Prügel-Opfer muss Strafe zahlen

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Ein salomonisches Urteil fällte der Amtsrichter in Dachau. © Stefan Puchner/DPA

Ein 29-Jähriger wurde übel zusammengeschlagen und soll dafür nun auch noch eine Strafe zahlen? Ja, fanden Staatsanwaltschaft und Richter.

Dachau - Auf der Kreuzung Anton-Hackl- und Kleiststraße kam es am späten Abend des 28. Oktober 2023 zu einem Beinahe-Unfall. Ein hochmotorisierter BMW mit vier Insassen war auf der Anton-Hackl-Straße in Richtung Südosten unterwegs, als er im Kreuzungsbereich mit der Kleiststraße plötzlich einem Dacia, der aus Richtung Münchner Straße gekommen war, ausweichen musste.

Die Folgen eines Beinahe-Unfalls

Klar ist: Die Dacia-Fahrerin, die mit ihrem Sohn unterwegs war, hätte die Vorfahrt des BMW beachten müssen, in der Kreuzung gilt Rechts vor Links. Doch der BMW-Fahrer reagierte blitzschnell, riss das Steuer herum, bremste und touchierte ein Verkehrszeichen. Der Sachschaden war damit gering, verletzt wurde niemand, die Sache ging glimpflich aus – könnte man meinen.

Doch was sich im Anschluss an diesen Beinahe-Unfall ereignete, sollte in der vergangenen Woche das Amtsgericht beschäftigen. Auf der Anklagebank: der Beifahrer im Dacia. Als Zeugen geladen: die vier BMW-Insassen. Der Vorwurf: Körperverletzung.

Laut Staatsanwaltschaft soll der 29-jährige Sohn der Dacia-Fahrerin nämlich wie von der Tarantel gestochen aus dem Auto gesprungen, den BMW-Fahrer zur Rede gestellt, geschubst und geschlagen haben. Auch auf zwei weitere Insassen des BMW soll er losgegangen sein und diese gegen Kopf und Hüfte getreten haben.

Verletzt wurde nur einer: der Angeklagte

Der 29-Jährige und sein Anwalt aber sahen die Sache ganz anders. Der Verursacher des Beinahe-Zusammenstoßes sei nicht seine Mutter, sondern der viel zu schnell über die Anton-Hackl-Straße rasende BMW gewesen. Außerdem sei der Angeklagte es doch gewesen, der die Polizei verständigt und – nachweislich – üble Verletzungen davon getragen habe! Sein Anwalt fasste es so zusammen: „Wir wundern uns, dass wir auf der Anklagebank sitzen, denn mein Mandant ist der einzige Geschädigte.“ Ja, es habe „den Vorfall“ und „einen verbalen Disput“ gegeben. Doch „die körperliche Gewalt“ sei vom BMW-Fahrer ausgegangen!

Der 29-Jährige, der bis dato nie strafrechtlich in Erscheinung getreten war und sein Geld als Kfz-Mechatroniker verdient, nickte zustimmend. Er könne, so erklärte er konsterniert, „nicht nachvollziehen, dass ich mich in Deutschland von vier Leuten verprügeln lassen muss und dann noch verurteilt werde“.

Dank Richter Stefan Lorenz sollte es ganz so weit nicht kommen. Denn auch Lorenz gab zu, dass – würde er bei der Staatsanwaltschaft arbeiten – die Sache nicht angeklagt hätte. Natürlich, so seine feste Überzeugung, habe der 29-Jährige den Streit vom Zaun gebrochen, sei auf den vermeintlich viel zu schnell fahrenden BMW-Fahrer losgegangen und war dabei auch noch schwer angetrunken. Doch die BMW-Insassen hätten sich nicht anpöbeln lassen, im Gegenteil: Es setzte eine heftige Abreibung für den 29-Jährigen, deren blutige Folgen Fotos aus dem Dachauer Krankenhaus eindeutig belegen.

Und es stimme ja auch, so Lorenz: Zur Polizei ging der 29-Jährige. Die vier BMW-Insassen seien nach dem Vorfall einfach davongefahren. Schmerzen oder Verletzungen, die es in den Augen der Staatsanwaltschaft aufgrund der mutmaßlichen Prügel des Angeklagten hätte geben müssen, machten sie nie geltend.

Was also tun? Richter Lorenz fand eine salomonische Lösung: Die Sache wurde gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2400 Euro, die mildtätigen Zwecken zugutekommen sollen, eingestellt. Damit gilt der 29-Jährige nicht als vorbestraft – und muss deutlich weniger zahlen, als die Staatsanwaltschaft ursprünglich gefordert hatte. In einem ersten Strafbefehl war nämlich noch die Rede von 3600 Euro gewesen.

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