„Zeig mal den Bizeps“: Deutsche Snowboard-Elite wird in Schongau ins passende Bild gesetzt
Für einige Stunden war Schongau am Dienstag der Nabel der deutschen Snowboard-Welt. Das Weltcup-Team im „Snowboardcross“ machte Station – aus bestimmtem Grund.
Schongau – Vorn im Raum geht‘s um Millimeter, hinten geht‘s um Ausstrahlung. Während Maßschneiderin Paula Kleiner an den Armen und Beinen von Leon Beckhaus mittels eines Meterbandes verschiedene Werte misst, animiert ums Eck herum Florian Raab den vor ihm stehenden Martin Nörl zum Mienenspiel vor der Kamera.
„Beweg dich ein bisschen – sehr gut“, sagt der Medien-Profi und drückt auf den Auslöser. Nörl lächelt, hat eine lockere Haltung. Gleich darauf sind andere Posen gefragt. „Zeig‘ mal den Bizeps – perfekt.“ Und danach: „Jetzt aufs Logo zeigen.“
Es herrscht einiger Betrieb an diesem Dienstagvormittag in den Geschäftsräumen der Agentur „Filmbaar“ an der Christophstraße in Schongau. Zwei Werbefahnen am Eingang liefern einen Hinweis darauf, wer da zu Gast ist. „Snowboard Germany“ steht auf weißem Untergrund. Es dauert auch nicht allzu lang, dann treten die Protagonisten durch die Tür – alle sind leger gekleidet.
Das deutsche Weltcup-Team im Snowboardcross ist da. Neben Jana Fischer (SC Löffingen) sind das Martin Nörl (DJK-SV Adlkofen), Leon Beckhaus (SC Miesbach), Paul Berg (SC Konstanz) und Leon Ulbricht (SC Rötteln).
Rennanzüge werden maßgeschneidert
Bevor es für die Athleten in der kommenden Woche nach Argentinien zum Training auf Schnee geht, werden sie nach den vielen Kraft- und Ausdauereinheiten im Sommer nochmals genau vermessen. Bezogen auf diese Daten werden für jeden maßgeschneiderte Rennanzüge gefertigt. „In Baggy-Pants fährt im Weltcup keiner mehr rum“, sagt Constanze Wagner, Pressesprecherin für „Snowboard Germany“, mit einem Schmunzeln. Auch bei den Boardern spielt das Material eine entscheidende Rolle, auch und gerade im Weltcup, in dem es um Geld und Punkte geht.

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Der Termin diente auch dazu, offizielle Fotos und Social-Media-Inhalte zu produzieren. Schongau erwies sich dazu als idealer Ort. Einerseits, weil es für die Athleten, die aus dem Allgäu und dem Baden-Württembergischen sowie aus dem Münchner Raum kommen, zentral liegt. Und andererseits, weil da die Agentur ihren Sitz hat, die sich um diese Wintersport-Sparte kümmert. Seit rund drei Jahren arbeitet „Filmbaar“ mit den Snowboardern zusammen. Der Kontakt kam über einen ehemaligen Mitarbeiter der „Schongauer Nachrichten“, Thomas Fritzmeier, zustande. Bei der Agentur „fühlen wir uns gut aufgehoben“, sagt DSV-Pressesprecherin Wagner.
Bei der Auswahl spielte laut der PR-Managerin auch der Umstand eine Rolle, dass „Filmbaar“-Chef Florian Raab selbst ein versierter Snowboardfahrer ist. Denn so ist es ihm möglich, die Athleten bei Rennen auf der Piste zu filmen. Zudem weiß Raab eben auch, wie Snowboardfahrer ticken. Er ist „da ja oft in sensiblen Situationen wie kurz vor dem Start dabei“, sagt Wagner. Da sei eine persönliche Ebene zwischen den Beteiligten wichtig.
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Der gebürtige Schongauer, 44 Jahre alt, hat an der Sporthochschule in Köln studiert und ist diplomierter Sportökonom. Nachdem er unter anderem beim VfB Stuttgart im Marketing gearbeitet hat, ging Raab in die Selbstständigkeit. Sein Faible fürs Snowboardfahren dokumentiert sich auch darin, dass er den Lehrerschein innehat. „Mittlerweile bin ich aber auf Skiern unterwegs“, sagt Raab mit einem Schmunzeln. Für Kamerafahrten auf der Piste sind Skier einfach im Umgang praktischer. Die „Filmbaar“ ist vor allem bei Events vor Ort, die das Team „Snowboard Germany“ veranstaltet. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass die ARD anfragt, ob sie von „Filmbaar“ produzierte Inhalte für ihre Sportberichterstattung übernehmen darf, erzählt Raab.
