Der „Kurbi“: Mit fast 90 täglich im Schlachthaus

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„Beim Schlachten bin ich nicht mehr dabei. Aber in der Metzgerei gibt es so viele andere Handgriffe“, sagt Korbinian Kammerloher (89), der immer noch eine Stütze des Grafinger Betriebs ist. „Wenn du hinterher überlegst, ob du was falsch gemacht hast, dann hast du bereits etwas falsch gemacht. Korbinian Kammerloher (89), Metzgermeister © Stefan Rossmann

Korbinian Kammerloher aus Grafing ist Metzgermeister. Und er wird in wenigen Tagen 90 Jahre alt. Seinen Beruf übt er immer noch aus, Tag für Tag mit voller Leidenschaft.

Grafing – Es ist 8.30 Uhr. Korbinian Kammerloher sitzt in der Küche und macht Brotzeit. Um 8 Uhr hat der Arbeitstag des Grafingers begonnen. Wie jeden Tag. „Meistens arbeite ich so bis um 14 Uhr“, berichtet er. „Seit 1948 habe ich eine Sechs-Tage-Woche. Das war früher auch schon so üblich und das ist geblieben.“ Kammerloher wird in ein paar Tagen 90 Jahre alt. Er hat ein ganzes Leben lang als Metzger gearbeitet, als junger Meister einen eigenen Betrieb gegründet und werkelt immer noch gerne.

„Die Stunden habe ich schon reduziert“, räumt er ein. Wer wollte es ihm verdenken. „Beim Schlachten bin ich nicht mehr dabei. Aber in der Metzgerei gibt es so viele andere Handgriffe“, die getan werden müssten. Dabei hilft er seinem Sohn Korbinian jun., der selbst schon 60 Jahre alt ist und den Traditionsbetrieb in der Münchener Straße in Grafing im Jahr 1996 übernommen hat. Der Senior ist aber immer noch eine Stütze des Betriebs.

„Auch mit Fleisch und Wurst kannst du 90 Jahre alt werden“

„Auch mit Fleisch und Wurst kannst du 90 Jahre alt werden“, sagt der Junior und grinst. Kammerloher senior ist eher untersetzt, aber dabei immer noch erstaunlich kräftig und hellwach. „Für Sport hatte ich nie Zeit.“ Klar machen die alten Knochen inzwischen manchmal Schwierigkeiten. „Bis 14 Uhr, das reicht, dann bist du schon geschafft“, berichtet er. Aber Zeit dafür, beim Wirt in Straußdorf Karten zu spielen, den Stammtisch zu besuchen oder mal einen Ausflug zu machen, bleibt immer. Auch wenn die Weggefährten von einst, mit denen der „Kurbi“ immer gerne unterwegs war, altersbedingt immer weniger werden. Auch seine Frau Resi ist schon gestorben.

Kammerloher ist ein gebürtiger Markt Indersdorfer. Die Eltern hatten dort einen Bauernhof, auf dem alle Geschwister mithelfen mussten. Als die Arbeit auf dem Hof soweit gut organisiert war, meinte Kammerlohers Vater: „Jetzt könnte eigentlich einer einen Beruf lernen.“ So kam es, dass für den „Kurbi“ damals der Beruf des Metzgers ausgesucht wurde. Lange gefragt wurde er dabei nicht.

