Nazis raubten seiner Familie die Kunst: Berolzheimer-Nachfahre kämpft um verschollene Werke

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Das „Haus Hügel am Weg“ in Untergrainau, in dem die Familie Berolzheimer bis zu ihrer Flucht wohnte. © Dr. Michael Zehetmair

Michael Berolzheimer kämpft. Um Kunstwerke, die seiner Familie gehören und welche die Nazis in den 1930er-Jahren stahlen. Das „Haus Hügel am Weg“ in Untergrainau war Schauplatz des Verbrechens. BR-Redakteur Dr. Michael Zehetmair erzählt nun die Geschichte jener jüdischen Familie, die Grainau ihre Heimat nannte.

Grainau/Little Saint Simons Island – Es sind rund 600 Grafiken und 800 Handzeichnungen, um die Michael Berolzheimer kämpft. Von Amerika aus, auf der kleinen Insel Little Saint Simons Island im US-Bundesstaat Georgia. Das Eiland gehört seiner Familie. Rund um Thanksgiving kommt sie in dem wilden Naturidyll mit ein paar Ferienhäusern zusammen. Dort redet sie manchmal über die Kunstwerke, die ihrem Vorfahren, ebenfalls ein Michael Berolzheimer, vor über 80 Jahren in Untergrainau gestohlen wurden. Warum, erklärt Dr. Michael Zehetmair in einem Beitrag im Rahmen des ARD-Projekts „Kunst, Raub und Rückgabe – Vergessene Lebensgeschichten“ (siehe Sendehinweis).

Der Leitende Redakteur im Kulturbereich des Bayerischen Rundfunks hat samt Kamerateam die Familie in den USA besucht. Michael Berolzheimer ist Nachfahre des jüdischen Ehepaars Michael (1886 bis 1942) und Melitta Berolzheimer. Diese stammen ursprünglich aus dem fränkischen Raum. Doch zog es sie 1904 in die Berge, nach Untergrainau. Dort kauften sie ein Anwesen, welches sie „Haus Hügel am Weg“ nannten. Dort brachten sie auch jene Kunstwerke unter, um die ihre Nachfahren seit Jahrzehnten kämpfen.

Jüdische Familie fühlte sich wohl in Untergrainau - bis die Nazis kamen

Sein Vorfahre Michael Berolzheimer war Sohn von Heinrich Berolzheimer (1836 bis 1906), Unternehmer und Chef einer großen Firma in Fürth, die Bleistifte herstellte. Er studierte in München Jura und arbeitete kurz als Rechtsanwalt. 1902 heiratete er Melitta Schweisheimer. Sie bekamen zwei Kinder und zogen 1904 nach Untergrainau. „Nach allem, was man weiß, hat sich die Familie dort sehr wohlgefühlt“, sagt Grainaus Heimatforscher Peter Schwarz.

Bei den Dreharbeiten in den USA: (v.l.) Michael Berolzheimer wird von Kameramann Steve McMillan (r.) und seinem Assistenten gefilmt.
Bei den Dreharbeiten in den USA: (v.l.) Michael Berolzheimer wird von Kameramann Steve McMillan (r.) und seinem Assistenten gefilmt. © Dr. Michael Zehetmair

Als wohlhabender Firmenerbe konnte sich Michael Berolzheimer die Freiheit nehmen, im Werdenfelser Land in gewisserweise als Privatier zu leben. Er brachte sich aber auch vor Ort ein. So war er Geldgeber beim Ausbau des Krepbachs gegen Hochwassergefahr. Berolzheimer interessierte sich seit jeher für die jüdische Geschichte und Kultur in Bayern. Doch seine große Liebe galt der Kunst. Er bildete sich zu einem Experten für Druckgrafiken weiter, sammelte diese und besaß schließlich eine beachtliche Anzahl an Grafiken und Handzeichnungen, unter anderem von Niederländern, italienischen Barockmalern und aus der deutschen Romantik, darunter eine Ölskizze des „Armen Poeten“ von Carl Spitzweg.

Berolzheimer zögerte nach der Machtübergabe an die Nazis lange, ob er sich der Judenverfolgung entzieht

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 zögerte Berolzheimer lange, sich der Judenverfolgung zu entziehen. Nach der Reichsprogrom-Nacht im November 1938 blieb der Familie nichts anderes übrig, als über die Schweiz in die USA zu fliehen. Seine Sammlung musste Berolzheimer zurücklassen, da sie zum „nationalen Kulturgut“ erklärt wurde. Auch sein Grundbesitz in Untergrainau wurde arisiert.

Seit Kriegsende bemühen sich seine Erben um die Rückgabe der geraubten Kunstgegenstände. 1950 bekamen sie die ersten Dutzend Grafiken aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, weitere aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, dem Kurpfälzischen Museum Heidelberg und von der Wiener Albertina folgten.

Doch noch immer sind zahlreiche Werke verschollen, dürften sich entweder in Museen oder in Privatbesitz im deutschsprachigen Raum oder darüber hinaus befinden. Nachfahre Berolzheimer hat deshalb einen deutschen Mittelsmann angestellt, der sich für den US-Amerikaner auf die Suche begibt.

SENDEHINWEIS

Der Beitrag über Michael Berolzheimer wird im Rahmen des Projekts „Kunst, Raub und Rückgabe – Vergessene Lebensgeschichten“ am Dienstag, 9. April, um 23.25 Uhr auf ARD alpha erstausgestrahlt. Ab dann ist er in der Mediathek des ARD zu sehen.

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