419 Euro für Adele – und die Kleinen?: Kulturbotschafter appelliert: „Bitte unterstützt auch eure lokalen Künstler“
Pop-Superstars ziehen die Massen an. Währenddessen hat es die lokale Kulturszene deutlich schwerer. Der Geschäftsführer des Bundesverbands für Konzertwirtschaft erklärt, warum einige wenige Künstler die Fans so in den Bann ziehen.
Garmisch-Partenkirchen – Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Der britische Popstar Adele kommt für zehn Konzerte nach München. Für ihre Shows wird auf dem ehemaligen Messegelände in Riem extra ein Stadion errichtet. Die Nachfrage nach Tickets für die berühmte Sängerin war riesengroß. Bis zu 419 Euro – für einen Platz vor der Tribüne – wurden hingeblättert.
Der Pop-Superstar zieht die Massen an, ihre Konzerte sind für die Stadt München ein großer Wirtschaftsfaktor. Aber was ist mit der lokalen Kulturszene? „Nichts gegen Adele, gute Künstlerin“, schreibt der Loisach Marci, der Partenkirchner Musiker Marcel Engler, der am Donnerstag, 11. Apri,. mit seinem Alphorn-Techno im Café Krönner auftritt, auf Facebook. „Aber 419 Euro für ein Ticket? Und ,mia‘ bauen in München-Riem ein Pop-Up-Stadion für 80 000 Besucher.“ Während es im lokalen Raum, wie in Garmisch-Partenkirchen, was Kulturlocations angeht, dünn aussieht. „Warum geht es immer ums Geld?“, fragt Engler, Kulturbotschafter des Landes Bayern. „Unterstützt bitte auch eure lokalen Künstler.“ Die haben es deutlich schwerer.

Lokale Kulturszene: Kulturbeutel in Garmisch-Partenkirchen verzeichnete 2023 erstmals dickes Minus
Beispiel Kulturbeutel. Der gemeinnützige und ehrenamtliche Kulturveranstalter in Garmisch-Partenkirchen ist im 2023 „erstmals mit einem dicken Minus“ aus dem Jahr gegangen, erzählt Chef Markus Schneider. Der Vorverkauf läuft bei vielen Veranstaltungen schleppend. Eher holen sich Kurzentschlossene an der Abendkasse noch Tickets. Die Preise für Karten hat sein Betrieb stabil bei 27 Euro halten können. Aber auch der Kulturbeutel hat mit gestiegenen Kosten zu kämpfen. Gerade wenn er Events draußen im Kurpark veranstaltet, ist das mit einem enormen finanziellen Aufwand beim Aufbau verbunden.
Hinzu kommt: An einigen Abenden bleiben vielen Plätze leer. Größen aus der Musik oder aus der Kleinkunst wie zuletzt mit dem Kabarettisten Martin Frank oder der Band Django 3000 ziehen das Publikum schon an. Newcomer haben es hingegen schwer. „Die Zuschauer, die etwa in der Kleinkunst einen neuen Künstler entdecken wollen, neugierig sind, diese Gruppe bricht uns weg“, sagt Schneider. Der Kulturbeutel hat sich etwas überlegt, um die Zuschauer anzulocken: Im Herbst und im Advent warb man an der Abendkasse und online mit Rabatten für Karten für die kommenden Veranstaltungen. „Um die Hemmschwelle zu lindern.“

Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft: Situation kleiner Künstler macht Sorgen
Die Situation kleiner Künstler und kleiner Kulturbetriebe macht auch dem Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft Sorgen. In der Musik-Szene gibt es schon lange einen „Superstar-Markt“, erklärt Verbandsgeschäftsführer Johannes Everke. „Der Erfolg konzentriert sich überproportional auf ganz wenige Künstler.“ Und für die zahlen die Fans auch mal stolze Preise. Wobei sie abwägen: „Die Menschen gehen vielleicht noch zu Adele, aber nicht mehr in einen anderen Club, der die Einnahmen auch brauchen könnte.“
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Konzert-Tickets sind teurer geworden. Everke zufolge durchschnittlich um 15 Prozent. Dafür nennt er mehrere Gründe. Zum einen: Das Live-Geschäft ist zu einem wichtigen Umsatzfaktor geworden. Das ging damit los, dass in den 2000er Jahren die CD-Verkäufe einbrachen. „Damit fiel etwas weg, das der ganzen Musikbranche viel Einkommen gebracht hat. Das konnte durch Streaming nicht komplett kompensiert werden.“ Denn die Algorithmen bei Spotify oder YouTube spülen immer wieder dieselben, bereits erfolgreichen Künstler nach oben. So erzielen nur wenige große Reichweiten. Zum anderen ist der Aufwand für die Shows enorm gestiegen. „Die Ansprüche des Publikums haben sich verändert, die Konzerte sind zu multimedialen Shows geworden“, sagt Everke.
Kulturbotschafter: Lokale Künstler brauchen ihre Bühne, wo sie sich ausprobieren können
Kleine wie große Bands leben dafür, auf der Bühne zu stehen. So auch die Edelweiß Bluegrass Band aus Garmisch-Partenkirchen. Schlagzeuger Mike Wimmer ist nicht unzufrieden, wie es für seine Band läuft. „Bei uns steht der Spaß im Vordergrund, wir spielen vor 30 Leuten genauso wie vor 300.“ Aber ihm schmerzt, dass seiner Gruppe die Auftritte im Rahmen der Reihe „Musik im Park“ gekürzt wurden. „Früher haben wir da jeden Dienstag Tanzmusik gespielt“, erzählt er. „Heute einmal im Monat.“
Trotz aller Schwierigkeiten: Wimmer bleibt zuversichtlich. Genauso wie die Verantwortlichen beim Kulturbeutel. Die haben 2024 viel vor. Mit der Reihe „Ladies Night“ möchte man Frauen in der Kleinkunst fördern. Auch lokale Künstler sollen unterstützt werden. Geplant ist eine Kooperation mit dem Verein „Feste Feiern“, der neue Impulse für die lokale Kulturszene setzen will.
Für Engler ist es wichtig, dass die Künstler aus der Region ihre Bühne bekommen. Dass alle Künstler, so vielfältig sie sind, sich ausleben können. Dass etwa junge Musiker sich ausprobieren dürfen. „Eine Adele ist auch nicht vom Himmel gefallen.“ Auch sie hat auf kleinen Bühnen angefangen. Für Engler braucht es vor allem eines: „Leute, die den Mut haben, was auszuprobieren.“ Künstler zu engagieren, die vielleicht nicht dem Massengeschmack entsprechen, und dann darauf zu vertrauen, dass das Publikum schon kommt. „Es braucht Kunst, das darf nicht in Frage gestellt werden.“