Per Zeitungsannonce nach Grafing

Nach Grafing kam der junge Handwerker 1963, weil er in einer Zeitungsannonce gelesen hatte, dass hier aus gesundheitlichen Gründen eine Metzgerei verpachtet wird. Die lag ein paar Schritte von der heutigen Produktionsstätte entfernt. Nach fünf Jahren führte der dortige Juniorchef den Betrieb dann aber selbst wieder weiter und Kammerloher machte sich mit einer eigenen Metzgerei selbstständig. „Ich habe ein Grundstück gekauft mit einem alten Haus drauf.“ Grafing sei damals schon eine gute Geschäftslage gewesen. „Ein Jahr hat es gedauert, bis der Plan genehmigt wurde und die Bauzeit hat auch ein Jahr gedauert“, wie sich Kammerloher sen. erinnert. St. Bürokratius war damals schon nicht gerade der Schutzheilige derjenigen, die einen Betrieb gründen wollten. 1969 begann die Produktion im eigenen Betrieb, bis das Schlachthaus in seiner jetzigen Form, wie es heute noch betrieben wird, endlich genehmigt wurde, vergingen von 1971 bis 1984 13 lange Jahre. Daran erinnert sich der 90-Jährige genau. „Das kann ruhig in der Zeitung stehen“, ärgert er sich heute noch.

„Wenn du hinterher überlegst, ob du was falsch gemacht hast, 0dann hast du bereits etwas falsch gemacht.

Haben sich die Zunft und die Anforderungen im Laufe der Jahrzehnte verändert? „Früher gab es weniger Laufkundschaft, da waren die Kunden treuer. Heute gehen sie überall hin und das ist auch ok“, berichtet Kammerloher aus seiner langen Berufserfahrung. „Damals gab es Leute, die haben jede Woche genau das Gleiche eingekauft.“ Er selbst isst auch gerne Fleisch. „Mit Sicherheit mehr als der Durchschnittsbürger“, sagt er. Es darf ruhig auch mal etwas fetter sein, auch beim Rindfleisch. Da seien Substanzen drin, die seien gut für die Gelenke, weiß der 90-Jährige. „Heutzutage essen die Leute lieber etwas Mageres.“ Wenn allerdings Männer zum Einkaufen gehen, „darf’s auch ein bisschen fetter sein“, sagt Kammerloher und zwinkert.

„Es wird nirgendwo so viel Kesselfleisch gegessen wie in Grafing“

Seit der Junior den Betrieb übernommen hat, führt er die Geschäfte und die Produktion, der Senior ist im Laufe der Jahre in den Hintergrund getreten. „Das funktioniert gut, wenn alle zusammenarbeiten.“ Die Grafinger haben anscheinend öfter Lust auf ein deftiges Essen. „Es wird nirgendwo so viel Kesselfleisch gegessen wie in Grafing“, berichtet Kammerloher sen. Dabei gibt es nicht nur Wammerl mit Kraut, sondern auch wieder Innereien, zum Beispiel beim Wirt in Straußdorf.

Seinen 90. Geburtstag braucht der „Kurbi“ nicht irgendwo zu feiern, „weil die alle zu mir ins Haus kommen“, sagt er über seinen Freundeskreis. Früher ist er schon mal auf Reisen gegangen. „Aber Urlaub kann auch anstrengend sein. Dabei sollst du dich ja eigentlich erholen. Manche brauchen nach dem Urlaub ja schon wieder Urlaub.“

Dass er ein Leben lang Metzger war und ist, bereut Kammerloher sen. nicht, obwohl er bei der Berufswahl nicht das größte Mitspracherecht hatte. „Früher hast du von den Eltern vielleicht das erste Radl geschenkt bekommen, alles andere musstest du dir dann selbst verdienen. Mir hat der Beruf gefallen und dann habe ich mir gedacht: Da bleibst jetzt halt dabei.“ Er sei nicht der Typ, „der etwas Großes will“. Deswegen sei der Betrieb auch überschaubar geblieben „mit wenig Personal“. Mit der Hände Arbeit Geld zu verdienen sei zwar mühsam, „aber ich habe eine gute Zeit erwischt“. Er sei immer noch ein positiver Mensch, schätzt sich der bald 90-Jährige selbst ein. „Wenn du hinterher überlegst, ob du was falsch gemacht hast, dann hast du bereits etwas falsch gemacht“, philosophiert er. Dann geht es wieder ins Schlachthaus. Die Arbeit ruft.

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