Österreich: ÖVP und FPÖ verlieren bei Innsbruck-Wahl – KPÖ im Gemeinderat

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Sie liefern sich ein Stichwahl-Duell um das Innsbrucker Bürgermeisteramt: Johannes Anzengruber (parteilos) und Georg Willi (Grüne) © IMAGO/Eibner-Pressefoto/EXPA/Groder/Europa Collage: Ippen.Media

Die ÖVP erlebt ein „Debakel“ in der Tiroler Landeshauptstadt. Linke haben Grund zur Freude. Klare Mehrheiten gibt es trotzdem nicht. Der grüne Bürgermeister muss in die Stichwahl.

Innsbruck – Innsbruck hat einen neuen Gemeinderat gewählt. Die Grünen blieben knapp die stärkste Kraft in der Tiroler Landeshauptstadt. Die konservative ÖVP erlebte mit ihrem Wahlbündnis ein „Debakel“, wie der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier dem ORF sagte. Zweitstärkste Kraft im Gemeinderat wird die Liste des Ex-ÖVP-Mannes Johannes Anzengruber. Erstmals seit Jahrzehnten zog eine Liste der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ+) in das Stadtparlament ein. Die rechtsautoritäre FPÖ blieb deutlich hinter dem in Umfragen prognostizierten Ergebnis zurück. Zentrale Frage im Wahlkampf war die Wohnungspolitik.

Innsbruck: Stichwahl im Bürgermeisteramt zwischen Georg Will und Johannes Anzengruber

Ihren Bürgermeister werden die Innsbruckerinnen und Innsbrucker in einer Stichwahl am 28. April wählen. Antreten werden der mit knapp 23 Prozent der Stimmen Erstplatzierte Amtsinhaber Georg Willi (Grüne) und Anzengruber. Der Ex-ÖVP-Mann erreichte mit seiner eigenen Liste aus dem Stand mehr als 19 Prozent. Willi schloss eine Koalition mit FPÖ zuvor bereits explizit aus. Anzengruber sagte der Tiroler Tageszeitung nach der Wahl, er sei „nicht für Extreme zu haben“. Damit meinte er wohl neben der radikalen Rechten auch die neu in den Gemeinderat eingezogenen Kommunisten. Bürgermeister Willi kündigte im ORF an, er wolle eine „stabile Fortschrittskoalition“ schmieden.

Ergebnis der Bürgermeisterwahl in Innsbruck: Grüner Amtsinhaber erster – FPÖ-Mann Lassenberger abgeschlagen

Kandidat Stimmanteil
Willi (Grüne) 22,89
Anzengruber 19,37
Lassenberger (FPÖ) 15,92
Mayr (SPÖ) 15,22
Tursky (ÖVP) 10,41

(Alle Angaben in Prozent, vorläufiges Endergebnis; Quelle: Tiroler Tageszeitung)

Innsbruck-Wahl endet ohne klare Mehrheiten – Aber mit klarer Niederlage für ÖVP und FPÖ

Acht Parteien schafften den Sprung über die neu eingeführte Vier-Prozent-Hürde in den neuen Innsbrucker Gemeinderat. Darin ergeben sich keine klaren Mehrheitsverhältnisse nach ideologischen Lagern. Klar ist lediglich, dass FPÖ und ÖVP sowie bürgerliche Listen verloren. Allen voran die ÖVP, die sich erst kurz vor der Abstimmung hinter dem ehemaligen Staatssekretär Florian Tursky versammelte.

Die im Bündnis versammelten Listen sackten von rund 30 auf etwa zehn Prozent ab. Die FPÖ verlor mehr als drei Prozent. So kontrollieren ÖVP und FPÖ nur noch lediglich etwa ein Viertel der Mandate. Zuvor entfielen es mehr als die Hälfte der Gemeinderatssitze auf das Bündnis der ÖVP und die Freiheitlichen.

