Doris Dörrie im Dimu Freising: „Solange der Tod nicht da ist, ist Leben da“

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Tief berührt waren die Gäste der neuen Veranstaltungsreihe „Dimu inspiriert“. Museumsdirektor Christoph Kürzeder (l.) lädt dabei zu Gesprächen zur Passionszeit in den Lichthof ein. © Lehmann

Dieser Abend im Dimu war zutiefst tröstlich. Am Ende stand die Erkenntnis, dass niemand mit Schmerz alleine ist. Vorausgesetzt man läuft nicht vor einer Tatsache davon: Der Vergänglichkeit allen Lebens.

Freising – Schmerz und Glück: Wie diese vermeintlichen Gegensätze ganz eng miteinander verwoben sind, darauf bekamen die Gäste der neuen Veranstaltungsreihe „Dimu inspiriert“ am Dienstag eine Antwort. Den Auftakt der Gespräche zur Passionszeit machten zwei Frauen, die auf den ersten, flüchtigen Blick so gar nichts miteinander zu tun haben: Doris Dörrie – Filmregisseurin, Drehbuchautorin, Schriftstellerin. Und Katharina Rizzi – Geschäftsführerin des Münchner Hospizdiensts DaSein.

Schmerz führt die zwei Frauen zusammen

Dabei war es Doris Dörrie, die sich Katharina Rizzi als Dialogpartnerin gewünscht hatte. Die Gründe offenbarten die Frauen den Menschen im Lichthof des Dimu. Beide öffneten sie die Türen zu ihren Leben, baten die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer, die gekommen waren, als ihre Gäste hinein. Hinein in zwei Leben, deren Wege sich vor etwa 30 Jahren kreuzten. Damals, Doris Dörrie war „noch keine 40“, erkrankte ihr Mann und der Vater ihrer damals vierjährigen Tochter schwer. Der Tod sei zu der Zeit eine eminente Bedrohung ihrer Familie gewesen. „Ich konnte vor Panik nicht mehr atmen“, erinnert sich die Autorin zurück. Nach Hilfe suchend sei sie damals bei einem Seminar über Sterbebegleitung gelandet – und hat dort Katharina Rizzi getroffen, die damals in der Hospizarbeit ihre Bestimmung fand.

Die Themen des Lebens

Die Intention hinter den Gesprächen zur Passionszeit ist, wie Museumsdirektor Christoph Kürzeder einleitend sagte, Themen des Lebens einen Raum zu geben, „mit denen wir alle zu tun haben oder einmal zu tun haben werden“. Themen, mit denen sich auch die Kunst des Diözesanmuseums ganz intensiv auseinandersetzt: Tod und Schmerz auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite eben mit dem Glück, das auch in derart schweren Zeiten existiert.

Der Dialog der beiden Frauen war zutiefst persönlich. So als hätten sie vergessen, dass sie sich vor großem Publikum miteinander unterhielten. Dörrie berichtet von einem tibetischen Lama, dem sie damals in Schwabing begegnet sei. Tränenüberströmt ist sie auf ihn zugelaufen mit den Worten: „Mein Mann stirbt, was kann ich tun?“ Seine Antwort hilft ihr in schweren Lebenslagen noch heute: „Shut up and breathe“ – halt den Mund und atme.

Zutiefst persönliche Einblicke in ihr Leben gaben die Dialogpartnerinnen Doris Dörrie (r.) und Katharina Rizzi.
Zutiefst persönliche Einblicke in ihr Leben gaben die Dialogpartnerinnen Doris Dörrie (r.) und Katharina Rizzi. © Lehmann

Katharina Rizzi benannte Gründe, weswegen die Menschen heute Schmerz so hilflos gegenüberstehen: Die unzähligen Möglichkeiten, es uns zu jeder Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten, ständig dem Drang folgend, Schmerz zu vermeiden.

Ja zur Vergänglichkeit

Dabei sei es das Wesentliche im Leben: den Schmerz auszuhalten. Und das immer wieder zu üben, darum geht es. Die beste Vorbereitung auf das Sterben sei nämlich, sich im Leben bereits damit auseinanderzusetzen, die Vergänglichkeit anzunehmen. Jeder sollte die Antwort auf die Frage kennen: „Was trägt mich, wenn alles zusammenbricht?“ Bei Doris Dörrie sind es Meditation und Kreativität sowie, allem voran, Gegenwärtigkeit. Nicht im Leid der Vergangenheit und in der Angst vor der Zukunft zu leben, sondern immer wieder anzukommen im Jetzt. „In der genauen Wahrnehmung des Augenblicks tut sich ein schmerzfreier Raum auf.“ Sie gab den Gästen eine Erkenntnis mit, die so einfach wie tröstend ist: „Solange der Tod nicht da ist, ist das Leben da.“

Glück, das Menschen oft in materiellen Dingen suchen, werde in der Not neu definiert. Für Katharina Rizzi bedeutet es Glück, sich im Angesicht des Leids gut aufgehoben zu fühlen. Ihr Appell: „Gemeinschaft ist immer ganz wichtig, besonders am Lebensende.“

Am Ende des inspirierenden Abends waren die tief berührten Gäste zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Sie nahmen eine Liste an Dingen mit nach Hause, die in guten Zeiten trainiert werden sollten, um sie in schlechten abrufbar zu haben: Dankbarkeit etwa, Halt gebende Rituale oder die Fähigkeit, den eigenen Schmerz in Worte zu fassen, um so der Einsamkeit in leidvollen Zeiten zu entgehen.

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