Jonas Kaufmanns erste Spielzeit bei den Tiroler Festspielen

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„Wir haben irgendwo vergessen, dass ein Teil dieses Kulturbetriebs ein unterhaltendes Gewerbe ist“, sagt Jonas Kaufmann. Sein Spielplan für Erl soll daran erinnern. © Peter Kneffel/dpa

Er selbst steht nur in zwei Produktionen auf der Bühne, dafür holt er Promis nach Erl: Jonas Kaufmann präsentiert seine erste Saison als Intendant der Tiroler Festspiele.

„Wenn die Dinge ihren Reiz behalten sollen, dann müssen sie sich verändern.“ Eine ganz einfache Sache ist das für Hans Peter Haselsteiner, Präsident der Tiroler Festspiele und milliardenschwerer Strabag-Unternehmer. Oft wurde darüber gelächelt, wie er quasi im Handstreich Jonas Kaufmann als Intendant in Erl durchsetzte – und jetzt ist der Star da. Auf der Bühne des Festspielhauses bei seiner ersten Programm-Präsentation, etwas nervös, (deswegen?) wortreich und mit unverkennbarer österreichischer Dialektfärbung. Der neue Wohnort Salzburg färbt offenkundig ab (hier das aktuelle Interview).

Apropos Salzburg: Erl, das soll noch größer, noch bedeutender werden als bisher, so stellt sich das jedenfalls Landeshauptmann Anton Mattle vor. Der schwärmt von einer „Brücke zwischen Salzburg, Bregenz und München“. Und tatsächlich besteht da eine Chance, denn Jonas Kaufmann soll ja nicht nur Publikum anlocken, sondern auch prominente Kolleginnen und Kollegen. Zumindest in seiner ersten Saison ist ihm dies gelungen. Stars wie Sopranistin Lise Davidsen, die Baritone Luca Salsi, Ludovic Tezier und Georg Nigl oder Bassist René Pape werden auf der Tiroler Bühne stehen – und natürlich der Intendant selbst: Kaufmann übernimmt die Titelrolle in Wagners „Parsifal“.

Von „La bohème“ bis „Parsifal“

In vier Phasen gliedert sich die Erler Saison 2024/25. Die dort regelmäßig aktive Musikbanda Franui kuratiert ein Herbst-Wochenende. Im kommenden Winter gibt es Puccinis „La bohème“ mit Nachwuchskräft­en und Bellinis „I puritani“ konzertant. Der „Parsifal“ folgt zu Ostern und soll jährlich gezeigt werden. Und im Sommer 2025 riskiert Kaufmann sogar die 2023 uraufgeführte Oper „Picture a Day like this“ von George Benjamin sowie Bartóks „Blaubart“, gekoppelt mit Poulencs „La voix humaine“. Quasi als Versöhnung für die Traditionalisten offeriert man Verdis „Traviata“, „Troubadour“ und „Rigoletto“ konzertant, ebenso wie Wagners ersten „Walküre“-Akt – mit Kaufmann als Siegmund.

Hausdirigent in Erl wird Asher Fisch, der auch an der Bayerischen Staatsoper oft gearbeitet hat. Der gebürtige Israeli ist, wie er bei der Programmvorstellung erzählte, inzwischen Österreicher und wohnt unweit von Erl. Zur neuen Tiroler Kaufmann-Familie stößt ein „alter Erler“, wie es der Star-Tenor ausdrückte. Es ist Andreas Leisner, er war einst rechte und linke Hand des Festival-Gründers Gustav Kuhn, der unter anderem wegen #MeToo-Vorwürfen geschasst wurde.

Was bedeutet: Kaufmann, der international Vielgefragte, braucht einen Statthalter. „Ich werde so viel als möglich hier sein, aber ich kann leider nicht von Tag eins der Probenarbeit bis zur letzten Aufführung vor Ort sein“, sagt der neue Intendant. „Und ich habe sofort angefangen, massive Lücken in die Planung zu reißen, um künftig mehr präsent zu sein.“ Er habe mit Erl einen großen Schuh zu füllen, „den ich mir selber hingestellt habe“. Einziges Problem: Da 2025 Passionsspiele in Erl sind, steht das große Passionsspielhaus nicht zur Verfügung, alles muss im kleineren Festspielhaus gezeigt werden.

Quotenregelung für die Regie

Regietechnisch will sich Kaufmann nicht festlegen auf einen Stil. Mit Claus Guth, Damiano Michieletto und dem zahm gewordenen Calixto Bieito kommen Vertreter der gemäßigten Moderne. Um sich diese Promis zu leisten, setzt Kaufmann auf Koproduktionen, bei Bartóks „Blaubart“ zum Beispiel mit der Maggio Musicale in Florenz. Auf keinen Fall, so Kaufmann, wolle er „Abonnenten umerziehen“, wie es an vielen Theatern üblich sei. „Wir haben irgendwo vergessen, dass ein Teil dieses Kulturbetriebs ein unterhaltendes Gewerbe ist.“ Darüber hinaus führt Kaufmann eine Quotenlösung ein: In jeder Saison soll mindestens eine Frau Oper inszenieren. „Der Blickwinkel von weiblicher Seite stellt sich oft interessanter und ganz anders dar“, begründet dies Kaufmann. „Es gibt kaum ein Stück ohne #MeToo in der Oper. Daher ist es interessant zu sehen, wie man das von weiblicher Seite betrachtet.“

Bislang kosten die teuersten Karten in Erl 150 Euro. Der neue Intendant kündigte an, diese „schrittweise und vorsichtig“ zu erhöhen. Das habe weniger mit der Promi-Dichte auf der Bühne zu tun, als vielmehr mit allgemeinen Kostensteigerungen. Es bleibe aber dabei, dass „sehr günstige Kategorien“ angeboten werden. Und wer erwartet hat, dass Kaufmann seine zweite Frau, die Regisseurin Christiane Lutz, ins Erler System einschleust, sah sich getäuscht. „Ein Engagement meiner Gattin würde dazu führen, dass man mir Vetternwirtschaft vorwirft.“ Vielleicht ergebe sich ja in künftigen Jahren etwas. Und einen Rippenstoß für Bernd Loebe, den gegen seinen Willen scheidenen Intendanten, platzierte er auch. Der habe einmal gesagt, er wolle nicht fürs lokale Publikum Theater machen. „Das halte ich für extrem fatal und falsch.“

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