Ausland - Südsudan am Rande eines neuen Bürgerkrieges

Im Südsudan, dem jüngsten Land der Welt, droht ein fragiles Abkommen zur Teilung der Macht zu zerbrechen. Die Lage spitzt sich täglich zu. Die US-Botschaft und andere diplomatische Vertretungen haben ihre Präsenz vor Ort auf ein Minimum heruntergefahren.

Am Samstag nun schloss die deutsche Regierung ihre Botschaft in der Hauptstadt Juba vorübergehend. "Nach Jahren des fragilen Friedens steht der Südsudan erneut am Rande eines Bürgerkriegs", schrieb die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in den sozialen Medien.

Angst und wenig Hoffnung in Juba

Patrick Oyet, DW-Korrespondent und Präsident der Journalistenunion im Südsudan, spricht von einer düsteren Situation: Militär patrouilliert in den Straßen von Juba, die Menschen haben Angst, es gibt keine Informationen von der Staatsführung über den weiteren Weg: "Wir haben wenig Hoffnung, dass alles gut wird", sagt er.

Eine weitere Eskalation im Südsudan befürchtet auch Richard Orengo, der Landesdirektor des International Rescue Committee (IRC): "Wir sind besorgt, dass - wenn die internationale Gemeinschaft und die Nachbarländer die Lage nicht rechtzeitig entschärfen - die Situation schnell zu einem ausgewachsenen Konflikt eskalieren kann, der die aktuelle Krise, die wir bereits im Land haben, noch verstärken wird", sagt er der DW.

Allein über 50.000 Menschen sind seit Februar vertrieben worden. "Der Südsudan steht am Rande eines humanitären Zusammenbruchs", vor allem nach der Einstellung der US-Finanzierung für ausländische Hilfsprojekte, betont Orengo.

Kein Geld: Leben unterernährter Kinder bedroht

Das IRC verfüge über 56 Ernährungsstabilisierungszentren landesweit, in denen akut unterernährte Kinder aufgenommen würden, sagt Orengo. "Wenn wir diese Zentren schließen, werden die Kinder an Unterernährung sterben."

Im vergangenen Monat erreichten die Spannungen zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Rivalen und amtierenden Stellvertreter, Vizepräsident Riek Machar, einen Höhepunkt. Sie hatten nach einem blutigen Bürgerkrieg 2018 ein Friedensabkommen unterzeichnet und bilden seit 2020 eine Einheitsregierung, die jedoch von großer Instabilität geprägt ist.

Kiir (SPLM) ist seit der Unabhängigkeit des Südsudan vom Sudan im Jahr 2011 Präsident. Er ernannte den ehemaligen Rebellenführer der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung in Opposition (SPLM-IO) Machar für die gemeinsame Regierungsaufgabe zum ersten Vizepräsidenten. Aber das Bündnis bröckelt immer mehr, nachdem Kiir im Rahmen einer Kabinettsumbildung in diesem Jahr Machar-Loyalisten entlassen hat.

Im Norden des Landes eskalierte die Gewalt zwischen Regierungstruppen und einer Rebellenmiliz, der so genannten Weißen Armee, die angeblich mit Machar verbündet ist. Die Weiße Armee überrannte Anfang März ein Militärlager im Bezirk Nasir im Bundesstaat Oberer Nil, an der Grenze zu Äthiopien und zum Sudan.

Konflikt hat seine Wurzeln in ethnischer Spaltung

Die Kämpfer sollen größtenteils Machars ethnischer Gruppe der Nuer angehören, während Kiir ein ethnischer Dinka ist. Machars Partei streitet jegliche Verbindungen ab.

Regierungstruppen umstellten daraufhin Machars Haus in der Hauptstadt Juba und verhafteten mehrere seiner wichtigsten Verbündeten. Kiir entließ auch den Gouverneur des Bundesstaates Oberer Nil, der Machars Partei angehörte.

