Unternehmer geißelt „Abgehobenheit der Politik“ – und rät zum „Heilfasten“

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Reinhold Krämmel (re.), Aufsichtsratsvorsitzender des Wirtschaftsforums Oberland, las der Politik die Leviten. Einmal mehr geißelte der Unternehmer die „ausufernde Bürokratie“. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Beim Geburtstagsfest des Wirtschaftsforums Oberland servierte Aufsichtsratsvorsitzender Reinhold Krämmel den rund 150 Gästen vor einem Drei-Gang-Menü schwere Kost.

Geretsried – „Die Zukunft liegt im Süden“: Dieser Slogan schweißt das Wirtschaftsforum Oberland (WFO) seit 2004 zusammen. 20 Jahre nach der Vereinsgründung floss am Dienstagabend im buchstäblichen Sinne Schweiß. Bei hochsommerlichen 31 Grad feierten Vorstand, Aufsichtsrat und das Gros der gut 150 Mitglieder auf Gut Buchberg mit Hausherrin Annemarie Schönhuber den Geburtstag des Vereins. Zur illustren Gästeschar zählten der CSU-Stimmkreisabgeordnete Thomas Holz, Landrat Josef Niedermaier, die Rathauschefs von Geretsried und Wolfratshausen, Michael Müller und Klaus Heilinglechner, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, Manfred Gößl, und Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern.

Persönlicher Austausch ist wichtiger denn je

Zum letzten Mal trat Reinhold Krämmel als Aufsichtsratsvorsitzender des WFO ans Mikrofon, der Unternehmer wird nach eigenen Worten bei der Wahl des Kontrollgremiums im Herbst dieses Jahres nicht erneut kandidieren. Er erinnerte daran, dass die am 26. Mai 2004 aus der Taufe gehobene Regionalmarketing-Initiative unter anderem das Ziel verfolge, ein dichtes Netzwerk zu knüpfen. Der persönliche Austausch sei wichtiger denn je, stellte Krämmel fest, denn der Zusammenhalt der Gesellschaft „lässt hier und da zu wünschen übrig – weil nicht mehr jeder mit jedem über alles redet“.

Geredet muss nach Meinung des Unternehmers unter anderem über die „ausufernde Bürokratie“. Für die mitverantwortlich machte Krämmel das „Anspruchsdenken“ vieler Zeitgenossen, die sich „gegen alles absichern wollen“. Aus diesem Grund würden Verwaltungsstrukturen geschaffen, die „Bürokratie schränkt jedoch die Freiheit ein“. Noch sei der Leidensdruck offenbar aber nicht groß genug, dass die Bürger so laut auf Reformen pochen würden, dass die Politik echte Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf den Weg bringe. „Bevor es besser wird, muss es noch schlechter werden“, sinnierte der WFO-Aufsichtsratschef.

Wirtschaftsforum Oberland
Guten Appetit: Landrat Josef Niedermaier (li.) und der CSU-Stimmkreisabgeordnete Thomas Holz (re.). © Sabine Hermsdorf-Hiss

Um Missverständnissen vorzubeugen betonte Krämmel: „Ein funktionierender Staat braucht eine effiziente Bürokratie!“ Doch zu viel Reglementierung (Stichwort Heizungsgesetz) würde die Kosten in die Höhe treiben und eine überbordende Dokumentationspflicht bringe Betriebe in Existenznot. Als Beispiel nannte Krämmel den Pflegebereich: „Der personelle Zuwachs wird gleich von der Bürokratie aufgefressen.“ Und dies angesichts einer „gelähmten“ Wirtschaft, die Jahr für Jahr 250 000 Fachkräfte verliere, die ins Ausland abwandern würden.

S7-Verlängerung: Krämmel will sich „nicht aus dem Fenster lehnen“

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Krämmel hat den Eindruck: „Das Vertrauen in die Politik sinkt.“ Infrastrukturmaßnahmen würden aufgrund komplexer Genehmigungsverfahren zu Generationenprojekten – siehe die geplante S-Bahn-Verlängerung nach Geretsried. Seit sage und schreibe 40 Jahren werde die diskutiert, immerhin liege nun „wieder“ eine positive Nutzen-Kosten-Analyse auf dem Tisch (wir berichteten). Dazu gibt‘s eine neue Kostenberechnung: 433 Millionen Euro wird das Vorhaben Stand heute kosten. Er wolle sich „nicht aus dem Fenster lehnen“ und prognostizieren, „wann dieses Geld bereitsteht“.

Krisen sind auch eine Chance, mit der Not wächst die Einsicht. Und die Not zwingt zu Innovationen.

Krämmel fasste sich stellvertretend für alle WFO-Mitglieder aber auch an die eigene Nase: „Regulierungswut“ gebe es nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft. „Bei der Regulatorik sind wir also Opfer und Täter.“

„Krisen sind auch eine Chance“, sagte Krämmel, „mit der Not wächst die Einsicht.“ Die Not „zwingt zu Innovationen“. Es sei aber auch an der Zeit, sich auf „Tugenden“ wie Fleiß, Vertrauen und Zuversicht zu besinnen. „Diese Tugenden sind die Triebfeder des Erfolgs.“ Der „Ministerialbürokratie“ riet er zu einer „strengen Diät“, zum „Heilfasten“. Denn das „Selbstverwaltungsmonster“, die Bundesverwaltung, beschäftige inzwischen 300 000 Männer und Frauen. 24 Milliarden Euro würden die „Aufwendungen für die Selbstverwaltung“ den Steuerzahler kosten. Er frage sich, wie lange sich der deutsche Michel die „Abgehobenheit der Politik noch bieten lässt“.

Buffet mit Carpaccio, Rinderfilet und Kaiserschmarrn

Die gute Nachricht des Abends: „Das Buffet ist eröffnet“, erklärten Krämmel und Caterer Ludwig Schmid kurz vor 20 Uhr. „Es gibt drei Gänge, die man auch in dieser Reihenfolge isst“, so Schmid augenzwinkernd. Carpaccio, Dreierlei vom Krabbencocktail, Entenbratwürstl, Wildfleischpflanzerl, Rinderfilet, Bayrisch Creme sowie Kaiserschmarrn waren im Gegensatz zur schweren, von Krämmel zuvor servierten Kost, ein gut bekömmliches Gaumenvergnügen. cce

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