Rebecca Horn im Münchner Haus der Kunst: Maschinen wie wir
Das Münchner Haus der Kunst zeigt eine große Retrospektive von Rebecca Horn. Eine spannende, sinnliche, anregende Ausstellung.
Malen verleiht Flügel. Rebecca Horn weiß das. Und lädt uns mit ihren „Brush Wings“ dazu ein, gemeinsam mit ihr abzuheben. Aus Pinseln, Metall und einem Motor hat die Künstlerin 1988 ein vogelartiges Wesen konstruiert. Das hängt jetzt im Münchner Haus der Kunst und schlägt mit seinen Schwingen. Eine Mischung aus Tier und Maschine, durch die Maler-Assoziation sinnlich aufgeladen; ein Wesen, das die Betrachter gedanklich in fantastische Welten tragen kann. Wenn sie sich die Zeit nehmen, hinzuschauen – und mitzufühlen.
Einmal mehr präsentiert Andrea Lissoni, der künstlerische Direktor des Hauses der Kunst, eine große Retrospektive, durch die man in Ruhe wandeln sollte. Sechs Jahrzehnte umfasst das Lebenswerk der 1944 im hessischen Michelstadt geborenen Rebecca Horn. Den beiden Kuratorinnen Jana Baumann und Radia Soukni ist es gelungen, einen Überblick über das kaum zu überblickende Werk der Regisseurin, Autorin, Komponistin, Poetin und Choreografin zu schaffen. Von den ersten bis zu den jüngsten Arbeiten der gerade 80 Jahre alt gewordenen Rebecca Horn reicht die Schau in den weitläufigen Räumen des Hauses der Kunst, das wie gemacht ist für die mitunter raumgreifenden Installationen und Videoarbeiten. Von großformatigen Papierarbeiten aus den Sechzigern, auf die Horn mit kraftvollem Duktus Farbe, Tusche, Bleistift aufgetragen hat, um die Bewegungen der Natur nachzuempfinden, bis hin zu ihrer „Malmaschine. Arie in Schwarz“, die eigenständig schwarze Tinte an die Wand sprüht, selbst zum Künstler wird: Allen Werken gemein ist das ständige Erforschen der Grenzen zwischen Natur und Kultur, Technologie und biologischem Kapital, Mensch und Maschine.

Immer wieder wirft Horn uns auf unser Verhältnis zur Umwelt zurück, lenkt unseren Blick auf die Wunder der Natur. Besonders eindrucksvoll in der Installation mit dem poetischen Titel „Cinéma vérité. Heartshadows for Pessoa (Gesang des Lichts)“ aus dem Jahr 2005. In ein mit schwarz eingefärbtem Wasser gefülltes ㈠Becken sticht in rhythmischen Abständen ein langer Metallstab, um dessen Spitze sich eine zierliche Kupferschlange windet. Die Berührung der Wasseroberfläche wird durch Lichtspiegelung an die Wand dahinter reflektiert. Der Clou: Das Wasser im Becken scheint unberührt, doch in der Reflexion werden die winzigen Bewegungen sichtbar. Ein „wahrhaftiges Kino“, das unsere Wahrnehmung für die flüchtigen Naturphänomene schärft. Gleichzeitig erinnern die Spiegelungen an der Wand an eine Gebärmutter, an Eizelle und Samen, Verschmelzung zu neuem Leben. Da haben wir es, reizvoll vor Augen geführt: Die Umwelt/Natur und den Menschen gibt es nicht – wir sind Teil des Ganzen. Und zerstören mit jeder „Umweltzerstörung“ letztlich: uns selbst.
Deutlich wird das etwa in der Installation „Circle for Broken Landscape“ (1977), in der ein spitzer, maschinell angetriebener Metallstab wie ein Zirkel kreisförmige Bahnen in eine runde Fläche mit Sand zieht. Horns Kommentar auf den Zwang des Menschen, die ganze Welt zu vermessen, abzustecken, zu kategorisieren, zu verwalten, und damit letztlich: brutal zu zerstückeln und zu beherrschen. Ganz schön vermessen. Bis 13. Oktober 2024 im Münchner Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1; Mo., Mi., Fr., Sa., So. 10 bis 20 Uhr, Do. bis 22 Uhr.