„Meine Situation ist eine Katastrophe“ - Krankenpflegerin muss Deutschland trotz Arbeitsangeboten verlassen
Weil sie einen Korruptionsfall meldete und fortan mit dem Tod bedroht wurde, so erzählt es Tatiana Melissa Olivos Cueto, habe sie ihre Heimat Peru verlassen. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt, bis Freitag muss sie gehen. Dabei würde sie als Krankenpflegerin gebraucht und hätte mehrere Arbeitsangebote. Ein Dilemma, findet Wolfgang Rotter, der ihr zur Seite steht.
„Die Ungewissheit“, steht groß auf dem Handybildschirm von Tatiana Melissa Olivos Cueto. Es ist ein Wort, das der Peruanerin auf Deutsch gerade nicht einfällt, weshalb sie sich kurzerhand eine Übersetzungsapp zunutze macht. Und doch ist es ein Wort, oder viel mehr ein Umstand, der sie seit vielen Monaten begleitet und ihr zu schaffen macht.
Im Juni 2023 kam sie nach Deutschland, sei zunächst von einer Asyleinrichtung in die andere geschickt worden. Seit rund zehn Monaten teilt sie sich mit einer anderen Asylbewerberin einen kleinen Raum eines Containerbaus in Herzogsägmühle. Doch am Freitag muss sie Deutschland verlassen. „Meine Situation ist eine Katastrophe“, sagt sie, während sie ihre Hände knetet.
Sie habe bei ihrer Arbeit in einem peruanischen Krankenhaus bemerkt, dass ein Arzt mit Intensivbetten handelte und diesen Korruptionsfall angezeigt, erzählt sie. Fortan sei sie dort und telefonisch immer wieder massiv mit dem Tod bedroht worden. Später auch Familienmitglieder. Sogar mit einer Pistole sei sie von zwei unbekannten Personen auf einem Motorrad bedroht worden.
Kein Recht auf Asyl
Das Bayerische Verwaltungsgericht hat Zweifel an den Schilderungen. Und selbst „im Falle einer Wahrunterstellung“, so heißt es im Urteil, ergebe sich daraus kein Recht auf Asyl. Zwar sei die Polizei in Peru „dringend strukturell reformierungsbedürftig“, allerdings sei sie fähig „einen zumindest (gerade noch) ausreichenden Schutz der Bürger vor kriminellen Übergriffen“ zu garantieren. Auch habe der Staat „hoheitliche, insbesondere exekutive Eingriffsmöglichkeiten“ im nötigen Maß.
Olivos Cuetos Asylantrag wurde abgelehnt. Eine Klage dagegen scheiterte. Auch eine Duldung erhält sie nicht. Bis Ende August muss Olivos Cueto Deutschland bzw. den Schengenraum verlassen. Dabei würde sie im Landkreis Weilheim-Schongau als Krankenschwester mit abgeschlossener universitärer Ausbildung dingend gebraucht, hätte mehrere Arbeitsangebote in einem Seniorenheim und Krankenhäusern in der Region.
Ausbildung als Pflegerin würde größtenteils anerkannt werden
Bereits im März habe sie das berufliche Anerkennungsverfahren gestartet und abgeschlossen. Ihre peruanische Ausbildung würde größtenteils anerkannt werden, erzählt Wolfgang Rotter. Er hat Tatiana Olivos Cueto vor drei Monaten kennengelernt, als sie in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Kaufbeuren kam, in der sich Rotter engagiert. Erst als man sich schon etwas besser kannte, habe sie von ihrer Situation erzählt. Seitdem hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie zu unterstützen.
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Um fehlende Punkte nachzuholen, damit sie hier als anerkannte Gesundheitsfachkraft gilt, habe sich Olivos Cueto für eine sogenannte Kenntnisprüfung entschieden. Diese hätte sie über ihren Arbeitgeber im Laufe von zehn Monaten machen können, sobald sie ein B2-Sprachzertifikat erhalten würde, mit dem zum Winter zu rechnen gewesen sei. Einen Arbeitsvertrag in einem Krankenhaus hatte sie bereits. Mit Zimmer im dazugehörigen Schwesternwohnheim.
Bevor sie all das wahrnehmen konnte, scheiterte ihr Asylverfahren endgültig, mit der Ablehnung einer Berufung am 16. Juli. Ohne Arbeitserlaubnis wurde der Arbeitsvertrag wieder zurückgezogen. Zwei andere Institutionen, bei denen sie sich ebenfalls beworben hatte, würden jedoch an ihren Angeboten festhalten.
Rotter empfindet es als kurios und nicht nachvollziehbar, dass Olivos Cueto trotz vorliegender Arbeitsangebote ausreisen müsse, weshalb er auf diesen Umstand aufmerksam machen wolle. Obwohl sie also gebraucht werde und selbst für ihre Lebenskosten aufkommen könnte. „Als Laie stellen sich da einem die Nackenhaare zu Berge“, sagt Rotter.
Mit Arbeitsvisum zurück?
Mit Landratsamt und dem Büro der Landrätin habe er intensive Gespräche geführt, den Landtagsabgeordneten Harald Kühn gebeten, eine Petition der Diakonie, die für Olivos Cueto ins Leben gerufen wurde, zu unterstützen. Allerdings seien leider gerade Parlamentsferien, sagt Rotter. „Wir werden wohl nichts mehr daran ändern können, dass du ausreisen musst“, sagt Bruder Wolfgang, wie sie ihn nennt, zu Olivos Cueto. „Aber wir werden alles versuchen.“
Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Mit einem Arbeitsvisum könnte Olivos Cueto zurück nach Deutschland kommen. Weil sie Arbeitsangebote vorlegen könne, habe sie gute Chancen, dass ein solches Visum bewilligt wird, das sei der 36-Jährigen signalisiert worden. Allerdings könne sie dieses Visum nur in ihrer Heimat beantragen, sagen Rotter und Olivos Cueto. Dem Land, in das sie aus Angst eigentlich nicht zurückkehren wollte und es nun wohl dennoch tut.
Zunächst hatte sie mit dem Gedanken gespielt, nach Albanien zu fliegen. Weil es außerhalb des Schengenraums liegt und die Flüge billiger seien. Aber gute Perspektiven habe sie dort wohl nicht.
Tatsächlich hätte sie laut Fachkräfteeinwanderungsgesetz in ihrem Heimatland das Arbeitsvisum beantragen müssen, bestätigt die Agentur für Arbeit Weilheim. Dass das im Drittland geschehen müsse und nicht in Deutschland, sei in besagtem Gesetz so geregelt.
Olivos Cueto und Rotter hoffen nun, dass das Visum in Peru möglichst schnell bewilligt wird. In der Kirchengemeinde habe Rotter bereits Geld für die Tickets gesammelt. Er und Olivos Cueto wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben.
Beschäftigungsduldung
„Abgelehnte Asylbewerber, die in Deutschland arbeiten und bleiben wollen, haben eine Chance, die Erlaubnis zu bekommen, wenn sie gefragte Fachkräfte sind“, heißt es seitens der Agentur für Arbeit Weilheim. Dazu gebe es die sogenannte Beschäftigungsduldung, die beim Ausländeramt beantragt werden könne. Dazu gebe es allerdings einige Voraussetzungen, die Tatiana Melissa Olivos Cueto nicht erfüllt. So steht im Gesetz etwa, dass der „ausreisepflichtige Ausländer“ seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sein müsste und seit mindestens zwölf Monaten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche ausübt.