Ampel-Revolte bei Taurus-Ringtausch: „Wenn Putin gewinnt, dann gnade uns Gott“
Storm Shadow statt Taurus: Per Ringtausch will Scholz die Ukraine mit Marschflugkörpern versorgen. Doch bei SPD, Grünen und CDU stößt das auf Kritik.
Berlin – Die Gegenwehr kommt aus den eigenen Reihen: Das Vorgehen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Waffenlieferung für die Ukraine sorgt in der Koalition weiter für Unmut. So halten Spitzenpolitiker von FDP und Grünen die Idee für einen Taurus-Ringtausch für brandgefährlich – und fordern weiterhin eine direkte Lieferung der deutschen Marschflugkörper in das Konfliktgebiet.
„Die Ukraine braucht Taurus. Und zwar sofort“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Agnes Strack-Zimmermann, zu IPPEN.MEDIA und fügte hinzu: „Ein Ringtausch diesbezüglich mit Großbritannien erschließt sich mir nicht.“ Während sich Vertreter von Grüne und CDU ähnlich äußerten, zeigte sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der Frage noch zurückhaltend.
Taurus-Marschflugkörper: Ampel-Fraktion streitet über Ringtausch für die Ukraine
Seit Wochen fordert die Ukraine zur Verteidigung vor Russlands Krieg die Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern. Doch das Kanzleramt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stand immer auf der Bremse – aus Sorge, dass mit den deutschen Langstreckenflugkörpern auch russisches Territorium angegriffen wird und Deutschland so zur Kriegspartei werden könnte. Als Ausweg prüft die Bundesregierung nun ein Angebot aus Großbritannien für einen Ringtausch, wie das Handelsblatt berichtete. Die Idee: Die Bundeswehr liefert die Taurus-Marschflugkörper an den Nato-Partner – und die britische Armee gibt dafür ihre Storm-Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine weiter.
FDP lehnt Taurus-Ringtausch ab: Strack-Zimmermann und Hofreiter mit deutlicher Kanzler-Kritik
Doch für Strack-Zimmermann ist der Vorschlag „untauglich“. Die Storm Shadow sei kein gleichwertiger Ersatz, sagte sie zu IPPEN.MEDIA. Im Vergleich zu den Taurus-Marschflugkörpern hätten die britischen Raketen eine geringere Reichweite, verfügten über eine geringere Sprengkraft. Darüber hinaus würden sie keine Mehrfachnavigation anbieten und seien für das Zurückschlagen der russischen Armee im Ukraine-Krieg nicht ausreichend, so die Verteidigungsexpertin. Man dürfe nicht vergessen, dass mit den deutschen Waffen nicht nur die Ukraine, sondern auch die Freiheit in ganz Europa verteidigt werde. „Wenn Putin gewinnt, dann gnade uns Gott. Dann wird die Ukraine nicht das letzte Ziel gewesen sein“, warnte Strack-Zimmermann vor zu viel Schüchternheit bei der direkten Unterstützung.
Zuletzt hatte sich der Ukraine-Krieg zu einem Stellungskrieg entwickelt. An mehreren Frontabschnitten kämpfen Angreifer und Verteidiger erbittert gegeneinander und fügen einander hohe Verluste zu. Doch während Russland immer wieder Soldaten und neues Material in die Schlacht werfen kann, drohen der Ukraine zunehmend Waffen und Munition auszugehen. Vor allem die deutschen Taurus-Marschflugkörper stehen deshalb hoch im Kurs, weil die ukrainischen Streitkräfte mit ihnen die russischen Nachschublinien weit hinter der Front attackieren und lahmlegen könnten.
Neben Strack-Zimmermann fordert deswegen auch der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), die direkte Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine. Nur so könne die ukrainische Armee den russischen Angriffen standhalten und die Versorgungsrouten im Süden zu kappen, sagte er zu IPPEN.MEDIA. Es sei „höchst bedenklich“, dass der Bundeskanzler dies offensichtlich nicht unterstützen wolle. Zwar sei es besser Storm Shadows zu liefern als gar keine Marschflugkörper. Aber falls es zu einem solchen Ringtausch kommen sollte, dann müsse es „Großbritannien freigestellt sein, selbst über eine Lieferung der Taurus an die Ukraine zu entscheiden“, forderte der Grüne.
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Marschflugkörper-Ringtausch: Pistorius wägt Interesse der Bundeswehr ab
Doch ob der SPD-Koalitionspartner da mitspielt, blieb zunächst unklar. Allen voran Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich zurückhaltend. Bereits vor einigen Tagen hatte er sämtliche Waffenlieferungen für die Ukraine unter Vorbehalt gestellt und gemahnt, dass die Bundeswehr bei allen nötigen Unterstützungsleistungen ihre eigene Verteidigungsfähigkeit im Blick behalten müsse. Man könne nicht „all in“ gehen, ließ sich der Politiker vom Tagesspiegel zitieren.
Konkret auf die Taurus-Lieferung hielt sich Pistorius am Donnerstag bedeckt. Er wolle es nicht ausschließen, aber es gebe „keinen neuen Stand“, sagte er der Bild-Zeitung. Zu dem Ringtausch wollte er sich nicht weiter äußern und berief sich auf die Geheimhaltung. Dies sei nichts, „was man in der Öffentlichkeit diskutiert, weil wir über Sicherheitsinteressen auch der Bundesrepublik Deutschland und der Nato reden“, sagte er zu möglichen Gesprächen mit der britischen Regierung. Grundsätzlich verwies der Minister aber erneut darauf, dass die Schnelligkeit und der Umfang der deutschen Waffenhilfe zu einem Großteil auch von der Nachschubproduktion der deutschen Rüstungsindustrie abhänge.
Strack-Zimmermann hält die Begründung aber auch ein wenig für vorgeschoben. Die Bundeswehr könne Taurus-Marschflugkörper entbehren. „Der Hersteller hat bereits bestätigt, schnell nachproduzieren zu können für die Bundeswehr“, sagte sie. Das gleiche Problem hätte man ja im Übrigen auch bei einem Ringtausch. Auch dann wären die Taurus-Marschflugkörper „für die Bundeswehr nicht mehr vorhanden und die Ukraine hat trotzdem keine“, gab sie zu Bedenken.
„Piouretten des Kanzlers überdrüssig“: Unionsfraktionsvize Wadephul will schnelle Taurus-Lieferung
So sieht man das auch bei der Opposition. Der Vize-Fraktionschef der Union, Johann Wadephul, pocht ebenfalls auf eine direkte Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. „Warum ein Ringtausch besser sein soll als die direkte Lieferung an die Ukraine, versteht niemand außerhalb der isolierenden Mauern des Kanzleramtes“, sagte der Verteidigungspolitiker zu IPPEN.MEDIA. „Selbst in der Regierungskoalition scheint man der Pirouetten des Kanzlers überdrüssig zu sein“, fügte er hinzu und rief zugleich seine FDP-Kollegin Strack-Zimmermann auf, einen Taurus-Antrag der Ampel-Koalition wie angekündigt im Bundestag einzubringen. An seiner Fraktion werde der Antrag nicht scheitern, versprach er. „Der Countdown läuft. Die Bundesregierung hat genug geprüft. Es ist Zeit, zu liefern. Es ist Zeit, dass Bundeskanzler Scholz sich erklärt.“ (jkf)