„Beachtlicher Erfolg“ der Kommunisten in Salzburg: Was bedeutet das Ergebnis der KPÖ für Österreich?

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„Beachtlicher Erfolg“ der Kommunisten in Salzburg: Was bedeutet das KPÖ-Ergebnis für Österreich?

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Die KPÖ+ wurde Zweite bei der Salzburg-Wahl. Spitzenkandidat Dankl geht in die Stichwahl gegen SPÖ-Mann Auinger. Experten sind uneins über Chancen im Bund.

Salzburg – Bei den Kommunalwahlen in Salzburg am Sonntag (10. März) konnte die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) mit ihrem Bürgermeisterkandidaten ihren Stimmenanteil beinahe verzehnfachen. Mit 23,1 Prozent sind die Kommunisten nun zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten im Gemeinderat der viertgrößten Stadt Österreichs. Die aktuell regierende, konservative ÖVP ist mit etwa 20 Prozent für ihren Spitzenkandidaten Florian Kreibich bereits sicher aus dem Bürgermeisteramt abgewählt.

Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl versprach nach der Wahl, Politik für die Menschen zu machen, „die mit zitternden Händen den Brief mit der nächsten Mieterhöhung öffnen“. Ein Versprechen, an dem er gemessen werden wird, denn durch das Konkordanzsystem wird er sicher Teil der Stadtregierung. Die KPÖ könnte nach der Stichwahl zwischen dem zweitplatzierten Dankl und dem erstplatzierten Sozialdemokraten Berhard Auinger Ende März den zweiten kommunistischen Bürgermeister in Österreich stellen.

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Kay-Michael Dankl (nur fotografisch in der Mitte), Bernhard Auinger (links) und Florian Kreibich (rechts) am Wahlabend in Salzburg. © IMAGO/Manfred Siebinger

Gegen den landesweiten Trend: Kommunisten gewinnen in Salzburg, FPÖ stagniert

Entgegen dem nationalen Trend gewann die rechtsautoritäre FPÖ kaum. Im Herbst wählt Österreich ein neues Parlament und im Juni stehen Europawahlen an. Im Wahltrend der Austria Presse Agentur (APA) lag die FPÖ zuletzt bei etwa 27 Prozent, die KPÖ hingegen bei knapp drei Prozent der Stimmen. Ein Achtungserfolg gelang dem Salzburger Ableger KPÖ+, der eher als breites undogmatisch-linkes Bündnis zu verstehen ist, als sie bei der Salzburger Landtagswahl, knapp 12 Prozent gewann. Woher kommt der Wahlerfolg der selbsterklärten Kommunisten, können sie der FPÖ das Wasser abgraben und steht ein Linksruck in Österreich an? Merkur.de hat bei zwei Politikwissenschaftlern in Salzburg und Wien nachgefragt.

Gründe für KPÖ+-Erfolg: wohnungspolitischer Verteilungskonflikt und „authentischer“ Kandidat Dankl

Der Wiener Politikwissenschaftler Wolfgang Müller sieht „lokale Besonderheiten“ als zentrale Erklärung für den Wahlerfolg der KPÖ in der Stadt Salzburg, sagte er. Sein Salzburger Fachkollege Reinhard Heinisch erklärte diese: Die Gründe für den Wahlerfolg der KPÖ+ seien einem Verteilungskonflikt, insbesondere in der Wohnungspolitik, zu finden. Eine Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigte 2022: Salzburg ist in Österreich ein besonders teures Pflaster. Die Stadt sei „eingeklemmt“ zwischen den Bergen und der deutschen Grenze. Gerade in den ärmeren „Ausländerbezirken“ der Stadt werde daher ständig nachverdichtet und die Lebensbedingungen seien „deutlich schlechter“, als in den weitläufigen „bürgerlichen“ Vierteln der Stadt. In diesem Konflikt sei KPÖ-Mann Dankl, der selbst bis vor Kurzem in einem der ärmeren Bezirke lebte, ein „extrem authentischer Kandidat“, so Heinisch.

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Die Spitzenkandidatinnen und Kandidaten der Salzburg-Wahl. © IMAGO/Manfred Siebinger

In der 150.000-Einwohner-Stadt Salzburg kennt man sich: Heinisch beschrieb seinen ehemaligen Studenten Dankl als „undogmatisch“ und „geerdet“ mit einer „ausgeprägten sozialen Ader“. Das gepaart mit einer „effektiven Kommunikation“ durch Plakate und soziale Medien habe ihn attraktiv für Wählerinnen und Wähler gemacht. Heinisch ging aufgrund geringer Verluste für die Sozialdemokraten davon aus, dass Dankl auch eine ernstzunehmende Zahl Nichtwähler mobilisieren konnte. Dankl selbst sprach nach der Wahl auch davon, den Menschen eine Stimme zu geben, „die sich von der Politik gar nicht mehr gehört fühlen“.

