Arctic LNG 2, haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit Russland einzuschränken“, schreibt der China-Experte Björn Alexander Düben vom Forward College in Berlin. Der 2022 und 2023 sprunghaft gestiegene Handel ging im ersten Halbjahr 2024 leicht zurück.
China sorgt sich um Beziehungen zum Westen
„Vor allem angesichts des schleppenden Wirtschaftswachstums in China hat man das Gefühl, dass Peking zunehmend darauf achtet, wie sich seine Beziehungen zu Russland auf seine kommerziellen und diplomatischen Interessen in jenen Teilen der Welt auswirken, von denen seine Wirtschaft hauptsächlich abhängt“, meint Düben. Parallel weitet China derzeit die diplomatischen Kontakte zur Ukraine aus. Vergangene Woche war Außenminister Dmytro Kuleba in China, diese Woche erfolgte bereits die Gegeneinladung für den Amtskollegen Wang Yi nach Kiew.
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Doch zugleich kritisiert Peking weiterhin die Sanktionen des Westens. Das Handelsinisterium monierte in seiner Mitteilung zu den Ausfuhrkontollen etwa die Sanktionen gegen chinesische Firmen, die in Verdacht von Dual Use-Lieferungen an Russland stehen. Auch weist Peking Berichte zurück, wonach russische und chinesische Firmen angeblich bei der Entwicklung von Kampfdrohnen zusammenarbeiten.
Drohnen aus China: Ukraine und Russland nutzen sie
Beide, Russland und die Ukraine, nutzten vor allem in frühen Phasen des Krieges nachgerüstete zivile Drohnen von DJI und anderen Herstellern an der Front, etwa für Überwachung, Kommunikation oder Kamikaze-Attacken. Dabei hatte DJI bereits im April 2022 offiziell die Geschäfte mit Russland suspendiert. Schon damals betonte das Unternehmen, es könne nicht garantieren, dass seine Kunden die Drohnen nicht über Drittstaaten nach Russland weiterverkaufen. Vielfach werden Drohnen auf Online-Plattformen wie Alibaba verkauft.
Offiziellen Zolldaten zufolge waren die wichtigsten Abnehmer chinesischer Drohnen im Jahr 2023 laut South China Morning Post die Niederlande, die USA und Dänemark – während Russland weit hinten lag. Solche Zolldaten aus China sagen aber nicht viel über den Zielort aus, da sie oftmals auf Daten zur Entladung im Hafen basieren: Der Hafen im niederländischen Rotterdam ist einer der größten Europas. Von dort werden Waren in ganz Europa verteilt – womöglich bis nach Russland.