Scholz fordert nach Wahlen „Regierungen ohne Rechtsextremisten“ – CDU setzt Kanzler unter Druck
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen verlangt Kanzler Scholz „Regierungen ohne Rechtsextremisten“. Die Opposition interpretiert die Ergebnisse als Misstrauensvotum gegen ihn.
Berlin – Nach den Landtagswahlen ist vor der Bundestagswahl. Markus Söder holt innerhalb der Union die K-Frage aus einer geschlossen geglaubten Schublade, während CDU-Mann Jens Spahn die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen als Misstrauensvotum für Olaf Scholz interpretiert. Der Kanzler selbst legt den Fokus darauf, die Brandmauer nicht bröckeln zu lassen und nannte die Ergebnisse der Landtagswahlen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters „bitter“. „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“, so der Appell des Sozialdemokraten.
Er sei besorgt über die Erfolge der AfD, sagte Scholz weiter, während er betonte, sich als SPD-Bundestagsabgeordneter zu äußern, nicht in seiner Qualität als deutscher Regierungschef. „Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes“, fuhr der Kanzler fort. Er lobte seine Partei aber gleichzeitig dafür, „zusammengehalten“ zu haben, sodass „die düsteren Prognosen in Bezug auf die SPD“ nicht eingetreten seien. Vor der Wahl hatten manche geunkt, die SPD könnte ebenso wie FDP und Grüne aus beiden ostdeutschen Landesparlamenten fliegen.
Scholz: „Starker Bundeskanzler“ oder „Gesicht des Scheiterns“ in Thüringen und Sachsen?
Die Sozialdemokraten erhielten laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in Sachsen 7,3, in Thüringen 6,1 Prozent. Dennoch deutete Unions-Fraktionsvize Spahn den Wahlausgang im ZDF-Morgenmagazin als Versuch der Menschen, „der Ampel ein Signal“ zu „senden, dass der Kanzler kein Vertrauen mehr hat“. Olaf Scholz sei „das Gesicht des Scheiterns – auch in Thüringen und Sachsen“, urteilte der CDU-Politiker. Er hielt die Bundes-Koalition aus SPD, Grünen und FDP darüber hinaus an, ihre Politik zu ändern, weil der „Verdruss“ sonst noch größer werde.
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sah in der Zwischenzeit die Notwendigkeit, ihrem Parteigenossen den Rücken zu stärken. „Olaf Scholz ist unser starker Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein“, bekräftigte sie im Berliner Willy-Brandt-Haus. Wie bei der vergangenen Bundestagswahl werde es der SPD auch dieses Mal gelingen, in den letzten Monaten den Wind zu drehen. Im September 2025 wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Bei einer bundesweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa vom vergangenen Sonntag wurde die SPD mit 16 Prozent lediglich drittstärkste Kraft.
Bis zur Bundestagswahl 2025 ist noch Zeit – doch Scholz muss sein Image verbessern
Politik-Professor Thomas Faas von der FU Berlin sieht „die wirklich große Herausforderung“ für Scholz und seine Partei darin, ob es wieder gelingt, „etwas Positives mit ihm als Person zu verbinden, sodass das Vertrauen wiederhergestellt werden kann“. Er wies im Interview mit tagesschau24 darauf hin, wie spät die SPD im Bundestags-Wahlkampf 2021 zur führenden Kraft geworden sei. Das habe auch an einer erfolgreichen Erzählung unter dem Stichwort „Respekt“ gelegen, die Scholz verkörpert habe.
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Bei der Bundestagswahl 2021 gab es dem Statistischen Bundesamt zufolge 60,4 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland. Laut der Bundeswahlleiterin lebten davon 1,7 Millionen in Thüringen und knapp 3,3 Millionen in Sachsen – zusammen also nicht mal ein Zehntel. Das gilt es in der aktuellen Situation zu bedenken, in der mit Wolfgang Kubicki selbst ein Mitglied der Regierungspartei FDP behauptet, das Landtags-Wahlergebnis zeige, dass die Ampel „ihre Legitimation verloren“ habe. Die Zahlen lassen diese Interpretation jedoch noch nicht zu.
Einem solchen Vorwurf wollte Gerhard Schröder 2005 vorbeugen, als er ein Misstrauensvotum gegen sich selbst inszenierte, um nach der Niederlage seiner SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen auf Bundesebene zu provozieren. Sein Plan war, gestärkt daraus hervorzugehen, was allerdings scheiterte. Dennoch ist der springende Punkt, dass Nordrhein-Westfalen schon damals das bevölkerungsreichste Bundesland war und laut dem Bundeswahlleiter von den damals knapp 62 Millionen Wahlberechtigten mit etwa 13 Millionen über ein Fünftel in diesem Bundesland lebte.