„Wir sind auf Wachstumskurs“: Kreisklinik Wolfratshausen macht Millionen-Defizit – obwohl der Umsatz steigt

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Wie läuft es in der Kreisklinik Wolfratshausen? Einen Überblick darüber gab Geschäftsführer Ingo Kühn jetzt in der Kreistagssitzung. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Geschäftsführer Ingo Kühn geht auf die aktuelle Situation der Kreisklinik Wolfratshausen ein. Das Defizit beläuft sich auf rund 3,5 Millionen Euro.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Für kleine Kliniken wird es immer schwerer, im Wettbewerb zu bestehen. Vor allem, weil die finanziellen Rahmenbedingungen nicht passen. Ob hier die angekündigte Krankenhausfinanzierungsreform des Bunds eine Erleichterung bringt, ist nicht absehbar. Nach einigem Hin und Her stehe nun zumindest mal die „grobe Richtung fest“, wie die Vergütungen aussehen sollen, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW) jüngst in der Kreistagssitzung. Was aber auf die Krankenhausträger zukomme, sei offen.

Kreisklinik Wolfratshausen: Mehr ambulant, weniger stationär

Deshalb trafen sich die bayerischen Landräte in Deggendorf zur Klausur. Eingeladen dazu waren „alle relevanten Player“ – von den Krankenkassen bis zum Innenministerium, das fürs Rettungswesen verantwortlich zeichnet. Die beiden Hauptprobleme wurden klar identifiziert: Die momentane Vergütung reicht nicht, um den Aufwand zu decken. Unweigerlich entstehen Verluste. Daran ändere die Reform auf die Schnelle auch nichts. Vielmehr würde „ein Strukturwandel vorangetrieben – und der dauert Jahre“, sagte Niedermaier.

Die Konkurrenz lauert bei uns immer im nächsten Krankenhaus – egal in welcher Trägerschaft.

In einer „überversorgten Region“ wie dem Großraum um München mit dem starken Konkurrenzdruck der einzelnen Häuser könne man nicht davon ausgehen, „dass sich die Anbieter selber einigen, wer sich auf welche Fallgruppe spezialisiert“, um die Überversorgung zu lösen. Das höre sich zwar gut an, „aber die Konkurrenz lauert bei uns immer im nächsten Krankenhaus – egal in welcher Trägerschaft“, sagte Niedermaier. „Und die sollen sich jetzt zusammensetzen? Wer aus dem Gespräch mit weniger heim kommt, hat bei seinem Kreistag oder der Bevölkerung verloren.“ Stattdessen „hoffen wir darauf, dass der Freistaat Bayern seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt und eine saubere Krankenhausplanung vorlegt“, sagte der Landrat. Schließlich klage der Freistaat ja auch in Berlin auf sein Recht, diese Planung weiterhin machen zu dürfen.

Finanzierungslücke in Höhe von neun Prozent

Auf die aktuelle Situation der Wolfratshauser Kreisklinik ging dann Geschäftsführer Ingo Kühn ein. Auf knapp 3,5 Millionen Euro belief sich das Defizit von Klinik und dazugehörigem Kreispflegeheim Lenggries im vergangenen Jahr. Dabei sei der Umsatz gestiegen, so Kühn. „Viele Kliniken kommen nicht auf die Zahlen von vor Corona. Wir übersteigen sie deutlich. Wir sind eine der wenigen Kliniken, denen das gelungen ist.“ Die Fallzahlen der stationären Patientenversorgung sanken allerdings im Vergleich zu 2019 um 14 Prozent beziehungsweise 939 Fälle deutlich. Das liege auch daran, dass mehr ambulant behandelt wird. Hier gab es 800 Fälle oder sieben Prozent mehr.

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Beim Pflegepersonal und den Ärzten ist die Klinik gut aufgestellt. „Hier haben wir aufgestockt.“ Daher könnten auch alle Betten und Stationen voll belegt werden. „Wir sind auf Wachstumskurs“, sagte Kühn.

Trotz der guten Zahlen gibt es eine Finanzierungslücke in Höhe von neun Prozent. Über 70 Prozent der Kliniken würden mittlerweile rote Zahlen schreiben. Daher liege ein Finanzierungsfehler der medizinischen Leistungen vor, „denn über 70 Prozent der Kliniken können keine Misswirtschaft machen“. Tatsächlich sei es so, dass es weder für die Inflation noch für neue Tarifabschlüsse eine Refinanzierung gebe. Seit Jahren spitze sich diese Situation zu. „Deshalb fordern alle Klinikgeschäftsführer, dass die Vergütungen massiv angepasst werden müssen, weil sonst ein unkontrolliertes Kliniksterben eintritt“, sagte Kühn.

Gastroenterologische Hauptabteilung gegründet

Der Geschäftsführer blickte auch auf laufende Projekte. Gerade im Gesundheitswesen sei der Faktor Mensch essenziell. Daher unternahm die Klinik große Anstrengungen, weiteres Pflegepersonal zu gewinnen. Seit 2019 sei das bei 57 Mitarbeitern gelungen. Viele kommen aus dem Ausland und müssten daher ein zweijähriges Anerkennungsverfahren durchlaufen. Unterstützt werde das von der Klinik durch die Finanzierung der Sprachförderung und arbeitsplatznahen Wohnraum, der komplett ausgestattet werden muss, „weil die Leute nur mit einem großen Koffer ankommen“. Die Personalgewinnung ist auch deshalb so wichtig, weil es definierte Untergrenzen gibt. Unterschreitet man diese, dürfen Betten nicht mehr belegt werden.

Gegründet wurde eine gastroenterologische Hauptabteilung. Zum 1. Juli trat Dr. Alexander Philipp als Chefarzt seinen Dienst in Wolfratshausen an. Er sei „ein Experte auf seinem Gebiet“, freute sich Kühn. Ebenfalls zum 1. Juli wurde die Erweiterung der Intensivstation von 16 auf 18 Betten umgesetzt. „Intensivkräfte sind noch schwerer zu finden als Pflegekräfte. Auf ein Intensivbett kommen sechs Kräfte.“

Geplant ist die Gründung eines MVZ

Ein „Mammutprojekt“ ist laut Kühn die Digitalisierung der Klinik. Neue Leitungen, neue Server, eine Stromausfallgewährleistung sind nur einige der Punkte, die abgearbeitet werden müssen. „Alle Prozesse müssen neu gedacht werden. Denn ein schlechter analoger Prozess ist auch ein schlechter digitaler.“

Um in Zukunft bestehen zu können, sind Kooperationen unerlässlich. Hier sei man mit vielen in Kontakt, sagte Kühn. „Und wir reden auch mit der Asklepios-Stadtklinik Tölz.“

Vorgesehen ist die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) – ein Bindeglied zwischen Klinik und niedergelassenen Ärzten, wie es Kühn umschrieb. Es sei allerdings „sehr schwer, Kassensitze zu bekommen. Aber wir haben uns hier auf den Weg gemacht“, sagte der Geschäftsführer. Der Weg ist ein steiniger. „Denn da schreien auch nicht alle Ärzte Juchhu, wenn sich die Kliniken in dieses Geschäft einmischen“, ergänzte Niedermaier. (va)

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