Ergebnis der Gemeinderatswahl in Innsbruck – Acht Parteien im Stadtparlament

Partei Stimmanteil
Grüne 18,87
JA 16,83
FPÖ 15,21
SPÖ 13,58
ÖVP-Bündnis 10,15
KPÖ+ 6,72
FRITZ 5,5
ALI 4,83

(Alle Angaben in Prozent, vorläufiges Endergebnis; Quelle: Tiroler Tageszeitung)

Ex-ÖVP-Staatssekretär nach Innsbruck-Wahlniederlage „persönlich enttäuscht“ – Keine Rücktrittspläne

ÖVP-Kandidat Tursky sagte dem ORF, er sei „persönlich enttäuscht“ vom Wahlergebnis, wolle aber an der Spitze bleiben. Bei der FPÖ war man am Wahlabend geteilter Meinung. Bürgermeisterkandidat Markus Lassenberger sagte dem Sender, er sei zufrieden mit Wahlergebnis, da man in absoluten Zahlen keine Stimmen eingebüßt hätte. In einem Nachsatz sah er sich von Bürgermeister Willi „ausgegrenzt“. Der freiheitliche Landeschef Markus Abwerzger hingegen habe sich ein höheres Ergebnis erwartet und zeigte sich betrübt über „linkslinke Liste“, die nun im Gemeinderat regierten, berichtete die Tageszeitung Standard.

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Am Fuße der Nordkette wohnt es sich teuer. Das hält seit Jahren die Innsbrucker Stadtpolitik in Atem. © Michael Szönyi/Imago

Es gibt zwar keine progressive oder gar linke Mehrheit im Gemeinderat, doch das linke Lager konnte Erfolge verzeichnen. Trotz Verlusten von etwa sechs Prozent der Stimmen blieben die Grünen mit knapp 19 Prozent stärkste Kraft. Die Sozialdemokratie um Spitzenkandidatin Elisabeth Mayr gewann leicht auf 13,5 Prozent hinzu. Mit Zugewinnen knapp über der Vier-Prozent-Hürde halten konnte sich das Bündnis Alternative Liste Innsbruck (ALI). Und erstmals seit Jahrzehnten zog die KPÖ mit mehr als sechs Prozent in den Gemeinderat ein.

Nach Wahlsieg: KPÖ will „soziale Stimme im Gemeinderat“ von Innsbruck werden

Anfang März gelang den Kommunisten in Salzburg mit 23 Prozent ein beachtlicher Erfolg bei der Gemeinderatswahl. Den Grund dafür ortete der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch im merkur.de-Gespräch in einem Verteilungskonflikt um Wohnraum. Der Innsbrucker Gemeinderat beschloss bereits 2022 einen „Wohnungsnotstand“ wegen zu hoher Mieten und Leerstandsquoten. Eine Parallele, an die KPÖ+ und ihre Spitzenkandidatin Pia Tomedi im Wahlkampf anknüpften. Innsbruck brauche „leistbaren Wohnraum“, und dafür wolle die KPÖ+ eine „soziale Stimme im Gemeinderat“ sein, die andere Parteien in ihre Versprechen erinnern werde, sagte Tomedi der Tiroler Tageszeitung.

Wirtschaftsprognose für Österreich: Soziale Frage bis zur Nationalratswahl aktuell

Soziale Fragen werden bis zur Nationalratswahl im Herbst und EU-Wahl im Juni auf der Tagesordnung bleiben. Volkswirtschaftlich geht es Österreich deutlich schlechter, als manchen Nachbarn: Die Inflation lag zuletzt etwa doppelt so hoch wie in Deutschland und war zeitweise die höchste in der Eurozone. Die Konjunkturprognosen sind mit maximal 0,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr ebenfalls düster. Aktuell führt in Nationalratswahl-Umfragen die FPÖ, angeführt vom Rechtsradikalen Herbert Kickl. Doch Innsbruck ist nun schon die zweite Großstadt, in der die KPÖ Erfolge verbuchen konnte, indem sie die soziale Frage offensiv thematisierte, ohne sich auf den üblichen linksradikalen Dogmatismus einzulassen.

Sowohl in Salzburg als auch in Innsbruck gewann die FPÖ entgegen dem nationalen Trend nicht dazu. In Innsbruck waren allerdings theoretisch knapp 20 Prozent der Wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger aus der EU, die im Herbst nicht abstimmen dürfen. (kb)

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