„Er ist ein chronischer Lügner“: Ramelow warnt vor Höcke-Sieg bei Thüringen-Wahl

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) © IMAGO/Jacob Schrter

Thüringens Ministerpräsident wirft der AfD vor, die Solingen-Debatte vor der Thüringen-Wahl anzuheizen. Für Gespräche mit „demokratischen Parteien“ ist Ramelow offen.

Erfurt – Seit knapp zehn Jahren regiert Bodo Ramelow als Ministerpräsident in Thüringen – als erster und einziger Linken-Politiker in Deutschland. Am Sonntag (1. September) wählt der Freistaat ein neues Landesparlament. Umfragen zufolge wird Ramelows Minderheitsregierung aus Linke, Grüne und SPD nicht weiter bestehen können. Auch eine dritte Amtszeit für den thüringischen Ministerpräsidenten erscheint mit Blick auf die Umfragewerte vor der Thüringen-Wahl unwahrscheinlich.

Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA sagt Ramelow über die bevorstehende Wahl: „Ich habe immer noch eine Chance, den Wählerauftrag zur Regierungsbildung zu bekommen.“ Mit Ausnahme der AfD betont der Spitzenkandidat der Linken jedoch: „Ich würde aber auch jeden anderen einer demokratischen Partei unterstützen, der den Auftrag bekommt.“ Er kämpfe im Wahlkampf „gegen keine demokratische Partei“. Seine Aufgabe sehe er vielmehr im „Kampf gegen die Normalisierung des Faschismus“. Diese Normalisierung wirft der Linken-Politiker thüringischen AfD-Kandidaten wie Björn Höcke und Stefan Möller vor.

AfD wirbt vor Thüringen-Wahl mit „Höcke oder Solingen“ – Ramelow-Regierung legt Plan vor

Infolge des Messeranschlags in Solingen am Sonntag (25. August) wirbt die AfD im Wahlkampf mit Slogans wie „Höcke oder Solingen“. Bei dem Anschlag tötete ein Attentäter drei Menschen mit einem Messer und verletzte acht weitere Menschen. Experten spekulieren bereits, ob die AfD von der Tat und der daraus resultierenden Debatte bei der Landtagswahl in Thüringen profitieren könnte. Dass die rechtspopulistische Partei indessen überhaupt den Versuch starten könne, aus dem Anschlag Wahlkampf zu machen, erklärt Ramelow, liege daran, „dass wir in Deutschland zu viele einzelne Vorfälle haben“.

Auch in der thüringischen Stadt Waltershausen war es am Montag zu einem Messerangriff gekommen, bei dem ein Mann verletzt wurde. Thüringens Ministerpräsident sieht deswegen Handlungsbedarf, erklärt er. So hat die Landesregierung in Thüringen den Kommunen bereits erleichtert, Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten. Ramelows Regierung hat einen 10-Punkte-Plan vorgestellt.

Landtagswahl in Thüringen: Ramelow bezeichnet Höcke als „chronischen Lügner“

Das „Messer-Thema“ mit einem „Migrationsthema“ gleichzusetzen, hält der thüringische Ministerpräsident jedoch für falsch. „Damit verlieren wir deutsche Täter aus dem Blick“, erklärt Ramelow. Wahlkampf-Slogans wie die der AfD würden eine ohnehin aufgeheizte Debatte nur weiter zuspitzen. Dem thüringischen AfD-Chef Höcke wirft Ramelow vor: „Er heizt die Stimmung gegen Migranten auf, verweigert sich aber jedem Diskurs über Lösungen.“ Höckes Umgang mit Ängsten von Menschen, so warnt Ramelow, „zerstört unser Land“.

Auch wirft er dem AfD-Chef Unehrlichkeit vor: „Herr Höcke ist ein chronischer Lügner“. Dabei verweist der Ministerpräsident auf Höckes Auftritt in der MDR-Sendung „Fakt ist! - Wahlarena Thüringen“. In der Sendung dementierte Höcke eine Aussage über eine von mehr als 40 deutschen Familienunternehmen initiierte Kampagne. Bei einem Auftritt in Sömmerda am Wochenende hatte Höcke über die Initiative gesagt, er hoffe, „dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen“.

Ramelow zeigt sich offen für Gespräche mit „allen demokratischen Parteien“ – trotz BSW-Kritik

In Umfragen zur Thüringen-Wahl liegt Höckes Partei zurzeit bei 30 Prozent. Mit der AfD koalieren möchten jedoch weder CDU, SPD, BSW und Grüne noch FDP. Auch Ramelow betont, die AfD sei die einzige Partei, mit der er eine Zusammenarbeit nach der Landtagswahl ausschließe. „Ich werde mit allen demokratischen Parteien reden“, erklärt der Ministerpräsident. Auch für Gespräche über eine Zusammenarbeit mit dem BSW zeigt sich Ramelow nach der Wahl am Sonntag offen. Dennoch betont der Linken-Politiker gegenüber IPPEN.MEDIA, für ihn seien noch einige Fragen ungeklärt, was Sahra Wagenknechts Partei angeht. Für Ramelow sei beispielsweise unklar, wer beim BSW in Thüringen das Sagen hat.

Für Wagenknechts Partei geht Katja Wolf als Spitzenkandidatin ins Rennen gehen. Wagenknecht hatte jedoch bereits angekündigt, bei möglichen Verhandlungen nach der Wahl in Thüringen mitmischen zu wollen. Auch hatte die ehemalige Linken-Politikerin dabei Forderungen an die CDU gestellt. Auf Wagenknechts Vorstoß reagierte der CDU-Spitzenkandidat in Thüringen, Mario Voigt, abweisend. Voigt schrieb auf X: „Solange Frau Wagenknecht hier die Ansagen macht, habe ich mit dem BSW keine Gesprächsgrundlage.“ Auch Ramelow äußert Unverständnis über Wagenknechts Vorstoß: „Da frage ich mich, was für ein Geist ist da in der Blackbox drin?“

Thüringens Ministerpräsident kritisiert „Ich-AG Sahra Wagenknecht“

Die Gründung der „Ich-AG Sahra Wagenknecht“, erklärt Ramelow, sehe er mitunter als Grund dafür, dass seine Partei „so gegeißelt“ sei. Seit der vergangenen Landtagswahl im Jahr 2019 hat die Partei die Linke nicht nur in Thüringen stark an Zustimmung verloren. Bei der Wahl 2019 erreichte Ramelows Partei noch 31 Prozent der Stimmen. In Umfragen liegt die Linke jüngst bei 14 Prozent.

Ramelow hingegen schneidet in Umfragen bei der Frage nach dem gewünschten Ministerpräsidenten im direkten Vergleich mit Höcke und Voigt nach wie vor am besten ab. Der 68-Jährige betont: „Der Ramelow Effekt ist immer noch wirksam“. Das zeige sich auch im Vergleich mit den Umfragewerten der Linken auf Bundesebene und in anderen Bundesländern. In Umfragen zur Bundestagswahl 2025 sowie zur Sachsen-Wahl am Sonntag ist die Linke unter fünf Prozent gerutscht. (pav)

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