Übergang zu erneuerbaren Energien: Deutschland braucht 60 Milliarden Euro für Reservekraftwerke
Für die Energiewende braucht es Reservekraftwerke. Die sind jedoch teuer und zurzeit unrentabel. Deutschlands Kraftwerkstrategie lässt auf sich warten.
München - Damit die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien klappt, braucht Deutschland Reservekraftwerke. Sie springen ein, wenn kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Der Neubau dieser Back-up-Kraftwerke könnte Deutschland bis 2030 60 Milliarden Euro kosten. Das ergab eine Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI) für das Handelsblatt.
Dieses Geld lasse sich nicht aus Erlösen vom Strommarkt erwirtschaften. Für die Investitionen müssen „andere Anreizinstrumente gefunden werden“, sagte EWI-Experte Philipp Kienscherf der Wirtschaftszeitung. Der Staat muss also mit Geld nachhelfen. Das EWI hat mit der Analyse einen Preis für die Kraftwerkstrategie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) berechnet - die lässt auch Anfang 2024 immer noch auf sich warten.

Rahmen für Kraftwerkstrategie gibt Energieunternehmen nicht genügend Sicherheiten
Dabei gab es im Sommer vergangenen Jahres schon frohe Bekundungen aus Habecks Ministerium. Der Rahmen für die Kraftwerkstrategie stehe: Neue Gaskraftwerke sollen in „Dunkelflauten“ - wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint - als „Backup“ einspringen, um die Stromnachfrage zu decken. Sie sollen zunächst mit Erdgas und später mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden. Habeck hatte staatliche Förderungen angekündigt, die sich im Milliardenbereich bewegen. Möglich ist ein Anreizsystem, mit dem es honoriert wird, dass Betreiber Kraftwerkskapazitäten vorhalten. Auch Neubauzuschüsse oder eine Kombination verschiedener Anreizinstrumente seien denkbar, berichteten zuletzt verschiedene Medien. Die Bundesregierung muss allerdings nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt für 2024 sowie im Klima- und Transformationsfonds stopfen.
„Bei der Ankündigung ihrer Kraftwerksstrategie hat die Bundesregierung unterstellt, dass wir in Zeiten, in denen Strom bei uns knapp ist, erhebliche Mengen aus dem Ausland importieren können und wir deshalb nur 25 Gigawatt zubauen müssen“, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) Ende Dezember. „Das ist eine höchst optimistische These, weil sie davon ausgeht, dass unsere Nachbarn immer dann Überschussstrom haben, wenn wir ihn brauchen. Aber auch 25 Gigawatt Zubau bedeutet 50 neue Kraftwerke.“ Dies sei eine immense Ambition.
Fehlende Kraftwerkstrategie bringt Kohleausstieg in Gefahr
Je länger die finale Kraftwerkstrategie ausbleibt, desto schlechter ist das jedoch fürs Klima, denn: Die Kraftwerkstrategie ist extrem wichtig, um den angestrebten Kohleausstieg bis 2030 zu schaffen. Aber Energieunternehmen scheuen bisher Investitionen, weil sich die neuen Kraftwerke bisher nicht rechnen. Das liegt daran, dass die Back-up-Kraftwerke mit einem wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien immer seltener zum Einsatz kommen. Mit wenigen Hundert Betriebsstunden pro Jahr lasse sich jedoch kein neues Kraftwerk finanzieren, schreibt das Handelsblatt.
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„Es geht hier um politisch wünschenswerte Investitionen, die sich betriebswirtschaftlich derzeit nicht darstellen lassen“, sagt EWI-Experte Kienscherf der Wirtschaftszeitung. „Wenn man unterstellt, dass immer mehr Kraftwerke am Markt sind als zur Deckung der Nachfrage tatsächlich benötigt werden, können sich keine Knappheitspreise bilden. Neue Kraftwerke könnten sich unter diesen Bedingungen nicht kostendeckend betreiben lassen“, erklärt der EWI-Experte.
(mit Material der dpa)