„Nicht akzeptabel“: Versicherten droht „massive Kostenlawine“ durch Lauterbachs Krankenhausreform

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50 Milliarden Euro kostet die Krankenhausreform. 25 Milliarden Euro wälzt Karl Lauterbach auf die Krankenversicherung um: Zu einer Zeit, in der die Beiträge ohnehin steigen.

Den gesetzlichen Krankenkassen geht es finanziell schlecht. 2025 droht der höchste Anstieg bei den Krankenkassenbeiträgen, den es je gegeben hat. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verspricht, sich für Einsparungen einzusetzen. Das gehe auch mit der Krankenhausreform, die der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat.

Die „Investitionskosten“ der Reform würden sich dauerhaft auszahlen, so der Minister. Sie werden aber auch von jenen übernommen, die finanziell ohnehin schon stark belastet werden: von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie blechen für einen Großteil der Krankenhausreform.

Bund zahlt nichts bei der Krankenhausreform: Versicherte übernehmen 25 Milliarden Euro

Die Krankenhausreform kostet laut Gesetzesentwurf 50 Milliarden Euro. Eigentlich war folgende Aufteilung vorgesehen: 25 Milliarden zahlen die Länder, 25 Milliarden der Bund. Doch in Zeiten klammer Bundes-Kassen scheint das plötzlich nicht mehr möglich. Lauterbach wälzt die Kosten auf die Krankenversicherten um.

Der Anteil aus den Haushaltsmitteln der Bundesländer bleibt laut Gesetzesentwurf gleich. Doch der Rest kommt aus der „Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung“, wie es gleich zu Beginn der 264 Seiten zum Krankenhausverbesserungsgesetz heißt.

Wer trägt also die Kosten des zweiten Teils? Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung die Kosten an die Beitragszahler weitergibt. Der Chef der Krankenkasse Barmer, Christoph Straub, warnte schon im Mai, den Versicherten drohe „eine massive Kostenlawine“. De facto zahlt der Bund also nichts.

Krankenhausreform ohne Privatversicherte: „Es müssen alle an den Kosten beteiligt werden“

Brisant: Privatversicherte sollten gar nicht für die Krankenhausreform zahlen. Die Vorsitzende des Sozialverbands SoVD, Michaela Engelmeier, kritisiert das im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „Von einer guten Krankenhausversorgung profitieren alle, nicht nur die gesetzlich Versicherten.“ Ihre Forderung: „Es müssen sich alle an den Kosten der Krankenhausreform beteiligen, auch die Privatversicherten.“

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, stößt in dasselbe Horn: „Durch die geplante Krankenhausreform entstehen erhebliche Mehrkosten, die vor allem die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber der GKV zu tragen haben. Das ist nicht akzeptabel.“

Karl Lauterbach wollte sich auf Anfrage nicht äußern, ein Sprecher verwies auf die Debatte im Bundestag. Da sprach Lauterbach allerdings nicht über die Finanzierung. Dafür sagte er diese Woche in einem Interview mit dem Handelsblatt: „Ich werde mit der privaten Krankenversicherung verhandeln. Wenn das nicht klappt, werden wir einen gesetzlichen Weg finden, um sie zu einer finanziellen Beteiligung zu bewegen.“

Impftermin von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
Gesundheitsminister Karl Lauterbach lässt sich einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag gegen Covid-19 und Influenza impfen. © Ebrahim Noroozi/picture alliance

Lauterbach warnte: „Sollten die privaten Versicherungen versuchen, sich rein egoistisch zu verhalten und nur die Vorteile zu nutzen, ohne sich finanziell zu beteiligen, werden wir rechtliche Schritte einleiten, um sie zur Beteiligung zu zwingen.“

Was das konkret bedeutet, blieb allerdings unklar. Wohl erst bis 2025 soll über die Mehrkosten entschieden werden. Bisher ist nicht genau beziffert, mit welchem Beitrag und wie sich die Privaten beteiligen. Denkbar scheint eine Beteiligung in Höhe des Prozentsatzes ihrer Versicherten. So oder ist klar: Krankenversicherte werden dieses Gesetz finanziell spüren.

„Die Finanzierung ist nicht Auf­gabe der gesetzlichen Krankenhausversicherung“

Nach Auffassung des SoVD ist die Finanzierung der Krankenhausreform in der jetzt geplanten Form sogar eine „verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Zweckentfremdung von Beitragsmitteln“. Der Bundesrechnungshof teilt diese Zweifel. So heißt es in einer aktuellen Stellungnahme: „Die Finanzierung von Krankenhausstrukturen ist nicht Auf­gabe der gesetzlichen Krankenhausversicherung.“ Die Versicherung trage nur die Kosten für die konkrete Behandlung, nicht aber für die reine Infrastruktur. Die Verantwortung liege auch nicht zwingend beim Bund, denn: „Die Länder sind zuständig für die Finanzierung der Krankenhausstrukturen.“ Sie streiten aber schon seit Monaten über die Reform. Dabei geht es nicht nur ums Geld.

Lauterbachs Krankenhausreform

Die Reform soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle ändern. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen (Vorhaltepauschale). Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen bestimmte Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundesweit einheitliche Qualitätsvorgaben absichern.

Folge dieser Leistungsgruppen ist, dass nicht mehr jede Klinik alle Operationen anbietet. Kleinere Krankenhäuser werden wohl Kompetenzen abgeben, aber für die Grund- und Notfallversorgung zuständig bleiben. Planbare Eingriffe erfolgen dann zum Beispiel in den jeweiligen Fachkliniken.

Kern von Lauterbachs Krankenhausreform ist eine Umverteilung der Kompetenzen. Nicht mehr jede Klinik soll alles machen. Gerade bei komplizierten Eingriffen sollen die ran, die es am besten können. Das Gesetz soll einheitliche Qualitätsregeln verankern und finanziellen Druck auf die Kliniken mindern. So wie es derzeit aussieht, erhöht es allerdings den finanziellen Druck auf die gesetzlich Versicherten.

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