Details zu Putins Memorandum: Russland legt Ukraine zwei absurde Optionen für Waffenruhe vor

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Die Ukraine fordert eine Waffenruhe. Doch das Memorandum des Kreml knüpft dies an Bedingungen. Die russischen Forderungen sind äußert schwer.

Istanbul – Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im türkischen Istanbul am Montag (2. Juni) dauerten etwas länger als eine Stunde. Das wichtigste Ergebnis war wie schon bei der ersten Runde am 15. Mai die Einigung zum Austausch von Gefangenen und Leichen im großen Stil. Die restlichen Positionen: Weitgehend unvereinbar, wie die Memoranden der beiden Länder zeigen, die in Istanbul ausgetauscht wurden. Russland stellt demnach besonders schwere Forderungen an die Ukraine, die einer vollständigen Kapitulation gleichkommen würden.

Ukraine-Verhandlungen in Istanbul: Russland stellt harte Forderungen an die Ukraine

Das russische Memorandum, das von russischen Staatsmedien veröffentlicht wurde, besteht aus drei Abschnitten: Die generellen Parameter einer finalen Lösung des Krieges, Bedingungen für eine Waffenruhe und die Reihenfolge der Schritte beziehungsweise ein Zeitrahmen. Verlangt wird von der Ukraine in Punkt eins eine international bindende Anerkennung, dass die Halbinsel Krim, die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja Teil der Russischen Föderation seien. Die ukrainische Führung hatte eine solche Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion stets kategorisch abgelehnt. Mit dem Memorandum bleibt Moskau bei seinen Maximalforderungen.

Im ersten Abschnitt fordert Russland zudem eine Verpflichtung der Ukraine zur Neutralität und Blockfreiheit - gemeint ist der verbindliche Verzicht etwa auf eine Mitgliedschaft in der Nato. Stützpunkte oder Truppenstationierungen dritter Staaten soll es nicht geben. In den weiteren Punkten, von denen bisher einige bekannt waren, geht es um eine Bestätigung des atomwaffenfreien Status des Ukraine und um Begrenzungen der Zahl ukrainischer Soldaten. So fordert Moskau auch die Auflösung nationalistischer militärischer Gruppierungen und der Nationalgarde. 

Für eine dauerhafte Beilegung des Konflikts verlangt Moskau auch den Schutz der Minderheitsrechte der russischen und der russischsprachigen Bevölkerung und die Anerkennung von Russisch als Amtssprache. Verpflichten solle sich Kiew zudem aus Moskauer Sicht, alle Sanktionen aufzuheben und die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen. Selbst eine Wiederaufnahme des Gas-Transits durch die Ukraine nach Europa ist in dem Papier aufgeführt.

Ukraine-Krieg - Verhandlungen in Istanbul
Delegationen der neuen direkten Verhandlung zwischen Russland und der Ukraine kommen unter türkischer Führung zusammen © Alexander Ryumin/TASS via ZUMA Press/dpa

Ukraine-Verhandlungen in der Türkei: Putin stellt Kiew vor die Wahl – fast identische Optionen

Für eine Waffenruhe stellt Russland die Ukraine im zweiten Abschnitt vor die Wahl unter zwei Optionen. Die zwei vorgelegten Varianten sind jedoch in der Hinsicht absurd, dass sie mehr oder weniger auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen. Die erste Variante sieht einen vollständigen Abzug ukrainischer Truppen aus den von Moskau annektierten ukrainischen Gebieten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson vor, die bisher nur teils von russischen Truppen kontrolliert werden. Hinzu kommt: Die ukrainische Armee soll sich von der gesamten russischen Grenze bis zu einer nicht näher definierten Entfernung zurückziehen. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte zuletzt betont, man wolle eine Pufferzone schaffen.

Die zweite Variante für eine Waffenruhe sieht ein Ende der Kampfhandlungen entlang des derzeitigen Frontverlaufs vor. Dabei soll Kiew die Mobilmachung beenden, und es sollen keine ausländischen Waffenlieferungen mehr ins Land gelangen. Überwacht werden soll die Feuerpause über ein gemeinsames Zentrum, das noch zu gründen wäre. Russland fordert in der zweiten Variante außerdem die Aufhebung des Kriegsrechts und sofortige Wahlen.

Nun zum absurden Aspekt: Im letzten Artikel des zweiten Abschnittes heißt es, die Ukraine müsse eine Einigung zur Durchführung der Punkte im ersten Abschnitt unterzeichnen. Dies bedeutet, dass sich die Ukraine dazu verpflichtet, die von Russland annektierten Regionen als russisch zu anerkennen - wie schon in der ersten Option gefordert - sowie alle weiteren Forderungen im ersten Abschnitt umzusetzen. So lässt der Kreml der Ukraine im Grunde keine andere Wahl außer einer vollständigen Kapitulation.

Ukraine-Verhandlungen in Istanbul: Kiews Memorandum lehnt Anerkennung russischer Besatzung ab

Das eigene Memorandum der Ukraine, das an Russland übergeben wurde, sieht selbstverständlich ganz andere Entwicklungen vor. So fordert die Ukraine etwa eine direkte, bedingungslose Waffenruhe von 30 Tagen. Außerdem soll die Ukraine nicht zur Neutralität gezwungen werden. Eine Mitgliedschaft bei der EU oder der Nato soll möglich sein.

Gleichzeitig soll es auch keine Beschränkung der ukrainischen Armee weder bei Personal noch bei Ausrüstung geben. Die Stationierung der Armeen von „freundlichen Ländern“ auf ukrainischem Boden soll gestattet sein. Und der wichtigste Punkt: Die von Russland seit 2014 besetzten Regionen sollen international nicht als russisch anerkannt werden. Der aktuelle Frontverlauf soll als Ausgangspunkt für Verhandlungen dienen, wobei territoriale Fragen erst nach einer Waffenruhe besprochen werden sollen.

Die ukrainische Delegation erklärte nach den Gesprächen in Istanbul, Russland lehne eine bedingungslose Waffenruhe ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj brachte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Unian ein Vierer-Treffen unter den Staatschefs der Ukraine, Russland, USA und der Türkei ins Spiel. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich kurz zuvor ähnlich geäußert. „Ohne unser Treffen wird es, so habe ich das Gefühl, keinen Waffenstillstand geben“, so Selenskyj. Kurz vor den Verhandlungen startete die Ukraine einen Großangriff auf russische Stützpunkte mit „Operation Spinnennetz“. (bb/dpa)

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