Böse Gäste unseres Planeten: Falk Richter über die Uraufführung von Elfriede Jelineks „Asche“
Falk Richter inszenierte die Jelinek-Uraufführung „Asche“ an den Münchner Kammerspielen. Wir sprachen vor der Premiere mit dem Regisseur.
„Wer schreibt, kann unmöglich gleichzeitig denken“, heißt es in Elfriede Jelineks neuem Theatertext „Asche“. Immer wieder finden sich solche rätselhaften, fast mystischen Sätze in diesem Stück, das subjektiver, „privater“ wirkt als frühere Werke der Literatur-Nobelpreisträgerin. Ein Gespräch mit dem Regisseur Falk Richter, der die Uraufführung von „Asche“ an den Münchner Kammerspielen inszeniert, Premiere ist am Freitag, 26. April 2024.
Ist „Asche“ das bisher
persönlichste Stück von Elfriede Jelinek?
Ja, das empfand ich auch so. Ich hab ja schon zwei Jelinek-Stücke inszeniert und sehr viele andere gesehen, aber so emotional berührend wie dieses war bisher noch keines. Bisher waren Jelinek-Texte oft hart und auf Angriff gebürstet, aber auch lustig, und das ist hier nicht so. Das Stück kommuniziert sehr mit den Zuschauern, die das ja auch kennen, worum es diesmal geht: die Angst vor der Einsamkeit, dem Leiden, dem Älterwerden.
Kommt vielleicht deshalb im Text das Wort Gott
gehäuft vor?
Das hat mich auch überrascht, aber es liegt wohl daran, dass in Elfriede Jelineks Leben etwas Fundamentales passiert ist, das ihr den Boden unter den Füßen weggerissen hat, nämlich der Verlust des Lebenspartners, mit dem sie 50 Jahre zusammen war. Das sieht man im Text, wenn sie etwa Gott anklagt, wie er es zulassen konnte, dass der Mensch neben ihr vor der Zeit gestorben ist. Sie landet auf jeder zweiten Seite bei Gott und dem Schmerz über den Verlust ihres Mannes. Es ist schon ein Trauertext einer großen Schriftstellerin, die jetzt nicht mehr so recht weiterweiß. Sie ist auch ganz aus München weg und nach Wien zurückgezogen in das Haus, wo sie aufgewachsen ist.
Ist es ein religiöses Stück?
Man kann es keiner bestimmten Religion zuordnen, es ist eher ein Stück über existenzielle, grundlegende Fragen des Menschseins: Was ist das Leben überhaupt, was ist Tod, gibt es eine Schöpfung, wer ist der Schöpfer, wo ist mein Mann jetzt, ist der jetzt nur Asche, oder gibt es noch eine Welt nach unserem Leben, gibt es das „Ewige“, also etwas, das immer schon da war und überdauert und auch nach dem Ende der Menschheit noch da sein wird? Das ist heute ungewohnt auf dem Theater, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.
Ist es besonders schwierig, Elfriede Jelineks offene „Textflächen“ zu inszenieren, die quasi keine
Leitplanken haben?
Einerseits ist es sogar leichter, weil man eine große Freiheit hat und mit diesen Texten viel machen kann, die halten viel aus. Wenn man mit einem Jelinek-Text arbeitet, ist man immer eine Art Co-Autor, der den Text zu einem spielbaren Stück macht. Der Lektor hat mir mal gesagt: „Du musst da rangehen wie mit ner Axt.“ Jelinek erwartet das eigentlich sogar. Sie sagt manchmal im Text „Ich versteh das hier alles selbst nicht“. Andererseits ist es aber schwieriger, diese Texte zu inszenieren, denn man muss eben drauf achten, dass man nicht nur irgendeinen Blödsinn macht, sondern Struktur reinbringt.
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Und wie gehen
Sie dabei vor?
Oft sind ja starke Bilder in diesen Texten versteckt, und die hole ich mir als Orientierungspunkte raus. In „Asche“ ist das etwa eine Stelle, an der es heißt: „Was waren wir doch für böse Gäste?“ Damit sind wir Menschen als Gäste auf diesem Planeten gemeint, den wir kaputt machen. Außerdem lege ich manchmal schon bestimmte Figuren fest, obwohl in den Texten praktisch keine Figuren vorgesehen sind. Diesmal ist ja die Schauspielerin Ulrike Willenbacher als Gast dabei, die ist von meinem Ensemble altersmäßig am nächsten an Frau Jelinek dran, da ergibt es sich dann einfach, dass sie die sehr persönlichen Textpassagen von Jelinek spricht.

Ist nicht auch das Thema Künstliche Intelligenz so ein starkes Bild in Elfriede Jelineks Text?
Ja, auf den zehn letzten Seiten geht’s darum, dass die Menschheit sich jetzt eine neue Welt schafft. Da thematisiert Elfriede Jelinek nicht nur solche Ideen wie von Elon Musk, dass wir auf den Mars auswandern sollten. Sondern sie fantasiert erst mal eine Welt ohne Alter und Beschwerden herbei, in der die Hüfte gar nicht kaputtgehen kann, weil man gar keinen eigenen Körper mehr hat. Ich glaube, das hat mit der Erfahrung der Anfälligkeit des eigenen Körpers zu tun und mit dem Erlebnis, wie der Körper des geliebten Partners verfällt.
Wie bauen Sie das ein?
Wir haben Videos in der Inszenierung, die sind alle mit Künstlicher Intelligenz hergestellt, das sind keine realen Bilder mehr. Es gibt auch mal eine Phase ohne Schauspieler auf der Bühne, in der nur noch die Maschinen sprechen. Denn tatsächlich werden ja momentan mit KI viele artifizielle Welten entworfen, und man forscht daran, vieles durch Roboter zu ersetzen. Es geht quasi um den Menschen in der Übergangszeit, in der wir uns befinden.
Das Gespräch führte Alexander Altmann.