Stippvisite vom Schongau Rathaus-Chef
Bei der Arbeit der Agentur für „Snowboard Germany“ geht es um weit mehr als Social-Media-Inhalte, erklärt Raab. Im Fokus steht auch die Vermarktung des Sports an sich, des Verbands und der Athleten. Ziel ist obendrein, Sponsoren zu präsentieren und über Kampagnen auch zu akquirieren. Der Freestyle-Bereich, sagt Pressesprecherin Wagner, hat nicht die Fernsehpräsenz wie etwa Ski alpin und Biathlon – die Zuschauer werden online und via Live-Streams erreicht.

Kurz bevor der erste Athlet vermessen wird, kommt Schongaus Bürgermeister Falk Sluyterman für eine Stippvisite vorbei. Der gebürtige Freiburger ist, der Nähe zum Schwarzwald geschuldet, „auf Skiern groß geworden“, erzählt er. 1988 stand er erstmals auf einem Snowboard. „Ich bin dann aber doch den Skiern treu geblieben“, sagt Sluyterman. In den Anfangstagen der Snowboards, erinnert sich der Rathauschef, war es an Schleppliften sogar verboten, sich mit den Brettern nach oben zu ziehen lassen.
Snowboard-Cross
Snowboardcross (abgekürzt SBX) ist eine Disziplin im Bereich des Snowboardens. 2006 in Turin gehörte sie erstmals im Olympischen Programm. Beim Snowboardcross befahren je vier Athleten oder Athletinnen zugleich einen Abfahrtskurs mit Wellen und Schanzen. Die besten jedes Laufs kommen in die nächste Runde. Bei Wettkämpfen gibt es zunächst eine Qualifikation. Die 32 besten Fahrer sind für die K.o.-Phase qualifiziert. In Achtel-, Viertel- und Halbfinals werden die Teilnehmer am Finale ermittelt.
Bei der Olympia-Premiere gewann Seth Wescott (USA) bei den Männern und Tanja Frieden (Schweiz) bei den Frauen. 2018 verpasste Martin Nörl knapp den Final-Einzug, er wurde Achter. 2022 belegte Nörl Rang neun. Bei Weltmeisterschaften gab es bislang zweimal Silber für Deutschland, und zwar durch Markus Ebner (2011) und Nörl (2023).
Aushängeschild der deutschen Snowboardcrosser ist Martin Nörl. Der Sportsoldat im Range eines Hauptfeldwebels, kürzlich 31 Jahre alt geworden, gewann in den Saisonen 2021/2022 und 2022/2023 jeweils den Gesamtweltcup. Im Dezember vergangenen Jahres zog er sich bei einem Sturz im Training zu einem Weltcup-Rennen in Cervinia (Italien) einen Bruch im linken Sprunggelenk zu. Auch das andere Sprunggelenk war in Mitleidenschaft gezogen, musste aber nicht operiert werden. Nun will Nörl wieder im Weltcup angreifen.
Weltmeisterschaft als Saisonhöhepunkt
„Ich hoffe, das Sprunggelenk hält“, sagt der Blaichacher. Im Training merke er die Verletzung schon noch. „Das ist noch nicht abgeschlossen.“ Für ihn persönlich sei der Druck geringer als vor dem fatalen Sturz; „Ich bin nicht in der Favoritenrolle.“ Gleichwohl spielen Ergebnisse immer eine Rolle, sie entscheiden, ob jemand im Kader bleibt oder nicht. Alljährlich wird entschieden. Dass Leon Ulbricht (19) im vergangenen Winter im Weltcup gute Ergebnisse erzielte und die Wertung als Elfter abschloss, sieht Nörl positiv: „Man steht nicht alleine da. Der Druck verteilt sich auf mehrere.“
Nörls Ziel ist, „mich über die Saison steigern zu können“. Im März 2025 steht in St. Moritz (Schweiz) die Weltmeisterschaft an. Einen aktuellen Medaillengewinner in den „Filmbaar“-Räumen zu begrüßen – Inhaber Florian Raab hätte sicher nichts dagegen.