Angeblich Erdogan beleidigt: Schwedischer Journalist in der Türkei freigelassen
Mehr als 50 Tage musste der schwedische Journalist Joakim Medin in der Türkei in Haft bleiben. Jetzt darf er zu seiner schwangeren Frau in seine Heimat.
Stockholm – Der Journalist Joakim Medin ist nach schwedischen Angaben aus türkischer Haft entlassen worden und auf dem Rückweg in sein Heimatland. Harte Arbeit in relativer Stille habe Ergebnisse gezeigt, verkündete Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson am Abend auf der Plattform X.
„Der schwedische Journalist Joakim Medin ist auf dem Heimweg von der Türkei nach Schweden. Er wird in einigen Stunden landen.“ Kristersson dankte dem schwedischen Außenministerium sowie behilflichen europäischen Kollegen. „Willkommen zu Hause, Joakim!“, sagte er. Medin arbeitet für die schwedische Tageszeitung Dagens ETC, die seine Freilassung ebenfalls bestätigte. „Joakim Medin ist frei“, titelte die Zeitung online.
Beleidigung von Erdogan und Terrorvorwürfe
Der Journalist war Ende März kurz nach seiner Landung in Istanbul festgenommen und verhaftet worden. „Kaj Joakim Medin, ein schwedischer Reporter von Dagens ETC, der für seine türkeifeindlichen Nachrichten und seine Nähe zur Terrororganisation PKK bekannt ist, wurde wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation und Beleidigung des Präsidenten verhaftet“, teilte das Kommunikationsdirektorat nach der Verhaftung des Journalisten mit. Beide Vorwürfe wies der Schwede jedoch zurück. Medin war in die Türkei gereist, um über Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu sowie die Proteste zu berichten.
Die Anwaltsvereinigung MLSA bestätigte, dass Medin freigelassen wurde und die Türkei verlassen hat. Den Angaben zufolge laufen dennoch Gerichtsverfahren gegen ihn, die voraussichtlich auch weiter fortgesetzt würden. Die erste Anhörung im Prozess zu den Terrorismusvorwürfen sei für den 25. September angesetzt. Der Ausgang dieses Verfahrens könnte MLSA zufolge weitere Auswirkungen auf Medin haben, der über kurdische Fragen und Menschenrechte in der Türkei berichtet hatte.
Schwedens Außenministerin Maria Malmer Stenergard will sich auf einer Pressekonferenz am Samstag näher zu Medins Freilassung äußern. Auf X wies sie darauf hin, dass ihn zu Hause seine schwangere Frau erwartet. „Jetzt können sich Joakim Medin und seine Frau in aller Ruhe darauf vorbereiten, Eltern zu werden. Gemeinsam“, schrieb die Ministerin.
Unterdrückung der Pressefreiheit in der Türkei an der Tagesordnung
Die Türkei gehört zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten. Im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) liegt das Land auf Platz 159 unter 180 Ländern. „Seit der Niederschlagung des Putschversuchs von 2016 gehen Regierung und Justiz härter denn je gegen kritische Journalist*innen vor. Dutzende wurden aufgrund ihrer Berichterstattung zu teils langjähriger Haft verurteilt, viele warten seit Jahren auf ihre Urteile oder wehren sich in Berufungsinstanzen gegen Haftstrafen. Andere sind ins Ausland geflohen“, schreibt RSF zur Türkei auf seiner Internetseite.

Bei den Protesten gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ging die Polizei gegen mehrere Journalisten brutal vor. Mehrere von ihnen wurden verhaftet. „Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Gewalt gegen Journalistinnen und Reporter in der Türkei, die über die Proteste gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu berichten. Mindestens zehn Medienschaffende wurden seit dem 19. März von Sicherheitskräften körperlich angegriffen. Zudem wurden mindestens fünf Journalistinnen und Journalisten festgenommen“, ließ die Journalistenorganisation ebenfalls mitteilen.
Die einst pluralistische Medienlandschaft in der Türkei stehe inzwischen fast vollständig unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. (erpe/dpa)