„Kreibich oder Kommunismus“: ÖVP verlor mit Wahlkampagne aus der Mottenkiste

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ortete Heinisch, eine „schlechte Kampagne“ der ÖVP. Die hatte zu Jahresbeginn als das Motto „Kreibich oder Kommunismus“ ausgerufen. Gleichzeitig vermochte Kreibich zu wenig zu vermitteln, was man in Zukunft anders oder besser machen sollte. Auch der FPÖ-Kandidat Paul Dürnberger habe „einfach nicht glaubwürdig“ gewirkt, und offenbare „Personaldefizite“ der Partei, die sich an sich im Aufwind befindet, meinte der Populismusforscher. Dürnberger hatte zudem Kontakte zur Rechtsextremen: Im September berichteten österreichische Medien über seine Teilnahme einer Demonstration der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Auf Nachfrage des ORF kurz vor der Wahl schloss er nicht aus, das zu wiederholen.

Das schlechte Abschneiden der FPÖ hänge durchaus mit dem Wahlerfolg der KPÖ+ zusammen, da Dankl ein linkes Angebot gegen die etablierten Parteien machte, und Protestwählerstimmen über ein ganzes Spektrum verteilt sind. Wolfgang Müller ergänzte wahl-arithmetisch hierzu: Die „stark polarisierte“ Direktwahl des Bürgermeisters zwischen SPÖ, KPÖ und ÖVP habe die anderen Parteien marginalisiert.

Politikwissenschaftler sind uneinig über Chancen der KPÖ bei Österreich-Wahlen – Lücke neben Babler offen

Mit Blick auf die anstehenden Europa- und Nationalratswahlen bemerkte Müller, man könne das Salzburger Wahlergebnis nicht auf die Bundesebene hochrechnen. Zwar sei es ein „beachtlicher Erfolg“ der Kommunisten, und Dankl habe mehr „bundespolitisches Potenzial“ als seine Genossin Kahr in Graz, aber Lokalergebnisse lassen sich nicht auf die Bundespolitik übertragen. Auch wäre es wegen des kommunalpolitischen Erfolges „unglaubwürdig“, würde er sich jetzt anschicken in den Nationalrat einzuziehen. Insgesamt sieht Müller für 2024 „kein Revival der Kommunisten“ kommen.

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Wer kann ihn im Herbst bei der Nationalratswahl schlagen? FPÖ-Chef Kickl zeigt, wo es mit Österreich für ihn hingehen soll: Nach Rechtsaußen. © ALEX HALADA/AFP

Heinisch deutete das Wahlergebnis und die Stimmung im Land hingegen anders: Er räumte der KPÖ durchaus „gewisse Chancen“ ein. Der Wahlkampf der KPÖ+ in Salzburg hatte, ihm nach, einen „populistischen Moment“, in dem die Partei ein aus ihrer Sicht „verkrustetes System von Unten verändern“ wollte. Die Partei könnte so auch an eine, in ganz Österreich weit verbreitete, „abstrakte Unzufriedenheit“ in einer für Sozialthemen günstigen Lage anknüpfen, die geprägt ist von Teuerung, Pflegenotstand und Fachkräftemangel. Dem nicht mehr ganz so neuen Vorsitzenden der Sozialdemokraten Andreas Babler gelang es bisher kaum, dieses Umfeld in bessere Umfragewerte zu übersetzen.

„Harte Dogmatiker“ könnten für Zwietracht in der KPÖ sorgen

Diese Unzufriedenheit bespiele aktuell nur die FPÖ. Es wäre wohl vor allem ein Wahlkampf gegen die seit Jahrzehnten regierende ÖVP, bei dem die Möglichkeit bestehe, der im Bund oppositionellen SPÖ Stimmen streitig zu machen. Sollte Einigkeit in der Bundes-KPÖ bestehen, sieht Heinisch, durchaus Chancen auf einen Einzug in den Nationalrat. Doch da es gerade in außenpolitischen Fragen auch einige „harte Dogmatiker“ in der Partei gebe, sei das kein Selbstläufer. (kb)

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