„Deutschland windet sich, schafft die Energiewende aber nicht“ – Verband spricht deutliche Warnung aus
Wenn Deutschland nicht den Turbo einlegt, wird die Energiewende scheitern. Zu diesem Schluss kam die vbw in einer aktuellen Studie. Vor allem beim Netzausbau hakt es.
München – „Egal, ob Bund, Länder oder Kommunen: Die Energiewende braucht mehr Tempo.“ Mit deutlichen Worten warnte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bei der Pressekonferenz zum 12. Energiemonitoring. In fast allen Bereichen verfehle der Umbau des deutschen Energiesystems die vorgegebenen Ziele. Eine Verbesserung zum Vorjahr sei fast nicht erkennbar – im Gegenteil.
Mangel beim Ausbau der Stromnetze | 2.000 Kilometer |
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Geplanter Zubau an Windenergie pro Jahr | 12 Gigawatt (national) |
Geleisteter Zubau an Windenergie pro Jahr | 3,4 Gigawatt (national) |
Stichjahr, zu dem die gesamte Stromerzeugung ohne Treibhausgase stattfinden soll | 2050 |
vbw warnt – Energiewende gelingt nur mit mehr Anstrengung
Bereits zum zwölften Mal analysierte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) den Status Quo der Energiewende in Deutschland. Dabei zieht sie in vier Kategorien jeweils eine Zwischenbilanz – Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Energieeffizienz/erneuerbare Energien sowie Umweltverträglichkeit. Der Maßstab für die Bewertungen sind dabei stets die selbstgesteckten Ziele des Bundes, allerdings zieht die vbw auch einen direkten Vergleich zum Freistaat Bayern. In diesem Jahr fällt die Prognose denkbar düster aus: Zwar belegte Deutschland bei der Stromausfallzeit einen Spitzenplatz, aber in fast allen anderen Kategorien zeigte die Ampel tiefrot.

Das betraf sämtliche Bereiche vom Netzausbau und den Eingriffen der Energiebetreiber, über die Industrie- und Handelsstrompreise sowie die Energieproduktivität, bis hin zum Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix. „Fakt ist, dass die Zeit schwindet und mit jedem Jahr der Handlungsdruck steigt“, erklärte Brossardt. Deutschland winde sich, aber von einer echten Wende sei noch nicht viel zu erkennen.
Übertragungsleitungen als Mangelware – 2.000 Kilometer fehlen
Zum Beispiel kritisierte der vbw-Chef den aktuellen Stand beim Netzausbau. „Der Rückstand in Deutschland beträgt rund 2.000 Kilometer“, führte er aus, und warnte, dass es weder bei den großen Übertragungsleitungen noch beim regionalen Verteilnetz weitere Verzögerungen geben dürfe. Die Sicherheitsmaßnahmen, die der Bund ergreifen musste, um das Stromnetz zu stabilisieren, hätten 2022 einen neuen Rekordwert erreicht. Fünf Milliarden Euro habe der Staat bezahlen müssen. Brossardt mahnte: „Wir müssen machen, statt nur zu wollen.“
Die Bundesregierung müsste dem Ausbau der Netze und den erneuerbaren Energien „klare Vorfahrt“ einräumen, forderte die vbw. Hier seien „schlankere“ Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig. Außerdem brauche das Land deutlich mehr Windkraft, um die Energiewende zu stemmen. Der Verband zeigte eine deutliche Schere zwischen dem Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen, die sowohl auf Bundesebene als auch speziell im Freistaat Bayern aufgehe.
Solarenergie klappt, Windenergie dagegen gar nicht
Zum Vergleich: Auf Bundesebene ist das langfristige Ziel ein Zubau der Windenergie um zwölf Gigawatt pro Jahr. Aktuell steht Deutschland bei 3,4 Gigawatt. Bei der Solarenergie sind wir wesentlich weiter; vom langfristigen Ziel (20 Gigawatt Neuzubau pro Jahr) stehen wir bereits bei 14,1 Gigawatt Zubau. In Bayern klafft die Schere noch weiter auf. Mit einem Zubau der Windenergie von 38 Megawatt hängt Bayern seinem Ziel (800 Megawatt) deutlich hinterher; in einigen Landkreisen gab es gar einen Rückbau. Bei der Solarenergie dagegen (3,4 Gigawatt Zubau, geplant waren kurzfristig 1,9 Gigawatt) steht Bayern stärker da.
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Das reicht jedoch nicht. „Wir müssen jetzt innerhalb von sieben, eigentlich sechs, Jahren noch einmal das schaffen, was wir in den letzten 13 Jahren geschafft haben“, sagte Dr. Almut Kirchner dazu. Heutzutage sei der Zubau zumindest ein bisschen leichter, unter anderem wegen der niedrigeren Kosten am Solarmarkt. „In Bayern muss sich die Geschwindigkeit beim Ausbau der Windenergie verzwanzigfachen“, bilanzierte Brossardt.
Ziele der Bundesregierung bei den erneuerbaren Energien
Bei der Energiewende richtet sich die Bundesregierung mehr oder weniger streng nach festgelegten Werten. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent sinken, das Referenzjahr ist 1990. 2040 sollen es 88 Prozent sein. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix soll bis 2030 rund 80 Prozent betragen und ab 2050 ist sämtliche in Deutschland erzeugte Energie frei von Treibhausgasen. So sieht jedenfalls der Plan aus.
Die Energiewende gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Es kommen weiter massive Kosten auf die Bundesrepublik zu. Davor hatte zuletzt auch der Eon-Chef Leonard Birnbaum gewarnt. Hintergrund war eine Preissteigerung der beiden großen Energiekonzerne EnBW aus Karlsruhe und dem Oldenburger Unternehmen EWE gewesen. Die Regierung müsse schnell handeln, sonst drohen die Kosten unverhältnismäßig stark anzusteigen.