Laut James Okuk, Politikexperte am Zentrum für strategische und politische Studien in Juba, sind die Meinungsverschiedenheiten auf das Misstrauen innerhalb der Führung des Landes zurückzuführen; es mangelt an Koordination. "Der derzeitige Konflikt im Südsudan hat seine Wurzeln in der politischen, ethnischen und sozioökonomischen Spaltung", sagt Okuk im DW-Interview.

"Der Kampf um Macht und Ressourcen zwischen den dominierenden Volksgruppen hat die seit Langem bestehenden Spannungen angeheizt. Verschärft werden diese durch historische Missstände und den Wettbewerb um die Kontrolle über die junge Nation."

Korruption, das Fehlen einer effektiven Regierung und schwache Institutionen stürzten das Land weiter in einen Kreislauf der Gewalt.

Zu seiner Unterstützung holte Präsident Kiir zuletzt eine Spezialeinheit der ugandischen Truppen in die südsudanesische Hauptstadt Juba.

Die Anwesenheit der Ugander hat die südsudanesischen Oppositionsparteien verärgert, und diese Woche erklärte Machars SPLM-IO, dass sie sich teilweise aus einigen der Sicherheitsvereinbarungen des Friedensabkommens von 2018 zurückziehen werde.

Die Lage ist "katastrophal"

Die Lage im Land sei "katastrophal", sagte Nicholas Haysom, Leiter der UN-Mission im Südsudan (UNMISS), am späten Montag. Bemühungen, ein Friedensabkommen auszuhandeln, seien nur möglich, wenn beide Führer in der Lage seien, "die Interessen ihres Volkes über ihre eigenen zu stellen", so der UN-Beamte.

Für einen nachhaltigen Frieden ist laut Okuk ein umfassender Ansatz erforderlich: "Es muss ein echtes Engagement für einen integrativen und transparenten politischen Prozess geben, der unterschiedliche Interessen berücksichtigt und eine gleichberechtigte Vertretung aller Gemeinschaften gewährleistet", sagt er.

Um die Stabilität wiederzerzustellen, sei es entscheidend, staatliche Institutionen zu stärken, den Rechtsstaat zu fördern und die Korruption zu bekämpfen.

Darüber hinaus müsse die politische Führung des Südsudan der nationalen Einheit Vorrang vor persönlichen und Interessen der Volksgruppen einräumen, betont auch Okuk. "Sie muss sich zu einer integrativen Regierung, zur Achtung der Menschenrechte und zur Rechtsstaatlichkeit verpflichten."

Versöhnungsprozess und Transparenz einfordern

Die Menschen im Südsudan, einschließlich der Kirchenführer und der Zivilgesellschaft, sollten sich aktiv am Versöhnungsprozess beteiligen und mehr Transparenz fordern.

Aber stärkere Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft spielten bereits jetzt eine wichtige Rolle dabei, den Friedensprozess voranzubringen. Zahlreiche Vermittlungsversuche seitens der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und regionaler Länder finden statt.

Das ostafrikanische Regionalbündnis IGAD (Inter-Governmental Authority on Development) hat laut dem IGAD-Sonderbeauftragen für Südsudan, Ismail Wais, klare Ziele gesteckt, um die "Krise zu deeskalieren und der Umsetzung des Friedensabkommens Vorrang zu geben."

Unter diesen nennt er insbesondere das Ziel, die Armee zu vereinheitlichen und glaubwürdige Wahlen umzusetzen. "Wir haben keine andere Wahl, als optimistisch zu sein, aber Optimismus allein reicht nicht aus. Wir müssen mehr tun, um die gesteckten Ziele zu erreichen, und wir sind bereit, die Sudanesen zu bewegen und zu verpflichten, sich mit der IGAD für Frieden und Stabilität einzusetzen."

Mitarbeit: Patrick Oyet (Juba)

Von Martina Schwikowski

Das Original zu diesem Beitrag "Südsudan am Rande eines neuen Bürgerkrieges" stammt von Deutsche Welle.